Protocol of the Session on December 14, 2022

Prozess hin zu mehr Nachhaltigkeit perspektivisch zur Seite zu stehen.

(Beifall bei der FDP)

Es erfreut heute, wenn wir hören, dass in Kalifornien das Thema der Kernfusion vorangetrieben wird. Auch das ist ein Thema der Technologieoffenheit, das wir als Liberale sehr erfreut betrachten. Wir werden sehen, was sich dort weiter zeigt.

Eine Debatte über einen vorzeitigen Kohleausstieg bis 2030 halten wir für absolut falsch,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

zeigt es doch das mangelnde Verständnis für transformative Prozesse und deren Umsetzung. Wer hier den Ausstieg einmal eben um acht Jahre vorziehen will, der zeigt, wie sozial kalt die eigenen ideologischen Interessen durchgesetzt werden sollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie verstehen nichts von den Bedürfnissen der Menschen im Revier. Ängste zu nehmen und Planungssicherheit zu schaffen, sollte das oberste Ziel sein. Strukturwandel braucht strategische Ziele. Strukturwandel ist Veränderung. Es gilt, eine positive Wahrnehmung des Wandlungsprozesses und eine gelingende Veränderungskultur zu etablieren. Mit der Beliebigkeit von Ausstiegsdaten werden Sie das jedenfalls nicht erreichen. Es ist wichtig, den Zeitplan einzuhalten. Ein vorzeitiger Kohleausstieg gefährdet die Planungssicherheit und schafft Verunsicherung.

Aktuell wird Kohle als Brückentechnologie zudem gebraucht, um die Abhängigkeiten zu

reduzieren. Der Kohleausstieg ist beschlossen. In der Energiekrise kann man an diesem Fahrplan nichts ändern. Jeder sollte sich insofern mit der Infraleuna unterhalten. Ich glaube, dort ist das Know-how vorhanden, um genau diese Prozesse einordnen zu können.

Wir begreifen den dadurch verursachten Strukturwandel insgesamt, aber auch in der Chemie als Chance für unser Land. Lassen Sie uns die Chance nutzen, um die Wertschöpfung von morgen zu gestalten. Ein gutes Beispiel hierfür sind die laufenden Wasserstoffprojekte. Mit dem kürzlich eröffneten Hydrogen Lab in Leuna wird der Markthochlauf für Wasserstofftechnologien in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus beschleunigt.

Als eines von deutschlandweit drei Fraunhofer Hydrogen Labs fokussiert das Hydrogen Lab Leuna auf die Forschung entlang der Wertschöpfungskette der Wasserstofferzeugung. Der dort produzierte grüne Wasserstoff wird vor Ort analysiert, aufbereitet und direkt in die 147 km lange H2-Pipeline eingespeist, von wo aus er zu den Industriestandorten der Region verteilt und in chemischen Prozessen eingesetzt werden soll.

Mit dem Hydrogen Competence Hub sind auch die Hochschule Merseburg, die Otto-vonGuericke-Universität und die Hochschule Anhalt aktiv in den Aufbau der Zukunftstechnologie Wasserstoff eingebunden.

In Leuna entsteht durch Linde zurzeit eine Anlage, die grünen Wasserstoff produziert. Das ist Wasserstoff, der per Elektrolyse aus Wasser mit Ökostrom erzeugt wird. Dies ist ein großer Fortschritt, wird doch Wasserstoff heute hauptsächlich aus Erdgas im sogenannten Steam Reforming hergestellt. Hochrechnungen zufolge kann grüner Wasserstoff zukünftig etwa

ein Drittel des Energiebedarfs des mittel- deutschen Chemiedreiecks decken.

Ein weiteres Beispiel ist das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna. Es zeigt, wie erfolgreich das Zusammenspiel von Forschung und Industrie sein kann, schließt es doch die Lücke zwischen Labor und industrieller Umsetzung.

In den Chemieparks wird an Konzepten gearbeitet, wie man Erdöl, Erdgas oder Kohle als Rohstoff ersetzen kann. Es wird an Konzepten für eine nachhaltige Chemie in Sachsen-Anhalt gearbeitet. Dass sich die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz zur Herstellung von chemischen Produkten eignet, kann man in Leuna sehen. Der Bau der Bioraffinerie von UPM Biochemicals im Chemiepark Leuna schreitet voran. Dabei werden 759 Millionen € investiert. Derzeit wachsen Rohbrücken, Fabrikgebäude und Chemieanlagen in die Höhe. In der Raffinerie wird künftig Bio-Monoethylenglykol nachhaltig hergestellt werden. Dies dient bspw. als Grundstoff für Verpackungsmaterialien, Textilien oder Motor- und Batteriekühlmittel. Dies zeigt, wie erfolgreich Forschung und Chemieindustrie bereits jetzt in Leuna agieren. Es werden Rekordsummen in die Chemie von morgen auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt investiert.

Für die FDP ist das Forschungszentrum CTC wichtig; es wird den transformativen Prozess zu einer nachhaltigen Chemie noch einmal beschleunigen. Sachsen-Anhalts wirtschaftliche Position wird dadurch gestärkt. Allerdings braucht eine solche Entwicklung Zeit. Der Zeitraum von einem erfolgreichen Laborverfahren hin zu einer erfolgreichen kommerziellen Produktion kann bis zu zehn Jahre oder mehr dauern. Unsere Chemie ist auf dem innovativen Weg in der Transformation zur Chemie

der Zukunft. Wir haben damit in Sachsen- Anhalt innovative Spitzentechnologien. Diese Spitzentechnologie braucht Planungssicherheit. Das heißt, kein vorgezogener Kohleausstieg, die mittelfristige weitere Nutzung von Atomkraft und langfristige Gaslieferverträge, um wettbewerbsfähige Preise und Versorgungssicherheit zu garantieren. Die Rahmenbedingungen müssen passen, meine Damen und Herren.

Wir als FDP stehen für den Wirtschaftsstandort Deutschland und freuen uns über Forschung, die Hand in Hand mit der Industrie unsere Zukunft gestaltet. Deshalb sehen wir im Strukturwandel mit zielgerichteten Investitionen eine großartige Chance für Sachsen-Anhalt und das Mitteldeutsche Revier. Wir brauchen den gelebten Gründergeist und unternehmerischen Mut, um die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. Die Chemieunternehmen unseres Landes stehen exemplarisch für diese Werte. Die Transformation zu einer nachhaltigen Chemie ist in vollem Gang. Sie verdient unsere Unterstützung.

Lassen Sie uns gemeinsam für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen und unser Land damit voranbringen und die Arbeitsplätze von morgen sichern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Ich danke auch Ihnen. - Damit wir die Chemie auf eine breite Basis stellen können, haben wir zwei Minister, die zu dem Thema sprechen. Herr Minister Schulze beginnt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein sehr wichtiges Thema direkt nach der Mittagspause: Chemie, chemische Industrie. Wenn man es einmal genau nimmt, ohne chemische Industrie, direkt oder indirekt, hätten viele von uns heute kein Mittag gehabt. Die Chemie- und Pharmabranche sorgt auch dafür, wenn das Mittagessen einmal nicht so bekommt, dass es einem schnell wieder bessergeht. Deshalb, aber auch aus vielen anderen Gründen ist das Thema Chemie enorm wichtig.

Die chemische Industrie ist gerade im Süden Sachsen-Anhalts das Rückgrat unserer Wirtschaft. Die aktuelle Lage, gerade im Bereich Energie - daraus sollten wir keinen Hehl machen -, sorgt dafür, dass die Wettbewerbsfähigkeit unserer Chemie bedroht ist. Deshalb ist es richtig und wichtig - dafür bin ich der FDP dankbar -, dass wir heute diese Debatte im Landtag von Sachsen-Anhalt führen. Dann können wir den Wert dieser Branche für SachsenAnhalt etwas konkreter skizzieren.

Die Chemieindustrie sorgt in unserem Land für ein Fünftel des Umsatzes und für ein Zehntel der Beschäftigung in Sachsen-Anhalt. In Ostdeutschland stellt die Chemieindustrie aus Sachsen-Anhalt 37 % des Chemieumsatzes, 35 % der Beschäftigten und 40 % der Sachanlageninvestitionen innerhalb der chemischen Industrie. Das heißt, Sachsen-Anhalt ist in Ostdeutschland das Topland im Bereich Chemie. Man kann es vielleicht auf den Punkt bringen, indem man sagt: Für Sachsen-Anhalt gilt, wenn es der chemischen Industrie nicht gut geht, dann geht es auch unserem Land nicht gut.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für mich ist wichtig - das will ich als Wirtschaftsminister sagen -: Im Süden Sachsen-Anhalts gibt es sehr viele, sehr bekannte Chemieunternehmen. Dort ist die chemische Industrie ganz groß, aber sie ist im ganzen Land vertreten. Ich nenne bspw. den Chemiepark Genthin und andere Standorte in Sachsen- Anhalt. Wir sind im ganzen Land mit der chemischen Industrie vertreten. Das Jahr 2022 hatte deshalb für mich persönlich eine große Priorität im Bereich Chemie.

Ich möchte einige Punkte nennen, die in den letzten Wochen passiert sind. Wir haben in Leuna einen großen Chemiedialog veranstaltet, der durch mein Ministerium initiiert wurde. Dort waren die wesentlichen Player der Chemieindustrie Sachsen-Anhalts vor Ort. Der Verband der Chemischen Industrie war dabei, die Europäische Kommission war vor Ort. Wir haben im Ausschuss der Regionen in Brüssel das Thema der Ostchemie wieder auf eine neue Ebene gehoben. Wir haben - das ist gut - auch überparteilich und überregional mit meinem Kollegen Jörg Steinbach, dem Wirtschaftsminister aus Brandenburg, in der vergangenen Woche den ersten ostdeutschen Europadialog für den Bereich der Chemieindustrie in Brüssel ins Leben gerufen. Der zweite Dialog dieser Art wird in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts im nächsten Jahr stattfinden. Dazu sind Sie alle herzlich eingeladen.

Wichtig ist - das ist auch der Wunsch der chemischen Industrie Sachsen-Anhalts -, dass wir uns in Berlin verstärkt einsetzen. Am Anfang des nächsten Jahres veranstalten wir in der Landesvertretung in Berlin ein großes Event. Warum? - Weil zuweilen - das hat Kollege Silbersack schon angesprochen - die ost-

deutsche Chemieindustrie noch nicht überall, auch nicht überall in Berlin, im Detail angekommen ist.

Ich möchte auf das zeitweise vorhandene Ungleichgewicht im Bereich des Energiekostendämpfungsprogramms unserer Chemieparks hinweisen. Dabei mussten wir massiv auch Einfluss im Kanzleramt nehmen. Ich bin dem Ministerpräsidenten Reiner Haseloff sehr dankbar, der Gespräche direkt im Kanzleramt mit Vertretern der chemischen Industrie organisiert hat. Das war enorm wichtig, damit man auch auf die einzelnen Punkte entsprechend ein- gehen konnte.

Das Thema Energiekostensenkung ist für die chemische Industrie im Moment das Thema Nr. 1. Wir sind, so glaube ich, auf einem guten Weg. Dazu wird sicherlich auch der Energieminister etwas sagen.

Ein weiterer Punkt ist mir wichtig, nämlich der globale Wettbewerb. Das, was gerade in den USA passiert, der Inflation Reduction Act, ist ein sehr großes Thema für unsere Industrie. Denn dort werden im Moment viele Anreize für Unternehmen, dort zu investieren, geschaffen. Die bereits vor ein oder zwei Jahren angekündigten Investitionen und auch die Investitionen, die jetzt diskutiert werden, finden auch weiterhin in Deutschland statt. Aber wenn wir an Investitionen in den Jahren 2030 und 2035 denken, dann haben wir es mit einem großen Wettbewerber zu tun, auch mit China. Auch das wird ein sehr großes Thema werden. Wir werden uns also sehr anstrengen müssen.

Das Thema Wasserstoff ist ein großes Thema im Bereich der chemischen Industrie. Ich bin sehr dankbar, gemeinsam mit dem Landrat Götz Ulrich in dieser Woche die Wasserstoff-

pipeline und das H2-Cluster im Burgenlandkreis nicht nur vorgestellt zu haben, sondern auch eine große Förderung angekündigt zu haben.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

Es ist enorm wichtig, dass wir die Voraussetzungen schaffen, dass das Thema Wasserstoff dort vorangebracht wird. Das machen mein Ministerium und ich auch.

Das Thema Großforschungszentrum wurde bereits angesprochen. Das ist ein sehr großer Erfolg für Sachsen-Anhalt und auch für die chemische Industrie selber. Ein solches Forschungszentrum bedeutet nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern es gibt auch Anreize für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nach Sachsen-Anhalt zu kommen, hier tätig zu werden und hier zu investieren. Dabei geht es nicht nur um die Summe von mehr als 1 Milliarde €, die bis 2038 hierher fließen wird - das ist gut angelegtes Geld -, sondern es geht auch um die Investition in Köpfe sowie in Forschung und Entwicklung. Das wird unsere chemische Industrie weiter nach vorn bringen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sahen gerade einen etwas beunruhigten Landespräsidenten ob der Redezeit, die wir uns geteilt haben. Sie wissen jetzt, wie lang fünf Minuten sind.

Schönen Dank für diesen Antrag der FDP, bei dem man beim ersten Lesen vermutet hätte,

es gehe tatsächlich um Forschung. Wir haben dann der Rede von Andreas Silbersack entnommen, dass es eher um allgemeinpolitische Aspekte geht. Daher will ich versuchen, das ein klein bisschen zu beantworten.

Zunächst hat der Wirtschaftsminister völlig zu Recht auf interessante, wichtige Punkte für Sachsen-Anhalt und für die chemische Industrie hingewiesen. Wir sind hierzu innerhalb der Landesregierung einer Meinung; da gibt es überhaupt nichts zu vertun. Das muss auch vernünftigerweise so sein.

(Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU)

Allerdings, lieber Andreas Silbersack, ist uns schon klar - dazu sind wir in Berlin miteinander verbunden -, dass diese Geschichte mit dem idealerweise vorgezogenen Kohleausstieg Sache der Ampel ist. Ihr seid mit dabei gewesen. Das habt ihr mit unterschrieben.

Ich bin etwas überrascht davon, dass ihr auf einmal sagt, das müsse alles anders sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deshalb darf man zumindest darauf hinweisen, dass wir uns möglicherweise an dieser Stelle unterschiedlich stark gebunden fühlen. Die Formulierung „idealerweise“, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedeutet keinen vorgezogenen Ausstieg, sondern es ist der Versuch, ein Ziel zu erreichen. Wenn es nicht erreicht wird, fällt es weg. Ende. Dann haben wir eine klare Rechtslage. Halten wir uns an diese.

Das gilt gleichermaßen für die Verlängerung der Atomkraft. Dazu will ich an dieser Stelle nicht ausführen, sondern ich möchte auf etwas anderes zu sprechen kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die wir zum Thema

Wirtschaft im Koalitionsvertrag verhandelt haben, wir sprachen von Brückentechnologien und meinten nicht die Kohle. Unsere Brückentechnologie war Gas.