Ich muss sagen: An der Stelle ist Alarmismus angesagt. Denn an der Stelle sehen wir zurzeit tatsächlich nicht, dass es aufwärts geht, sondern vielmehr, dass es weiter abwärts geht. Das ist das zentrale Problem, vor dem die Chemieindustrie im Chemiedreieck ganz klar steht. Das sind die Botschaften, die uns mitgegeben wurden.
Liebe Kolleginnen, kommen wir zu Punkt 3. Wir haben es international mit einer ganz komplizierten Situation zu tun. Wir haben zurzeit eine ganze Reihe von Debatten, in denen gesagt wird: Wir müssen den internationalen Markt so organisieren, dass wir uns möglichst unabhängig machen - möglichst unabhängig z. B. von China und anderen, die uns in irgendeiner Art und Weise gerade schwierig erscheinen. Das Problem ist nur: Schaut man sich die Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt einmal an, dann
stellt man fest, dass sie tatsächlich von globalen Wertschöpfungsketten lebt. Ich kann wirklich nur davor warnen - ohne diesen Standort grundsätzlich und vollständig infrage zu stellen -, die Illusion zu haben, eine Entkopplung globaler Wertschöpfungsketten zu realisieren. Die Diversifizierung ist das Gebot der Stunde. Eine Entkopplung würde den Chemiestandort bei uns in Sachsen-Anhalt wahrscheinlich in den Ruin führen.
Diese drei Punkte - Energie, Fachkräfte und die Sicherung globaler Wertschöpfungsketten - sind die Aufgaben und Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der Chemieindustrie. Diese gehen über viele Dinge, über die wir heute geredet haben, hinaus. - Danke.
Herr Gallert, die Kritik am VCI und an den Verbänden können wir durchaus teilen. Das ist letztlich aber auch ein Hilferuf. Dafür sind Verbände da. Sie denken in erster Linie natürlich nicht an das Gemeinwohl und die Volkswirtschaft insgesamt - das ist auch nicht ihre Aufgabe -, sondern an ihre Verbandsmitglieder. Denen sind die Hände gebunden. Was sollen sie denn tun? - Es liegt doch nah, dass sie natürlich wieder den Staat fordern. Ja, Sie haben voll- kommen recht - diesbezüglich teile ich, teilen wir Ihre Kritik vollkommen -: Dazu fordern sie dann auch sehr schnell Staatskapitalismus. Wir sind ganz schnell dabei.
Aber unter günstigen Rahmenbedingungen würden die gar nicht erst auf die Idee kommen, das zu tun. Dafür sind wir eigentlich verantwortlich, wenn man Ihre Argumentation, die an der Stelle richtig ist, konsequent fortsetzt. Aber dann fordern Sie letztlich wieder auf EU-Ebene Preisdeckel. Preisdeckel sind letztlich immer dann eine Maßnahme - - Wenn der Preis unter dem Gleichgewichtspreis liegt, geht das Angebot zurück, und es muss quer- subventioniert werden.
Sie haben Spanien angeführt, wo das für die Verbraucher funktioniert. Das kann man machen. Aber schauen Sie sich einmal die Verschuldung von Spanien an. Spanien wäre ohne den Euro komplett pleite. Spanien würde international keine Kredite mehr bekommen. Das muss man einfach einmal dazu sagen. Wenn wir als Deutschland nicht die Hand dar- auf halten und den Euro noch decken würden, dann wäre Spanien schon längst platt.
Zu dem Argument, das Sie noch anführten, dass die Kunden das fordern. Das ist auch wieder richtig. Aber wir haben natürlich weltweit einen Markt, der mit diesen ESG-Kriterien kontrolliert wird. Das heißt, die Kunden müssen eben auch nach diesen Produkten nachfragen. Denn durch das Weltwirtschaftsforum - viele Länder machen dort mit - -
Ich musste mir das die ganze Zeit anhören. Dann muss ich auch die Chance haben zu antworten. Noch einmal: Was ich gesagt habe - möglicherweise war das ein bisschen zu komplex - -
Natürlich akzeptiere ich ausdrücklich das, was jetzt mit diesem 200-Milliarden-€-Paket angekündigt worden ist, nämlich dass es nicht nur für Endverbraucher im Sinne von privaten Kunden, sondern auch für gewerbliche Kunden einen Energie- und Gaspreisdeckel geben soll.
Ich habe nur gesagt: Wenn man das tut - die Ampel tut das und die CDU hat es auch gefordert, selbst die AfD war nicht dagegen - und A sagt, dann muss man auch B sagen. B sagen bedeutet: Ich muss den Energiemarkt insgesamt kontrollieren. Ich kann doch nicht auf der einen Seite solche Konzerne wie TotalEnergies losrennen und den Preis bestimmen lassen, zu dem ich dann einkaufe bzw. den ich subventioniere, und auf der anderen Seite der gewerblichen Wirtschaft einen entsprechenden Garantiepreis geben. Wer einen Garantiepreis gibt, der muss den Einkaufsmarkt kontrollieren können.
Wir stehen gerade vor dem Problem, dass es Konzerne gibt - TotalEnergies ist nur einer davon und nicht einmal der größte -, die sich global dumm und dämlich an dieser Energiekrise verdienen,
und zwar in einer massenhaften Art und Weise. Wenn ich das in den Griff bekommen will, dann muss ich dort die Gewinne und die Preise kontrollieren. Oder ich lasse es vollständig. Aber diesen Weg sind wir nicht gegangen. Ich finde es richtig, dass wir diesen Weg nicht gegangen sind.
Letzter Punkt. Ich habe auch gesagt: Spanien schafft das, ohne dort einen Cent Steuergeld hineinzustecken. Denn sie haben ein solches Preisregulativ. Ich kann mich nicht hinstellen und sagen: Sie sind sowieso pleite, sie machen alles falsch. - Nein, an der Stelle macht Spanien
alles richtig. Es betreibt Preisregulierung ohne Steuergeld, währenddessen die Bundesrepublik Deutschland eine Preisregulierung zu Kosten von 200 Milliarden € betreibt.
Das ist der Unterschied und da sind die Spanier einfach cleverer als die Deutschen; zumindest was die Regierung anbelangt. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wahrlich, lieber Kollege Silbersack, ein weites Feld, das die FDP mit ihrer Aktuellen Debatte zum Thema Zukunft der Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt initiiert hat.
Lassen Sie mich das von vornherein sagen: Wer könnte für die CDU-Landtagsfraktion besser zu dem Thema Chemieindustrie sprechen als ein - wie wurden wir damals genannt - alter Chemo; jemand, der als Kind in Bitterfeld und Wolfen aufgewachsen ist, dort gespielt hat, aber eben auch die menschen- und umweltverachtende Industrie-und Chemiepolitik der DDR hautnah erlebt hat.
Trotz aller Missstände haben unsere Menschen in täglicher Anstrengung das Beste aus diesen maroden Betrieben herausgeholt, und darauf sind sie zu Recht stolz; viel mehr sind sie aber auch stolz auf das, was sie in den letzten 32 Jahren erreicht haben.
Unsere Menschen haben erheblich dazu bei- getragen, die chemische Industrie nicht nur wieder wettbewerbsfähig zu machen, sondern sie an die europäische und sogar an die weltweite Spitze zu führen. Auch über diese Lebensleistung reden wir heute in dieser Aktuellen Debatte, meine Damen und Herren.
Sachsen-Anhalts Chemieindustrie war im ehemaligen Bezirk Halle strukturbestimmend; entsprechend bitter waren die Umbrüche in der Wendezeit. Es ist vor allem Helmut Kohl und dem ehemaligen IG-BCE-Chef Hermann Rappe zu verdanken, dass die Chemie in Mitteldeutschland nochmals eine Chance bekommen hat.
Meine Damen und Herren! Es geht aber nicht nur um die Zukunft der chemischen Industrie in Sachsen-Anhalt; wir müssen über die Zukunft der chemischen Industrie in Deutschland und in Europa sprechen. Kaum eine Branche ist stofflich vernetzter als die Chemie-und Pharmabranche. Dabei reden wir von Rohstoffen, aber vor allem von Grund- und Halbstoffen, die für die Produktion von Endprodukten unerlässlich sind.
Der Spezialisierungsgrad der chemischen Industrie ist außerordentlich hoch. Unsere Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, haben im Moment wahrhaft ernsthafte Probleme. Die Belastung, die gerade die gesamte Branche stemmen muss, gibt es in keinem anderen Industriesektor der Welt.
Deutsche Unternehmen drohen auf dem Weltmarkt ins Abseits zu geraten. Das politische Umfeld kann man nur als katastrophal bezeichnen. Denn bereits vor dem Krieg in der
Ukraine, meine Damen und Herren, wurde die chemische Industrie insbesondere von grüner Politik als Schmuddelbranche regelrecht bekämpft. Im Ergebnis dessen können bestimmte Produkte hierzulande nicht mehr wirklich wirtschaftlich hergestellt werden.
Wenn Unternehmen ihre Produktion herunterfahren oder ganz stilllegen, brechen im Dominoeffekt ganze Wertschöpfungsketten zusammen. Produktionen, die jetzt stillgelegt werden - und die wir an das Ausland verlieren -, kommen nicht wieder zurück. Das wäre eine Katastrophe für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland. Denn dann droht nicht nur eine Rezession, nein, meine Damen und Herren, dann sind wir - wenn ich das einmal so bildlich sagen darf - nur noch einen kleinen Schritt davon entfernt, von einem der größten Industriestandorte der Welt zu einem Industriemuseum zu werden.
Ich habe vor Jahren bereits an dieser Stelle vor der schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands gewarnt. Was wir nun in katastrophaler Art und Weise auf uns zu rasen sehen, schockiert mich zutiefst.
In den vergangenen Jahren hat uns vor allem die industrielle Basis aus Krisensituationen jedweder Art schnell herausgeholt. Dieser industrielle Kern und damit große Teile der Wertschöpfung aber droht uns schon bald wegzubrechen, wenn es in Berlin nicht ganz schnell ein Umsteuern und Umdenken gibt.
Unsere chemische Industrie ist ein Vorreiter bei der Energieeinsparung, bei der Prozessoptimierung und auch bei der Verringerung von Emissionen. In den zurückliegenden 30 Jahren wurden Milliarden in nachhaltige Produktionsstandorte investiert. Ostdeutschland hat die
modernsten und wettbewerbsfähigsten Chemiestandorte in Europa und vermutlich auch weltweit. Und ja, meine Damen und Herren, auch das sollte man endlich einmal den grünen Klimaklebern mitteilen.