An dieser Stelle sage ich ausdrücklich, dass solche Diskussionen, wie wir sie in den letzten Jahren oft geführt haben, nämlich dass wir mehr Akademiker und mehr studierte Fachkräfte brauchen, nicht hilfreich waren. Wir brauchen Handwerker. Wir brauchen Fachkräfte in der Pflege. Wir brauchen Fachkräfte in den Dienstleistungsbereichen usw. usf.
Meine Damen und Herren! Deswegen ist es gut, heute zum ersten Mal zu hören, dass wir auch Fachkräfte im Handwerk suchen. Wir als Koalition, insbesondere als CDU, haben darauf reagiert, indem wir den Praktikumsgutschein eingeführt haben, der dafür sorgt, dass junge
Menschen in Handwerksbetrieben ein Praktikum absolvieren können. Das passiert sehr erfolgreich. Denn ein Drittel derer, die das gemacht haben, beginnen wirklich ein Ausbildungsverhältnis in diesen Betrieben. Das ist gut, weil wir dadurch die Abbrecherquote senken können. Es muss unser Ziel sein und ist auch das Ziel meiner Fraktion, dass junge Menschen ihre Ausbildung nicht abbrechen, sondern zu Ende bringen.
Meine Damen und Herren! Ein zweites Feld, das ich hier skizzieren möchte, sind die besten Fachkräfte, die wir haben, die erfahrensten Fachkräfte, die wir haben, das sind die, die womöglich mit 63 Jahren sagen: „Ich gehe jetzt vorzeitig in Rente.“ Ich gönne das jedem. Das ist eingeräumt. Aber es ist im Hinblick auf die fehlenden Fachkräfte nicht wirklich hilfreich.
Ich habe gerade die Zahl gehört, uns fehlen 260 000 Fachkräfte im Land. Das genau die Fachkräfte, die jedes Jahr in das Rentnerdasein wechseln. Da müssen wir auch schauen, ob wir für diese Rentner, für diese Frührentner Anreize schaffen, sich - in welcher Art und Weise auch immer - doch wieder am Erwerbsleben zu beteiligen.
Es gibt dort ein gutes Beispiel aus meinem heimatlichen Landkreis Harz. Da gibt es die Beschäftigungsoffensive „Generation 60plus“. Da hilft die KoBa kräftig mit, solche erfahrenen Fachkräfte wieder in den Arbeitszeitmarkt zu bringen. Und es wäre hilfreich, wenn wir das vielleicht auf das gesamte Land ausdehnen, meine Damen und Herren, damit wir diese Fachkräfte nicht verlieren.
Aber selbst wenn uns das gelingen würde, wäre das nur ein Teil der Lösung, die wir brauchen. Wir könnten auch mit diesen Fachkräften das Loch nicht schließen, das sich in den kommenden Jahren noch verschlimmern wird. Deswegen ist es in der Tat wichtig zu schauen, wo in der Welt man uns auf unserem Arbeitsmarkt noch helfen kann.
Es ist wenig hilfreich, Frau Hohmann von der LINKEN, wenn Sie die schlechten Arbeitsbedingungen hier beschreiben, wie schlimm das alles mit Billiglöhnen und so sei. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass eine Fachkraft für einen Billiglohn nach Deutschland kommt. Die gucken sich sehr genau an, was sie hier bekommen und unter welchen Bedingungen sie hier arbeiten.
(Monika Hohmann, DIE LINKE: Es ist eine Schande, dass es solche Fachkräfte gibt, die jahrzehntelang in einem Beruf arbeiten und einen Billiglohn bekommen!)
Es muss unser Auftrag sein, dass sich die Leute von ihrem Herkunftsland aus erkundigen, wann kann ich wo arbeiten,
Wenn Sie sich die Zahlen anschauen; dann sehen Sie: Es waren im Jahr 2020 knapp 30 000 qualifizierte Zuwanderer nach Deutschland unterwegs, auch aufgrund der Coronapandemie, das muss man sagen. Im Jahr davor waren es immerhin 60 000. Aber es sind Leute, die nicht dauerhaft hierbleiben. Viele bleiben nur temporär.
Man darf diese Menschen nicht verwechseln mit Leuten, die nicht wegen Arbeit zu uns kommen, sondern die wegen Asyl herkommen. Das sind keine qualifizierten Zuwanderer, die vorrangig für unseren Arbeitsmarkt vorgesehen sind. Sie kommen aus ganz anderen Gründen. Wir müssen uns auf die konzentrieren, die qualifiziert sind und hier Erwerbsmöglichkeiten suchen. Diesen Leuten, meine Damen und Herren, gehört unsere volle Unterstützung bei ihrer Arbeitsuche.
Da müssen wir eben auch sehen, dass wir ihre Abschlüsse in vereinfachten Verfahren besser anerkennen, dass wir auch wissen, was ist ihr Abschluss, den sie mitbringen, bei uns wirklich wert. Das spielt ja auch auf dem Gehaltszettel eine Rolle. Das darf aber nicht dazu führen - auch die Versuchung höre ich hin und wieder in der Diskussion -, dass wir womöglich unsere Standards absenken zugunsten derer, die da kommen.
Meine Damen und Herren! Deutschland ist ein Weltmarktführer in vielen Gebieten. Wir können es uns einfach nicht leisten, von unseren Standards abzurücken. Wir müssen eher dafür motivieren, dass die, die zu uns kommen, unsere Standards akzeptieren und sich entsprechend auf diese Standards vorbereiten. Es gibt gute Beispiele: Spanien, Vietnam. Dorther kommen viele junge Leute, machen hier ihre Ausbildung gezielt, um dann auch hier zu arbeiten. Es gilt, das auszubauen.
Und natürlich, Kollege Silbersack, könnten auch Asylsuchende den Arbeitsmarkt bereichern. Ich bleibe bewusst im Konjunktiv; denn die Erfahrungen, die wir gerade machen, auch in der ZASt Halberstadt, decken sich leider nicht so optimistisch mit dem, was wir vielleicht vermuten.
Es sind junge Menschen dabei, die keinen Berufsabschluss haben, die keinen Schulabschluss haben. Viele, die da kommen, können nicht mal lesen und rechnen. Denen muss man natürlich erst einmal die deutsche Sprache beibringen, die muss man hier erst einmal an die Normen heranführen.
Damit bin ich wieder bei dem Thema, das wir heute schon in der ersten Debatte hatten, Kollege Striegel. Da kommen wir in der Tat an unsere Grenzen; denn so vielen Menschen, die gerade auch zu uns, auch in den Harzkreis, kommen, können wir nicht sofort einen Deutschkurs bieten, die können wir nicht sofort untersuchen, die können wir nicht so- fort in andere Wohnungen bringen, weil die einfach erst einmal im verwaltungsrechtlichen Sinne abgearbeitet werden müssen. Da kommt dieses Land an seine Grenzen.
Deswegen ist es sehr gut und sehr richtig, dass wir wirklich sagen: Hier ist eine Grenze erreicht. Das ist die besagte Obergrenze. Wenn wir die nicht beachten wollen, dann können wir die Menschen nicht integrieren. Das sollte nicht unser Ziel sein, meine Damen und Herren.
Dann noch - ich habe das schon angesprochen - zum Wort „integrieren“. Wenn wir hier mit Erwerbsmigration arbeiten - das müssen wir ja; die Menschen, die hier arbeiten, sollen sich auch außerhalb ihres Arbeitsplatzes wohlfühlen -, dann ist es schon die erste Aufgabe, die deutsche Sprache zu lernen.
Das machen uns ja insbesondere die ukrainischen Flüchtlinge gerade vor, wie schnell die Deutsch lernen wollen. Da sieht man doch die Motivation, die vielleicht bei dem einen oder anderen fehlt, der auch nach Jahren noch nicht immer unsere gute deutsche Sprache spricht. Die Erfahrungen haben wir alle selbst schon gemacht.
Es geht auch darum, dass wir diesen Menschen eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, dass wir sie in unsere Veranstaltungen einbeziehen. Das macht nur Sinn, wenn sie uns verstehen und wenn wir sie verstehen. Da, meine Damen und Herren, liegt noch vieles im Argen. Da müssen wir besser werden, nicht nur mit Programmen, sondern auch dahin gehend, dass wir nur mit Zahlen arbeiten können, die wir auch verkraften.
Und, natürlich, die besten Kontakte sind die neuen Arbeitskollegen. Da erwirbt man neue Familien, neue Freundschaften. Das ist natürlich auch eine Aufgabe für die Kollegen am Arbeitsplatz, die neuen Mitarbeiter nicht als Konkurrenten zu sehen, sondern mit offenen Armen zu empfangen und mit den Leuten so gut zu arbeiten, dass sie sich hier in Deutschland wohlfühlen und auch hier bleiben - immer unter der Prämisse - das will ich für meine Fraktion ganz deutlich sagen -, dass diese Menschen in der Lage sind, selbst für sich zu sorgen. Sie können oder wollen in unser Wirtschaftssystem einwandern, aber nicht in unser Sozialsystem, weil dann unser Sozialstaat auseinanderbricht. Und erste Akzeptanzprobleme spüren wir ja schon an jeder Ecke und Kante.
Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion kann ich also sagen: In dem Wissen, dass unser Wohlstand vor allen Dingen auf Innovation beruht, dass unsere Produkte besser werden, dass wir noch immer dieses Siegel „Made in Germany“ haben, ist für uns jede qualifizierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, wenn es eine Fachkraft ist, willkommen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der demografische Wandel und der mit ihm einhergehende Fachkräftemangel ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Das Fehlen von Fachkräften macht sich bereits überall im Alltag bemerkbar. Es beeinträchtigt die wirtschaftliche und soziale Leistungsfähigkeit im Land. Es kostet schlicht Wohlstand.
Um das Problem zu lösen bzw. zumindest zu mildern, gibt es mehrere Ansatzpunkte. Das ist zum einen - der Antrag auf eine Aktuelle Debatte spricht es an - die Zuwanderung von Menschen. Auch Sachsen-Anhalt muss deutlich engagierter ein modernes Einwanderungsland werden.
Menschen, die hier ihre Heimat finden wollen, werden gebraucht und bereichern unsere Gesellschaft. Sie und ihre Familien müssen sich aber auch willkommen fühlen und ankommen können. Mir ist klar, wie emotional, mit welchen Vorbehalten, Ressentiments, irrationalen Ängsten die Debatte belastet ist und wie diese Ängste politisch instrumentalisiert und geschürt werden. Wir müssen die Debatte trotzdem führen.
die Tür der Möglichkeiten zu öffnen, liegt in Berlin. Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht soll sich Mitmenschen eine Tür öffnen, die gut in Deutschland integriert sind und nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen ein dauerhaftes Bleiberecht erlangen können.
Die im Bundeskabinett beschlossenen Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten öffnen eine andere Tür. Die Bundesregierung ebnet den Weg für das modernste Einwanderungsrecht, das Deutschland bisher hatte. Beides zielt nicht zuletzt auch auf die Zukunft der deutschen Wirtschaft und des deutschen Arbeitsmarktes.
Während sich Deutschland insgesamt aufmacht, sein Einwanderungs- und Aufenthaltsrecht endlich zu reformieren und zu modernisieren, bleibt auch für Sachsen-Anhalt viel zu tun. Vielleicht sind wir manchmal sogar schon weiter, als allen bewusst ist.
Das „IQ Netzwerk Sachsen-Anhalt“, das sich um Anerkennungsberatung und Fachkräfteeinwanderung im Land verdient macht, kann unzählige Erfolgsgeschichten erzählen. Ich habe einige aufgeschrieben. Ich war mir unsicher, ob ich die tatsächlich bringen sollte. Herr Siegmund hat mich dazu gebracht, das tatsächlich zu tun. Denn Sie sagten vorhin, Zuwanderung sei automatisch eine Belastung für die Sozialsysteme.
Im Februar 2020 entschieden sich drei junge Medizinabsolventen aus Indien, Sachsen-Anhalt eine Chance zu geben. Herr A. lebt seit 2021 im Land. Seine Fachsprachprüfung bestand er im August 2021. Seit Oktober 2021 ist er als Arzt im Harzklinikum in Wernigerode tätig.
Frau S. konnte im Juni 2021 einreisen, absolvierte auch ihre Fachsprachprüfung erfolgreich und ist seit Juni 2022 im Harzklinikum Quedlinburg tätig. Herr H. reist im Juli 2021 ein und arbeitet mit seiner Berufserlaubnis seit März 2022 in der Paracelsus-Klinik Bad Suderode im Harz als Arzt.
Das sind nur einige von mittlerweile sehr vielen indischen Ärzten im Harz und internationalen Medizinern und Medizinerinnen in Sachsen-Anhalt. Ihr Beitrag zu unserem Gesundheitssystem ist bedeutend.
Diese beiderseitigen Erfolgsgeschichten finden sich dabei aber nicht nur im hoch qualifizierten Bereich. Wir haben gestern die Debatte über Speditionen gehabt. Wenn man tatsächlich auf Speditionen trifft - ganz zentrales Problem -: Die finden keine Leute. Also, es ist wirklich ein ernstes Problem, wenn Sie mit Paketdiensten gucken, wer da jetzt arbeitet. Das ist wirklich ein Problem, das weit über die Frage der hoch Qualifizierten hinausgeht. Insofern ist der Bedarf tatsächlich viel, viel breiter aufgestellt, als es hier in den Debatten häufig vorkommt.
Victoria, 30, aus einer Kleinstadt in Kasachstan kam als Spätaussiedlerin nach Zeitz. Während sie Deutschkurse belegte, arbeitete sie als Reinigungskraft und später bei einer Burgerkette. Mit anerkannten Arbeitszeugnissen aus Kasachstan und erfolgreichem Sprachkurs arbeitet sie heute als kaufmännische Sachbearbeiterin.