Dieser Spitzenstandard ist aber auch zugleich ein Malus, weil angesichts der aktuellen Energiesituation kaum noch nennenswerte Einsparungen möglich sind. Produktionsumstellungen oder energetische Optimierungen lassen sich nicht eben einmal realisieren; sie dauern oft Jahre und sind unglaublich kostenintensiv.
Demzufolge benötigen wir endlich aus Berlin - ich wiederhole mich an dieser Stelle - klare Vorgaben, wie wir die chemische Industrie, die insbesondere hier in Mitteldeutschland von existenzieller Bedeutung ist, verlässlich durch die Krise bringen.
Die Diskussion um die Gasumlage und anderes war nicht nur dilettantisch, sie hat zu großen Verunsicherungen an den Chemiestandorten geführt. Bis heute gibt es keine konkreten Abschaltszenarien bei einer akuten Energie- und Gasmangellage. Dass eine Bundesregierung ursprünglich 48 Stunden für das Herunterfahren von chemischen Anlagen veranschlagt hat, zeigt, wie weit man in Berlin von der Realität entfernt ist.
In diesem Zusammenhang bin ich unserem Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und unserem Wirtschaftsminister Sven Schulze außer- ordentlich dankbar, dass sie gegenüber der Bundesnetzagentur eine Abschaltzeit von 72 Stunden verhandeln konnten. Eigentlich wären
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie erwähnt, können wir heute in ganz Ostdeutschland auf eine beispiellose Erfolgsgeschichte zurückblicken. Auch wenn wir uns über Tesla in Grünheide oder Intel in Magdeburg sehr freuen, die Gesamtinvestition der Chemie- unternehmen in Ostdeutschland stellen diese Projekte bei weitem in den Schatten.
Inzwischen ist die Chemieindustrie mit deutschlandweit 460 000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 200 Milliarden € nach der Automobilindustrie die zweitwichtigste Branche in Deutschland. Und ja, dessen ist man sich in Berlin offenbar noch nicht richtig bewusst. Denn das Agieren der Bundesregierung in den zurückliegenden Monaten hat eben nicht dazu bei- getragen, den Sturm, vor dem die chemische Industrie steht, abzumildern.
Hinzu kommt ein grüner Lobbyismus in Berlin und Brüssel, der die Wettbewerbsfähigkeit einschränkt. Immer neue Auflagen, Verbote, ausufernde Bürokratie, Nachweispflichten, Verordnungen, überbordende Standards vertreiben zunehmend die Unternehmen aus Deutschland und Europa.
Die Chemieindustrie ist international aufgestellt. Alles, was nicht mehr in Europa produziert wird, wird trotzdem irgendwo auf der Welt produziert, aber eben unter jenen Standards, die nichts mit unserem Arbeitsschutz und unseren Wertevorstellungen in Deutschland zu tun haben, meine Damen und Herren.
Vor Jahren wurden große Teile der Pharmaproduktion nach Indien, nach Asien verlagert; mit dem Ergebnis, das uns heute wichtige Medikamente in Deutschland fehlen bzw. wir diese zu hohen Preisen auf den Weltmärkten einkaufen
müssen. Die Folgen spüren wir in jeder Apotheke: Medikamente sind nicht mehr oder nur verzögert verfügbar. Der Apotheker meines Vertrauens berichtete mir von endlosen Telefonaten, um dringend benötigte Medikamente zu organisieren. Das, meine Damen und Herren, kann doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Das kann doch nicht das Deutschland im Jahr 2022 sein.
Nun, was ist zu tun? - Wir als CDU-Fraktion haben mit der Stolberger Erklärung Wege aus der Krise aufgezeigt. Ich und wir erwarten jetzt von der Bundesregierung ein klares Maßnahmenpaket und keine Ideologie. Grüne Ideologie hat diese Krisensituation bisher nur drastisch verschärft.
Wir haben eine Energiemangellage, die man nur dadurch bekämpfen kann, indem man alle energetischen Kapazitäten, die Deutschland zur Verfügung hat, aktiviert, und das eben unverzüglich. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie schnellstens in Brüssel vorstellig wird, damit unsinnige Verordnungen und Standards, wenigstens zeitweise, ausgesetzt werden.
Was wir jetzt brauchen, ist ein Masterplan, um die abgewanderte Grundstoffchemie wieder zurückzuholen; im Idealfall nach Sachsen-Anhalt, aber nach Deutschland oder wenigstens nach Europa. Wir brauchen endlich eine klare Definition der Systemrelevanz und ein konkretes Abschaltmanagement für den Fall einer hoffentlich nicht eintretenden Gasmangellage. Auch dazu erwarte ich konkrete Aussagen aus Berlin und vor allem vom Bundeswirtschaftsminister.
Apropos Bundeswirtschaftsminister. Meine Damen und Herren! Das ist im Übrigen auch ein Grund, warum die CDU-Fraktion beantragt hat,
Herrn Wirtschaftsminister Habeck in den Wirtschaftsausschuss einzuladen: weil immer noch viele dieser, nicht nur für die chemische Industrie, überlebenswichtigen Fragen ungeklärt sind. Wir werden diese Einladung erneuern.
Meine Damen und Herren! Es ist sprichwörtlich fünf vor zwölf. Die handelnden Akteure in Berlin haben den Ernst der Lage offensichtlich noch nicht richtig verstanden. Das Beispiel SKW Piesteritz hat uns vor Augen geführt, welche Konsequenzen drohen, wenn ein Hersteller seine Produktion auf halbe Produktion herunterfährt und die Lieferketten nicht mehr einhalten kann.
Meine Damen und Herren! Wir kämpfen dafür, dass Deutschland weiter d e r Industriestandort bleibt. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Danke. - Herr Scharfenort, für Sie noch einmal: Sie protestieren gegen bestimmte Vorgänge, in die Sie sich einschalten können. Das ist eine Intervention. - Herr Zimmer, Sie können noch kurz warten. Herr Scharfenort möchte gern eine Intervention loswerden.
Vielen Dank. - Herr Zimmer, Ihrem Beitrag können wir als AfD-Fraktion, denke ich, zustimmen. Es ist keine Frage, sondern eine rhetorische Frage: Ich frage mich, ob es in Berlin tatsächlich nicht erkannt wird. Man kann eigentlich nur noch annehmen, dass es Absicht ist. Etwas
anderes kann plausibel, logisch und vernünftig nicht mehr erklärbar sein, aufgrund der Faktenlage und der Probleme, die wir haben.
Hätten Sie es mit einer Frage probiert, wäre es, glaube ich, einfacher geworden als mit einer solchen Quasifrage. - Wollen Sie auf die Quasifrage antworten, Herr Zimmer? Wollen Sie nicht? - Danke.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Klimakrise bringt radikale Umbrüche für die bislang vorrangig fossil ausgerichtete chemische Industrie mit sich. Die Energiepreiskrise infolge des Überfalls Russlands auf die Ukraine hat die Geschwindigkeit dieser nötigen Transformation noch einmal dramatisch erhöht und wirft Ideen von Zeitplänen, die man bis- her hatte, über den Haufen. Insbesondere im mitteldeutschen Chemiedreieck wird die Wucht durch die bisherigen engen Lieferverbindungen zu Russland und durch die Tatsache, dass es eine sehr energieintensive Branche ist, verstärkt.
gung und der Grundstoffe grundlegend umzugestalten, und zwar weg von fossilen Rohstoffen hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, die stärker auf Recycling und nachwachsenden Rohstoffen basiert. Das geschieht nicht mit einem Schlag, aber eben in der Entwicklung. Dieser Umbau stand auch unabhängig von den Folgen der Ukrainekrise bereits an.
Das neue Großforschungszentrum für Transformation in der Chemieindustrie CTC setzt genau dort an. Dabei geht es nicht nur um ein paar hochqualifizierte Arbeitsplätze in der Forschung, sondern tatsächlich um die Gestaltung der Zukunft der Branche. Das, was die dort machen, ist die Zukunft. Wer sich dem verschließt, der betreibt tatsächlich die Deindustrialisierung, vor der hier die Kollegen gewarnt haben. Dabei geht es um nachwachsende Rohstoffe. UPM ist das Beispiel vor Ort. Dort geht es um Recycling.
Herr Zimmer spricht von einer Schmuddelbranche. Ihr hinkt damit der Entwicklung ein paar Jahrzehnte hinterher. Tatsächlich war das in den 80er-Jahren in grünen Kreisen eine echte Diskussion. Damals war aber die Elbe auch nicht nutzbar. Man konnte nicht einmal an ihr entlanggehen, weil es wirklich extrem unangenehm roch.
Das muss man ja doch annehmen. Insofern ist doch die Chemieindustrie heute anders, als sie es damals war. Das, was wir heute diskutieren, ist doch geradezu die Zukunftssicherung für diese Industrie.
Dazu stehen wir. Insofern haben wir dieses Problem mit einer Schmuddelbranche nicht. Das ist mehr eure ideologische Sicht
Aktuell drängend ist, dass wir während des Umbaus sicherstellen, dass diese energieintensive Industrie quantitativ und preislich planbar mit Energie versorgt wird. Die entsprechenden Maßnahmen der Bundesregierung zielen darauf ab. Die Herausforderungen bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit bleiben bestehen. Es ist tatsächlich ernst. Das erkennt man, wenn man mit den Leuten spricht. Wir haben als Fraktion natürlich auch unsere Termine, um das mit denen zu erörtern. Dort bestehen tiefe Sorgen. Tatsächlich haben wir unsere Fraktion als Scharnier verstanden, um tatsächlich zu übersetzen und zu kommunizieren, was spezifische Bedürfnisse in Sachsen-Anhalt sind, und das gegenüber dem Bund klarzumachen.
- Im Ausschuss gab es interessante Papiere von Piesteritz, die sich ausdrücklich bei der GRÜNEN-Fraktion für diese Dinge bedanken.
Tatsächlich passiert dort etwas. Dabei muss man gemeinsam an einem Strang ziehen und muss gemeinsam die Dinge, die dazu anzusprechen sind, auch ansprechen.
Eben jene genannten Herausforderungen begleiten die Menschen und Unternehmen in der Region beim Kohleausstieg und bei dem notwendigen Strukturwandel. Auch für die Landespolitik ergibt sich daraus eine Aufgabe zur beständigen Bearbeitung und Unterstützung des Wandels. Herr Silbersack führte dann an dem Punkt den Ausstieg bis 2030 an. Ich erwähne jedes Mal bei dem Punkt, dass für uns der Ausstieg erst 2034 fest ist, weil dann hier die Kohle alle sein wird
und wir dann die Strukturen ganz anders machen müssen. Mich stört etwas an dem Satz „Wir brauchen Zeit“. Der hat seine Berechtigung. Tatsächlich braucht man für solche Prozesse Zeit. Wir reden aber schon seit den 90er-Jahren darüber.