Protocol of the Session on September 7, 2022

Frau Präsidentin! Herr Dr. Schmidt hat von einer Jahrhundertaufgabe gesprochen. Damit hat er natürlich recht. So etwas wollen wir bitte nicht regelmäßig machen. Insofern ist diese Umstellung tatsächlich eine Jahrhundertaufgabe. Dementsprechend ist das eine Herausforderung für alle Beteiligten, sowohl für die Bürger als auch für die Verwaltung. Ich glaube, ich war in meinem Redebeitrag überwiegend lieb zu der Verwaltung. Denn es ist tatsächlich zu konstatieren, dass das ein Problem ist und dass die Kollegen das entsprechend leisten.

Die Frage ist allerdings: Sollten Fristen nicht realistisch sein? Das ist der Anspruch. Wenn ich den Leuten sage, das muss bis 31. Oktober 2022 eingereicht sein, dann finde ich die Aussage ungünstig: Na ja, wenn das bis dahin nicht kommt, ist das nicht so schlimm. Die Leute gehen davon aus, dass das ernst gemeint ist, und das ist auch ernst gemeint. Dementsprechend sollte man auch handeln.

Wenn man jetzt erkennt, wir haben noch 80 % bis 85 % vor uns und uns bleiben nur noch anderthalb Monate, dann muss man annehmen,

dass das nicht klappen wird. Insofern würde ich es für eine sinnvollere Variante halten, als Landtag zu entscheiden, dass wir das in dieser Richtung sehen. Damit bin ich ganz bei Herrn Henke, der sagte, wir geben dem Finanzminister das Votum für die Runden mit und dann kann man das dort entscheiden.

Es wurde eine Überweisung beantragt. Ich halte eine Überweisung nicht so richtig für sinnvoll. Denn dann geht das in den Ausschuss, und bis der Antrag dann wieder hier ist - das ist ja theoretisch die Idee -, ist diese Frist abgelaufen und dann gibt es die eine oder die andere Entscheidung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir werden eine Überweisung ablehnen und werden es mit großer Gelassenheit sehen, wenn sich die Mehrheit des Landtages für eine Überweisung entscheiden sollte. Wir werden darüber im Ausschuss mit den dann sicherlich neuen Informationen des Finanzministers zum aktuellen Stand und dazu, wie man dann reagieren will, diskutieren. Daher bietet sich der Weg, den ich aufgezeigt habe, an, um auf einen realistischen Pfad zu kommen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Meister. - Damit ist die Debatte beendet und wir kommen zur Abstimmung.

Abstimmung

Es wurde eine Überweisung in den Finanzausschuss beantragt. Wer dieser zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die

Koalitionsfraktionen, Teile der AfD und die Fraktion DIE LINKE. Wer dagegen ist, der möge sich bitte jetzt melden. - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind weitere große Teile der AfD-Fraktion. Damit ist der Antrag über- wiesen worden und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 28

Erste Beratung

Daseinsvorsorge für die Jüngsten stärken: Qualität der Kindertagesbetreuung weiter ausbauen und Fachkräfte der Kindertagesbetreuung entlasten

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1569

Frau Anger wird den Antrag einbringen. - Frau Anger, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit drei Zitaten beginnen.

Zitat 1: Mein Bildungsauftrag ist oft nur ein Betreuungsauftrag.

Zitat 2: Ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich krank bin. Meine Kollegin steht dann allein in der Gruppe; also gehe ich zum Dienst, bis es nicht mehr geht.

Zitat 3: Wann soll ich ein Gewaltschutzkonzept mit erarbeiten und wann meine Arbeit reflektieren, wenn ich mit meiner Kollegin 24 Kinder

tagtäglich betreue? Bei Urlaub und Krankheit bekommen wir keinen Ersatz und sind allein für die Kinder verantwortlich.

Meine Damen und Herren! Das sind drei Aus- sagen von pädagogischen Fachkräften aus der Kindertagesbetreuung. Sie zeigen auf eindrückliche Art und Weise die Alltagsrealität für die vielen engagierten Erzieher*innen im Land. Geht man in die Praxis, sieht man sich die Betreuung vor Ort konkret an, dann stellt man schnell fest, dass eine pädagogische Fachkraft in der Kita schon einmal für mehrere Tage für 20 und mehr Kinder allein verantwortlich ist. Das ist kein Einzelfall, wie wir alle wissen.

Im letzten Jahr, meine Damen und Herren, hat Ver.di gemeinsam mit der Hochschule Fulda auch für Sachsen-Anhalt die starke Belastung der Fachkräfte und ihre daraus folgende Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation dargestellt. Ich will Ihnen gern die Ergebnisse für SachsenAnhalt noch einmal darstellen; denn mir scheint leider, dass so etwas gern und ziemlich schnell in Schubladen gepackt wird und nicht gesehen wird.

Daher noch einmal eindrücklich: 42 % gaben an, dass sie zeitweise für mehr als 17 Kinder am Tag gleichzeitig verantwortlich sind, 22 % davon sogar für mehr als 21 Kinder. 45 % sagen, dass sie zu wenig Zeit haben, um auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder einzugehen. 19 % gaben an, dass sie ihren pädagogischen Ansprüchen im Alltag nicht gerecht werden können. 47 % arbeiten häufig oder sogar sehr häufig unbezahlt außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit, um die Arbeit bewältigen zu können. Und in jeder Kita fehlen im Durchschnitt drei Vollzeitfachkräfte.

Meine Damen und Herren! Das macht deutlich, wie weit hier Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen und wie weit die gesetzliche

Grundlage von der Arbeitsrealität der Fachkräfte entfernt ist. Es ist dringend notwendig, jetzt sofort für alle in der Kindertagesbetreuung Beschäftigten Entlastungen zu schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die Rahmenbedingungen sich deutlich verbessern, wird der Beruf auch wieder interessanter für Nachwuchsfachkräfte und wirkt dem Fachkräftemangel in den Einrichtungen von selbst entgegen. Unsere pädagogischen Fachkräfte, die, wie im Zitat beschrieben, überwiegend nur betreuen, anstatt frühkindliche Bildung umsetzen zu können, machen Überstunden, sind erschöpft und haben im Vergleich zu anderen Berufsgruppen einen erhöhten Krankenstand.

Laut Barmer waren Erzieher*innen im Durchschnitt 31 Tage im Jahr krank. Das ist eine Kausalkette der Belastung für alle Beteiligten, die durch landesseitiges Aussitzen fortgesetzt wird.

Als mehr als irritierend empfand ich daher auch die Antwort aus Ihrem Haus, Frau Ministerin Grimm-Benne, auf meine Kleine Anfrage zu dem Landesmodellprogramm Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher. Die Offenbarung des Desinteresses lässt sich in dem folgenden Satz wiederfinden - ich zitiere -:

„Generell ist es nicht Aufgabe eines Landes, umfassend vergütete Ausbildungen abzusichern; zur Fachkräftegewinnung ist dies im originären Interesse der Träger.“

Übersetzt heißt das: Was geht uns als Landesregierung das an? Das ist eine Bankrotterklärung gegenüber dem Fachkräftemangel, und es ist eine beschämende Äußerung all denen

gegenüber, die sich in der Kindertagesbetreuung tagtäglich engagieren und ihr Bestes geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie als Landesregierung sind es doch, die gute Rahmenbedingungen schaffen muss. Ich fordere Sie wirklich auf, dies dem Interesse der Fachkräfte entsprechend endlich zu tun.

Frau Ministerin, bitte sparen Sie sich gleich in Ihrer Rede den Teil auf, in dem Sie mich darauf verweisen werden, dass der Personalschlüssel nicht die einzige Größe für die Messbarkeit der Qualität in der Kita ist. Ich sage Ihnen, sie ist es. Denn ohne engagierte Fachkräfte, ohne ihre Motivation, ohne ihre Geduld, ohne ihre Ideen läuft in der Kita nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen müssen wir jetzt endlich in den Neuverhandlungen mit dem Bund zum KitaQualitätsgesetz die Chance nutzen und den Personalschlüssel zur Entlastung der Fachkräfte anpassen. Denn wenn Sie das tun, dann können Sie dieses Bundesgesetz auch ernsthaft ein Gute-Kita-Gesetz nennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade jetzt, wo die Preise für Lebensmittel, für Energie und Co explodieren, zeigt sich, dass die Familien eine Entlastung in der Kindertagesbetreuung bitter nötig haben. Stattdessen gab und gibt es Überlegungen, die Last steigender Kosten wieder auf die Familien abzuwälzen. Allein, dass darüber nachgedacht wurde, Kitas zum Energiesparen zu schließen, ist vielsagend.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wird man nicht machen. Das ist sehr richtig. Aber allein die Überlegung lässt tief blicken.

Ganz ehrlich, ich erwarte einiges mehr von einem SPD-geführten Haus. Schließlich sind Sie in den vergangenen Wahlen mit dem Versprechen an die Menschen herangetreten, die Kindertagesbetreuung beitragsfrei zu gestalten. In den Koalitionsverhandlungen war das stets das erste Ziel, das über die metaphorische Klinge ging. Ihr Ansinnen, die Finanzierung der Sprach-Kitas zu übernehmen, wenn der Bund aussteigt, würden Sie meines Erachtens, glaube ich, genauso gern über diese besagte Klinge springen lassen.

Darüber hinaus beabsichtigen Kommunen derzeit, die Kita-Beiträge für Eltern aufgrund steigender Strom- und Energiepreise zu erhöhen. Sie wissen nicht, wie sie diese Last allein stemmen sollen. Faktisch werden auch auf diese Weise Familien wieder stärker belastet.

Ich frage: Wo ist an dieser Stelle das Land? Ich sage Ihnen, man duckt sich wieder weg und entzieht sich der Verantwortung. Zeigen Sie mir gern, dass ich Unrecht habe. Werden Sie Ihrer Aussage im Koalitionsvertrag gerecht, dass Sie die Familien dauerhaft entlasten werden.

Meine Damen und Herren! Insofern zielt unser Antrag auf drei wesentliche Punkte ab:

Erstens. Wir wollen Fachkräfte und Familien entlasten.

Zweitens. Wir wollen die Qualität in der Kindertagesbetreuung weiter verbessern.

Drittens. Wir wollen, dass die Jüngsten bestmögliche Chancengerechtigkeit im Aufwachsen erfahren.