Jetzt gucken wir uns die Situation in SachsenAnhalt an und stellen uns die Frage: Warum brauchen wir denn unbedingt ein solches Vergabegesetz? - In Sachsen-Anhalt haben wir eine Tarifbindung, die in den Jahren 2000 bis 2019 von 63 % auf 45 % gesunken ist. Sachsen-Anhalt ist eines der Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland mit der geringsten Tarifbindung. Vier Fünftel aller Betriebe in Sachsen-Anhalt sind nicht tarifgebunden.
Wer sich übrigens für die ökonomischen Auswirkungen interessiert und nicht nur für die Frage der Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der darf bei Prof. Bachmann
nachschauen. Dies ist übrigens einer der Gründe, warum wir bei der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes so sehr zurückliegen.
Wenn wir also über ein Vergabegesetz reden, das sich damit auseinandersetzt - das legt der Begriff Tariftreue nahe -, dann müssten wir es eigentlich mit einem Gesetz zu tun haben, das Betriebe motiviert, in eine Tariftreue hineinzugehen. Nur dafür macht eigentlich diese Krücke Vergabelohn Sinn.
Jetzt gucken wir uns einmal an, was dieser Gesetzentwurf macht. Es spricht von einem Vergabelohn von 13 €, aber sorgt eigentlich dafür, dass der Bereich, in dem dieser zwingend verlangt wird, deutlich verkleinert wird, erstens indem die Schwellenwerte angehoben werden, die damals, zu Beginn des Jahres 2016, schon die höchsten in der Bundesrepublik Deutschland waren, und zwar jetzt noch einmal deutlich angehoben werden, sodass diese Situation - wir haben solche Situationen, dass manchmal die Reinigung von Etagen einzeln ausgeschrieben worden ist, um die Schwellenwerte schon vorher zu unterlaufen - noch einmal erleichtert wird. Das heißt, dieser Bereich, für den das Gesetz zutrifft, wird noch einmal radikal verkleinert.
Hinzu kommt nicht nur die Möglichkeit, es im Katastrophenfall auszusetzen, nein, wir haben jetzt einen Gummiparagrafen, in dem es heißt: in Not- und Krisensituationen. Haben wir nicht immer überall eine Krise? Übrigens haben wir gestern den Krisenparagrafen beschlossen,
und zwar ausdrücklich für das Sondervermögen. Was soll das jetzt? Der Wirtschaftsminister kann sagen: Ich denke, wir haben gerade eine Krise; wir setzen das Gesetz aus. Dieses Gesetz regelt, dass es nicht gilt. Das ist das Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zweitens. Der Mindestlohn von 13 € war unser Wahlprogramm und war das Wahlprogramm der SPD. Einige andere haben das zumindest politisch auch gefordert. Ein Mindestlohn von 13 € im Sommer 2021 bedeutet für die Geltung des Gesetzes am Ende oder im Herbst dieses Jahres bei einer Inflationsrate von 7 % 14 €. Deswegen sagen wir ganz deutlich: Wenn dieses Vergabegesetz überhaupt eine wirkliche ökonomische Wirkung haben soll, dann brauchen wir in- zwischen einen Vergabelohn von 14 €,
und zwar, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch deshalb, weil wir - nehmen wir einmal an, die Ampelkoalition zieht das im Bund wirklich durch - ab Oktober 2022 bereits einen gesetz- lichen Mindestlohn jenseits der Vergabe von 12 € haben. Dahin gehend kann ich manche sogar verstehen, die sagen: Wollen wir uns all das wegen dieses Unterschieds von 1 € noch leisten? Oder wollen wir im Grunde genommen nicht gleich anschließen?
Wenn wir eine Lenkungswirkung dahin haben, dass Betriebe, die öffentliche Aufträge haben wollen, wirklich die Tarifbindung steigern, die in diesem Land permanent sinkt, dann brauchen wir ein richtiges Druckinstrument. Das sind nicht mehr 13 €, das sind 14 €. Deswegen ist unsere Forderung richtig.
Herr Hövelmann, ja, die Sache mit den sachgrundlosen Befristungen finde ich schön. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Was steht denn in § 8? Wenn wir gleichwertige Angebote haben, dann können wir noch einmal in § 4 nachsehen, was alles nett ist, und dann können wir einmal gucken, ob das Nette, das dort steht, noch irgendeine Bedeutung bei der Vergabe hat. Das ist doch die Realität. Lassen Sie uns - -
- Das Gesetz, das hier vorliegt. § 8, auf den Sie verwiesen haben, nimmt Bezug auf § 4. Darin steht: Die sachgrundlosen Befristungen müssen begrenzt sein bzw. sind eine Ausnahme.
- Ja, aber im Grunde genommen völlig unverbindlich. Lassen Sie uns doch einmal über etwas anderes reden. Dann schreiben wir einen Schwellenwert hinein. Wer mehr als 20 % sachgrundlose Befristung unter seinen Arbeitnehmern hat, der fliegt raus. Das wäre ein hartes Kriterium. Dann hätten wir eine Lenkungs- wirkung.
Wir sehen, dieses Gesetz hat extrem viele Mängel. Es ist kein Tariftreuegesetz. Es ist nicht im Interesse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Deswegen muss es deutlich verbessert werden. Wir fordern eine Überweisung in den Sozialausschuss. - Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kurz zu den Beiträgen. In Richtung der GRÜNEN: Herr Meister, Sie sind Jurist, Sie haben § 4 sicherlich gelesen. Darin ist mehrfach aufgeführt worden, dass es den Vergabestellen
der Kommunen möglich ist, Umweltkriterien zu berücksichtigen. Es ist zulässig, Umweltbelange, Umwelteigenschaften, Umweltgütezeichen
usw. zu berücksichtigen. Das Kriterium, das dabei herrscht, ist: Sie können es. Es ist keine Mussvorschrift.
Das heißt, wir vertrauen denjenigen, die das ausschreiben. Wir vertrauen den Vergabestellen. Wir müssen deren individuelle Belange berücksichtigen. Was wir nicht brauchen, ist eine indikativ apodiktische K.-o.-Kriterien-Darstellung, wenn Sie sagen: Wir schließen aus … Das brauchen wir nicht, meine Damen und Herren.
Insofern wäre es gut, wenn Sie den Menschen im Land und denjenigen, die dafür verantwortlich sind, mehr Vertrauen schenken. Vertrauen in die Menschen im Land ist wichtig. Diesen Dogmatismus benötigt niemand.
In Richtung der AfD-Fraktion: Bezogen auf § 4, in dem Begriffe stehen wie „sozial“, „umweltverträglich“, „innovativ“, wundert es mich schon, dass Sie das als ein Bürokratiemonster begreifen. Das ist Zukunftsgestaltung, meine Damen und Herren. Ohne diese Begrifflichkeiten, ohne die Verwendung dieser Themen werden wir im Grunde genommen keine Zukunft beschreiben können. Das, was Sie sagen, ist nicht etwas, das griffig ist. Sie wenden sich nicht der Zukunft zu, das ist das Problem. Es ist genau richtig und auch nicht Bürokratie mehrend, wenn wir es den Kommunen anheimstellen, diese Begrifflichkeiten in § 4 in die Abwägungen einzubinden.
So ist es natürlich nicht. Wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie auch verstanden: Es war eine konsensuale Vereinbarung aller. Es war ein Spagat zwischen dem Tariftreuethema und dem Vergabethema, der Entfesselung der Wirtschaft für dieses Land und der Mitnahme der Menschen in diesem Land.
Genau das ist uns gelungen. Wenn Sie die Dinge aus dem Gesetzestext hier wiedergeben, dann haben Sie - das muss ich ganz ehrlich sagen - den Gesetzestext nicht wirklich gelesen; denn es steht einfach etwas anderes darin.
Ich würde Sie bitten, das wahrzunehmen. Sie sagen, es würde nur dem Kapital und nur den Unternehmen dienen. - Nein, so ist es eben nicht. Wir wollen Investitionen. Sie selbst reden auch von Bildung und Schulen.
Es muss überall investiert werden. Das werden Sie aber nur dann hinbekommen, wenn Sie die Investitionen auch möglich machen. Das ist durch einfache Vergabeverfahren möglich. Das ist doch das Ziel des Ganzen. Versuchen Sie doch nicht am Ziel vorbeizuschießen, sondern versuchen Sie, sich mit dem auseinanderzu- setzen, was wir hier konkret gemacht haben.
Für uns ist das Entscheidende, dass wir den Spagat hinbekommen, auf der einen Seite die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu berücksichtigen, deren Interessen und Familien, und auf der anderen Seite das Land zu entfesseln
und die Entbürokratisierung voranzubringen. Insgesamt kann ich sagen: Aus der Sicht der Koalition ist es ein extrem gelungener Entwurf.
Wir beantragen eine Überweisung in die Ausschüsse für Wirtschaft und Tourismus, für Finanzen sowie für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung.
Sie haben noch einmal ausdrücklich gesagt, ich hätte das Gesetz nicht gelesen, zumindest bezüglich der Dinge, die ich behauptet habe. Ich gehe noch einmal auf die Debatte ein, die ich mit Herrn Hövelmann geführt habe. Ich lese Ihnen einmal aus § 8 vor - Sie kennen das hoffentlich, Sie haben es ja eingebracht -:
„Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend. Bei gleichwertigen Angeboten werden, sofern in der Bekanntmachung […] angegeben, die zusätzlichen Belange nach § 4 für die Vergabe herangezogen.“