Protocol of the Session on December 15, 2022

Das zweite Beispiel. Auch dazu will ich Sie in das Jahr 1995 zurückführen. Damals hat der Stadtrat von Magdeburg das erste Mal über die zweite Nord-Süd-Verbindung der Straßenbahn gesprochen. Auch die wird erst Ende dieses Jahrzehnts fertig werden. Das ist übrigens die eine oder andere Baustelle, die Ihnen so ein bisschen begegnet.

Wir hatten gestern das Thema. Die GRÜNEN haben zum Thema Radschnellwege einen Gesetzentwurf zur Änderung des Straßengesetzes eingebracht. Auch das sind Planungsvorhaben, die wir beim Thema Mobilität, Verkehrswende brauchen werden. Auch dabei darf es nicht so sein, dass man auf Radschnellwege, die heute erdacht und politisch beschlossen werden, zwei Jahrzehnte wartet.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE, und von Olaf Meister, GRÜNE)

Das dürfte so ziemlich die Realität sein.

Das letzte Beispiel: barrierefreie Haltestellen. Der Bundesgesetzgeber hat beschlossen, dass wir seit einem Jahr bundesweit barrierefreie Haltestellen haben müssen. - Haben wir nicht.

(Olaf Meister, GRÜNE: Haben wir nicht!)

Das werden wir auch im nächsten Jahr nicht hinbekommen und das werden wir bis Ende des Jahrzehnts nicht hinbekommen. Der Stadtrat von Magdeburg hat die Zeit halbiert, indem wir

gesagt haben, wir machen doppelt so viele Strecken, also immer zwei parallel, und landen bei der Barrierefreiheit hinsichtlich des Zustiegs beim Jahr 2060. Ein Grund sind Planungsverfahren.

Wir haben einen Antrag auf den Weg gebracht und, Herr Rausch, in der Begründung stehen die LNG-Terminals und die Windkraftanlagen usw. deshalb, weil es dafür schon eine Planungsbeschleunigung gibt. Das ist ein Teil der verschiedenen Pakete gewesen, die der Bundestag beschlossen hat. Für uns ist das ein Beispiel dafür, dass es geht.

Wenn es dafür geht, dann muss es auch für die anderen Sachen gehen, und zwar für alles. Ich weiß, der eine oder die andere findet, dass das es bei Autobahnen nicht so schnell gehen soll, weil er oder sie die Autobahn nicht so richtig gut findet. Aber wer A sagt, muss auch B sagen. Denn Planungsrecht gilt nun einmal für alles.

Deswegen wollen wir eine Planungsbeschleunigung. Wenn es den politischen Willen gibt, Sachen zu bauen, dann müssen sie auch gebaut werden und nicht erst von übernächsten Generationen von Ministerinnen und Ministern usw. eingeweiht werden. Ich finde, das sind wir uns ein Stück schuldig.

(Zustimmung bei der CDU)

Zum Thema Digitalisierung. Lieber Herr Kollege Gürth! Ich weiß, dass der ehemalige Landtagspräsident in Ihnen es super findet, wie das hier im Hause mit der Digitalisierung läuft. Der Stadtrat Grube findet das nicht. Jedes Stadtrats-, Gemeinderats- oder Kreistagsmitglied, das in diesem Land mit Mandatos arbeitet, arbeitet digital deutlich besser als wir als Abgeordnete dieses Landtages.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Es ist auch schön, dass hier alles eingescannt wird, aber bearbeiten kann ich dann nichts. In allen Masken kann ich auch nicht suchen. Mandatos ist besser als das, was wir hier haben. Das ist eine Hausaufgabe, die wir auch hier im Haus haben. Es ist schön, dass das begonnen wurde, am Ende sind wir damit noch nicht. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Grube. - Als nächster Redner kommt Herr Henke für die Fraktion DIE LINKE nach vorn.

Frau Präsidentin! Geehrte Damen und Herren! Liebe Koalitionäre! Für einen komplexen Antrag zur Straffung des Genehmigungsverfahrens für a l l e Infrastrukturvorhaben genügt Ihnen eine spärliche, nichtssagende Siebenpunkteaufzählung mit immerhin elfzeiliger Begründung.

(Ulrich Thomas, CDU, lacht)

Das ist die Gesamtbegründung, nicht pro Punkt. Auch die blumige Einbringung des Kollegen Gürth entspricht dem. Das wird aber kaum Ihre Unfähigkeit sein. Ich befürchte, es ist eher Methode. Damit meine ich nicht das erwartbare Gelobt-werden-Wollen bei den anstehenden Neujahrsempfängen der Kammern und Wirtschaftsverbände im nächsten Monat. Dort wollen Sie sich dann loben lassen, weil Sie vermeintlich Gutes tun. Wie Wirtschaftsvertreter ticken, weiß ich aus eigener Erfahrung. Die schauen genau hin und werden feststellen, dass alles sehr, sehr unverbindlich ist, um nicht sagen heiße Luft.

Weshalb werden Sie nicht konkret? Vordergründig wollen Sie den Schwung der zügig installierten neuen Energieversorgungsanlagen nutzen, um die Ausnahmen dieses Jahres zum Standard werden zu lassen. Ja, das geht einher mit der in dieser Woche erfolgten Diskussion im Europaparlament zu Initiativen und Richtlinien zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuer- baren Energien. Unter anderem soll es eine Notstandsregelung geben, bis permanente Regelungen für schnellere Genehmigungsverfahren geschaffen werden. Es gibt im Detail noch Unstimmigkeiten, aber auch dabei schaut man schon einmal auf FFH-Gebiete.

Im Bundestag soll jetzt die achte Änderung des Regionalisierungsgesetzes beschlossen werden. In diesem Zusammenhang ist gestern im aktuellen Streit um das Planungsbeschleunigungsgesetz andeutungsweise bekannt geworden, dass es bald eine Einigung auf ein Bundesgesetz zur Beschleunigung der Sanierung der Infrastruktur geben wird.

Dabei soll es aber auch vereinfachte Kapazitätserweiterungen geben dürfen. Das war genau der ursprüngliche Streit. Wenn z. B. eine Brücke an einer vierspurigen Autobahn ersetzt werden soll, dann können daraus bei der Gelegenheit gleich auch sechs Spuren werden, wenn der Bundesverkehrswegeplan das so vorsieht. Umweltverbände und die Bundestagsfraktion DIE LINKE sehen das nicht so.

Wie soll das nun zu diesen schwammigen Antragswünschen der hiesigen Landeskoalition passen? Warum werden Sie nicht konkret? Welche Folgen eingeschränkte oder gar fehlende Umweltverträglichkeitsprüfungen zeitigen,

werden wir, so fürchte ich, noch erleben, wenn nicht erleiden müssen.

Was wollen Sie genau abschaffen? - Die Bürgerbeteiligung? Die Beteiligung der Träger öffent-

licher Belange? Umweltverträglichkeitsprüfungen? Die Schaffung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen? Idealerweise das Verbandsklagerecht bspw. der Umweltverbände beschneiden? Darauf weist Ihre Formulierung hinsichtlich der materiellen Präklusion hin, die wieder eingeführt werden soll. Das ist ein ganz böses Zeichen.

Wollen Sie das öffentliche Auftragswesen weiter aufweichen, z. B. mit erhöhten Schwellenwerten und der Aushöhlung der ILO-Kernarbeitsnormen? Wollen Sie gleich noch die Pflicht zur öffentlichen Auslegung von Unterlagen zu Planungsverfahren aufweichen? Das waren im Übrigen auch schon sieben Punkte. Aber dann können Sie zur Vollständigkeit noch die technischen Spezifikationen der DIN aufweichen, vielleicht noch die Aufgaben der Berufsgenossenschaft beschneiden und die Unfallverhütungsvorschriften aufheben.

Diese Regelwerke, sehr geehrte Damen und Herren, entstanden doch nicht nur aus dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt. Sie enthalten Erfahrungswissen. Viele Sicherheitsbestimmungen wurden umgangssprachlich mit Blut geschrieben.

Ist das Ihre Vorstellung von einer modernen, dem Sozialen und der Umwelt verpflichteten Industrienation oder wollen Sie so der mangelnden Personalausstattung und damit einhergehenden Überlastung der öffentlichen Bauverwaltungen entkommen? Dort wäre anzusetzen, um ausreichenden Planungsvorlauf einschließlich gerichtsfester Planungen zu erreichen. Auch bei der hier so viel beschworenen Digitalisierung sind gute, motivierte und in ausreichender Anzahl vorhandene Mitarbeiter unverzichtbar.

Aus den genannten Gründen lehnt meine Fraktion diesen Antrag ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Henke. - Es folgt Frau Tarricone für die FDP-Fraktion. Bevor Frau Tarricone anfängt, möchte ich es nicht versäumen, die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Geschwister Scholl in Sangerhausen auf der Tribüne zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Es freut mich, dass Sie den Weg nach Magdeburg gefunden haben und sich den Parlamentsalltag hier anschauen. - Frau Tarricone.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe ein ganz klein bisschen Schwierigkeiten, aber auch Lust nach Ihrem Vortrag, Herr Henke, die Sachen hier wieder positiv darzustellen;

(Zustimmung bei der FDP)

denn Sie haben Sachen konstruiert, die nie in unserem Kopf vorgekommen sind, um Hürden aufzubauen und Ängste zu schüren. Das ist absolut nicht nötig gewesen. Also, ich versuche jetzt wieder den optimistischen Blick auf unseren Antrag zu richten, der sich mit der Verkürzung ausufernder Planungszeiten in Deutschland beschäftigt.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

In einer Kleinen Anfrage aus dem Jahr 2021 haben die GRÜNEN im Deutschen Bundestag nach der Dauer der einzelnen Leistungsphasen für Schienenwege, Fernstraßen und Radwege gefragt. Zu diesem Zeitpunkt unterlagen Bundesfernstraßen noch der Bundesauftragsverwaltung. Deshalb gibt es dafür auch für Sach-

sen-Anhalt Daten. Betrachtet - ich habe die Bundesfernstraßen herausgenommen - wurden Projekte mit mehr als 20 km Länge. Für die Grundlagenermittlung bzw. Vorplanung waren hierzulande demnach ein Jahr bis vier Jahre üblich, für die Entwurfs- und Genehmigungs- planung bis zur Einleitung der Planfeststellungsverfahren einschließlich Raumordnungs- und Linienbestimmungsverfahren zwei bis elf Jahre und für die Planfeststellungsverfahren vier Jahre. Der eigentliche Bau bis zur Inbetriebnahme dauerte hingegen nur ein halbes bis ein Jahr. Wenn man Radwege und Schienen betrachtet, dann sieht es nicht viel anders aus. Also, ich habe nur ein Beispiel herausgenommen.

Hinzuzurechnen ist dann noch die Dauer der Gerichtsverfahren. Diese sind in den seltensten Fällen in wenigen Monaten abgeschlossen. Deutlich häufiger benötigen sie zwischen zwei und vier Jahren und manchmal noch länger.

Sorgfalt bei staatlichen Bauprojekten ist zweifellos wichtig. Es ist schließlich nicht so, das dem Bund der Steuerzahler der Stoff für sein jähr- liches Schwarzbuch ausginge. Ebenso müssen die Sorgen der Anwohner ernst genommen werden, zumal die frühzeitige Einbindung der Bürger auch Planungen verbessern kann. Das wissen Planer aus eigener Erfahrung.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

Das will auch niemand anders haben. Aber die Dosis macht bekanntlich das Gift, und Deutschland hat deutlich zu viele Beruhigungsmittel genommen. Planungszeiträume, die sich in Jahrzehnten bemessen, müssen bei den Bürgern den Eindruck erwecken, dass sich der Staat selbst im Wege steht. Wenn Infrastrukturprojekte regelmäßig über mehrere Legislaturperioden laufen, dann entkoppelt sich nicht zuletzt die demokratische Verantwortlichkeit von der politischen Entscheidung.

Alle staatlichen Ebenen und alle drei Gewalten müssen deshalb auf Potenziale zur Beschleunigung von Infrastrukturprojekten durchforstet werden.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP - Ministerin Dr. Lydia Hüskens: Wohl wahr!)

Man kann nicht beständig beklagen, es bliebe nur noch ganz wenig Zeit, sich dem Klimawandel entgegenzustellen, sich dann aber Jahre Zeit für allerlei Bedenken nehmen, wie denn beispielsweise das Stromübertragungsnetz auszubauen ist.

(Zustimmung bei der FDP)

In diesem Zusammenhang ist es uns als Freien Demokraten bekanntlich wichtig, dass wir in allen Infrastrukturbereichen die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen wollen.

(Zustimmung bei der FDP)