Wir sind so ziemlich das einzige Land, das sich so etwas selbst als Fessel bei der wirtschaft- lichen Entwicklung und der Modernisierung auferlegt. Das darf auf keinen Fall so bleiben.
Es beginnt z. B. bei der Elektrifizierung schon damit, dass Behörden im Durchschnitt zwei Jahre lang brauchen, um zu berechnen, ob sich die Elektrifizierung überhaupt lohnt. Dann geht der Planungswahnsinn erst los.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben erlebt, dass es auch anders geht. Es war wirklich fast unglaublich, sehr beeindruckend und für mich sogar ermutigend, noch einmal initiativ zu werden: Bei der Genehmigung von LNG-Terminals war noch nicht einmal eine einfache Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. In
quasi Ferrari-Geschwindigkeit gab es einen grünen Stempel und die Baufahrzeuge zur Errichtung dieser Terminals rückten an.
keit, wollen wir unseren Sozialstaat, unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit behalten, müssen wir eher solche Verfahren haben wie beim Bau von LNG-Terminals als solche, wie wir sie uns jetzt zumuten.
Deswegen müssen wir, und zwar dringend und sofort, die Planungs- und Genehmigungsverfahren straffen, verkürzen und so modernisieren, dass die Modernisierung unserer Infrastruktur zügiger vorangeht.
Mit unserem Antrag wollen wir als Koalition aber auch im Bereich der eigenen Zuständigkeit das aufgreifen, was wir als Land Sachsen-Anhalt tun können. Ein Großteil der Auflagen und der notwendigen Abläufe in den jetzigen Genehmigungsverfahren ist in Brüssel begründet. Wenn ich sehe, was in Brüssel momentan wieder alles in der Planung ist, wird mir angst und bange. Deswegen müssen wir über den Bundesrat und den Bund verhindern, dass Brüssel - immer mit bester Absicht - Bürokratie weiter ausbaut und solche Prozesse erschwert und verteuert.
Auch der Bund ist in der Verantwortung. Wir wollen mit unseren Möglichkeiten auf unserer Ebene, auf Landesebene das anpacken, was wir machen können.
Dazu soll es einen Normenkontrollrat geben, den die Landesregierung einsetzen soll, um die Möglichkeiten der Bürokratievermeidung sowie der Verkürzung und der Straffung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im eigenen Zuständigkeitsbereich auf den Weg zu bringen.
lich einen enormen Aufwand für Modernisierungen betreiben. Aber es gibt zwei Themenbereiche, bei denen wir die Verantwortung haben, hierzu einen eigenen Beitrag zu leisten. Allein im Bereich des E-Government und der Digitalisierung der Verwaltung könnten wir, wenn wir das einmal ernst nehmen, umsetzen und praktizieren, eine enorme Verfahrensbeschleunigung erreichen.
Im Landtag sitzen einige Selbstständige, einige Freiberufler, aus meiner Sicht viel zu wenige. Aber wenn Sie im Bereich Bau mit Planungs- und Genehmigungsverfahren zu tun haben, dann wissen Sie, dass Sie schon seit Jahren Ihre Prozesse digitalisiert haben; sämtliche Abläufe, die kompliziertesten Konstruktionen sind digital, weil man als Dienstleister im Wettbewerb sonst überhaupt nicht mehr ernst genommen wird, man gar nicht mehr mithalten kann.
Wenn Sie dann zur Schnittstelle „öffentliche Verwaltung“ kommen, dann geht man zur Druckerei und druckt alles aus, damit man überhaupt auf Augenhöhe miteinander sprechen kann, weil sie dann ebenfalls mit ihren Kartons, Pappen und Plänen anrücken. Es könnte viel schneller gehen.
Wir haben im Jahr 2017 auf der Bundesebene das Onlinezugangsgesetz beschlossen. Wir erinnern uns an das schöne Märchen von der digitalen, zügigen und bürgerfreundlichen Verwaltung. Es war die Zielstellung im Jahr 2017, dass der Bürger seinen Pass online verlängern bzw. einen neuen Pass beantragen kann, dass eine Baugenehmigung vom Planer direkt digital an die Verwaltung geschickt und dort auch so genehmigt werden kann, dass dazu digital kom-
Welche Behörde in Sachsen-Anhalt erfüllt die Anforderungen aus dem OZG? Aus dem Stand fällt mir überhaupt keine ein. Eine richtige digitale Verwaltung - also von den Abläufen her - haben wir hier bei uns im Landtag. Wir sind die einzige oberste Behörde, die alles digitalisiert hat; in der jeder Brief, der eingeht, mit einem Etikett versehen wird.
- Nein, das ist ein gutes Beispiel. - Was bei uns noch analog passiert, liegt bei uns Abgeordneten, weil wir diese Papierexemplare noch immer haben wollen; einige von uns jedenfalls. Mit der Digitalisierung der eigenen Verwaltung könnten wir schneller werden.
Abschließend sage ich: Dazu gehört nicht nur die Infrastruktur, Glasfaser und 5 G. Ich werbe dringend dafür, dass wir das Personal in den Verwaltungen - wir sprechen von Human Ressources - nicht als Bürokraten beschimpfen, weil sie tun, was ihnen als Aufgabe auferlegt worden ist, sondern dass wir die qualifizierten Leute in den öffentlichen Verwaltungen durch moderne Infrastruktur, durch die Digitalisierung der Prozesse in die Lage versetzen, noch bürgerfreundlicher, noch schneller die Dinge auf den Weg zu bringen, die wir dringend brauchen, nämlich, die Genehmigung der Modernisierung unserer Infrastruktur in ganz vielen Bereichen.
Ich bitte Sie herzlich, unserem Antrag zuzustimmen, damit wir an dieser Stelle noch mehr Druck auf den Kessel bringen können und im nächsten Jahr dann hoffentlich auch erste Ergebnisse vorgestellt bekommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Gürth. Ich sehe keine Fragen oder Interventionen. - An das Rednerpult kommt jetzt für die Landesregierung Frau Dr. Hüskens.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin den Regierungsfraktionen für diesen Antrag dankbar. Wenn man in Sachsen-Anhalt, nein, nicht nur in Sachsen-Anhalt, irgendwelche Formen von Infrastrukturmaßnahmen begleitet - dabei ist es völlig egal, ob es Brücken sind, ob es Bahntrassen sind, ob es sich um die Be- reiche Energie oder Mobilität handelt -, benötigt man vor allem eines: Geduld und starke Nerven. Wir haben - das merkt, glaube ich, jeder von uns jeden Tag - zunehmend Schwierig- keiten, das den Menschen in unserem Land zu erklären.
Vor allen Dingen aus einem Grund: nicht nur - Herr Gürth hat darauf hingewiesen -, weil immer wieder bundesweit bei wichtigen Projekten deutlich geworden ist, dass es schneller geht, sondern auch, weil zumindest die Älteren unter uns hier im Saal sich noch daran erinnern können, dass es auch in Sachsen-Anhalt einmal schneller ging.
Ich nenne zwei Straßenbauprojekte: Das eine ist das, was wir lange als B 6n kannten; heute ist sie eine Autobahn. Sie ist tatsächlich in den Zeiten Sachsen-Anhalts geplant, genehmigt und gebaut worden. Darüber fahren wir alle; oder aber die Alternative dazu, die A 14.
Dazu erzähle ich immer gern: Als ich damals das erste Mal im Landtag von Sachsen-Anhalt saß, hatte ich die Verantwortung mitzuentscheiden,
wo sie langführen soll - Hosenträger oder X-Variante; die Diskussion kennt der eine oder andere noch. Dann ist es entschieden worden.
Ich habe damals geglaubt: Toll; diese Autobahn sorgt dafür, dass du viel schneller in Stendal bist. Diese Autobahn wird auch dafür sorgen, dass man vielleicht am Wochenende hoch an die Küste fahren kann. Ich habe immer gedacht - meine Kinder waren damals noch klein -: Man fährt mit den Söhnen zum Baden dorthin. - Heute weiß ich nicht, ob sie mit mir noch zum Baden fahren würden.
Sie sind erwachsen; sie haben längst das Haus verlassen. Ich ärgere mich immer wieder, wenn ich das Stück Straße fahre, dass sie immer noch nicht fertig ist.
Das sollte uns allen doch wirklich Motivation sein, daran jetzt etwas zu ändern. Wir haben im Koalitionsvertrag auf der Landesebene entsprechende Weichen gestellt. Wir haben gesehen, dass die Ampel in Berlin ähnliche Texte verfasst hat. Wir sehen es im Übrigen auch in einigen anderen Bundesländern. Wenn man dort in die Koalitionsverträge schaut; auch dort steht überall: Lasst uns endlich in Deutschland schneller vorankommen, und zwar egal bei welchem öffentlichen Infrastrukturprojekt.
Unser Ziel muss es doch sein, dass wir den zeitlichen Aufwand für Planungen und Genehmigungen zumindest halbieren. Das ist ein Ziel, das wir meiner Meinung nach auch erreichen können.
An dieser Stelle richte ich einen Appell an uns: Uns sollte dabei ein Fehler nicht unterlaufen, jetzt nämlich damit anzufangen, zwischen guter oder schlechter Infrastruktur zu unterscheiden. Wir sollten einfach sagen: Lasst uns dafür sorgen, dass alle öffentlichen Genehmigungen, alle öffentlichen Planungsverfahren hierunter subsumiert werden.
Nun ist es natürlich nicht nur die Aufgabe des Bundes, dafür zu sorgen. Wir müssen auch in unserem Bundesland unsere Hausaufgaben machen. Ich nenne nur ein, zwei Punkte, für die wir tatsächlich in der Verantwortung stehen. Im Bereich Bauen, BIM - Building Information Modeling - man muss immer ein englisches Wort dafür haben -, können wir dafür sorgen, dass Planungen und Genehmigungen deutlich schneller werden. Hierbei stehen wir als Land in der Pflicht. So sehen wir uns auch, und wir werden dafür sorgen, dass wir hierbei auch die Zeiten einhalten, die wir mit dem Bund vereinbart haben.
Aber wir haben auch das Thema Verwaltungsmodernisierung und Verwaltungsprozesse. Herr Gürth hat es bereits angesprochen. Wir haben damit angefangen, auch in Sachsen-Anhalt, jeden Verwaltungsprozess immer komplizierter zu machen. Das ist überhaupt nichts, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffent- lichen Verwaltung, ich sage mal, aus Boshaftigkeit machen nach dem Motto: Ich sorge mal dafür, dass der Prozess schön lange dauert. - Nein, wir haben die ganzen Jahre über alles daran getan, jede Regel mit noch einem weiteren Buchstaben, mit noch einer Unterregel, mit noch einer Ausführungsregelung zu versehen.
müssen dafür sorgen, dass die öffentliche Verwaltung digital unterwegs ist. Nutzen wir diesen Prozess doch, um jeden Verwaltungsprozess daraufhin zu überprüfen, ob er denn noch sinnvoll und sachgerecht ist.
Deshalb begeben wir uns jetzt auf diesen Weg. Das OZG ist ein fantastischer Ansatzpunkt; auch das ist bereits zu langsam und kommt zu spät. Aber lassen Sie uns das nutzen, um dafür zu sorgen, dass der Bürger nicht nur schnell zur Verwaltung kommen kann, sondern dass auch der andere Weg möglich ist und die Verwaltung insgesamt zügiger arbeiten und zu Ergebnissen kommen kann. Ich bin sicher: Die Verwaltung macht das extrem gern mit, weil auch dort niemand Spaß an solchen Vorgängen hat.
Es gibt noch einen weiteren Punkt, für den ich hier im Saal werbe: Wir können auch eines tun - das können wir als Politiker tun -, wir müssen über unsere eigene Fehlerkultur reden.