Protocol of the Session on May 19, 2022

(Zustimmung bei der FDP)

Man stelle sich einfach mal Folgendes vor. Eine Schule, die neue Toiletten und neue Wasch- becken anschaffen und implementieren wollte, war darauf angewiesen, eine entsprechende Ausschreibung zu machen.

Mit den neuen Schwellenwerten ist es bei einer Auftragsvergabe in dem Bereich Toiletten und Waschbecken - dort beträgt das Auftragsvolumen vielleicht 100 000 € - möglich, ein aufwendiges Ausschreibungsverfahren einfach zu umgehen. Man kann einfach mal darauf verzichten. Es kann losgehen. Ich kann mit den Unternehmern vor Ort in der Kommune sprechen, also mit der regionalen Wirtschaft.

Das ist im Bereich der Bildung möglich. Die Bildung wird eben nicht nur über die Anzahl der Lehrkräfte definiert, sondern eben auch über den Renovierungsstand der Schulen, meine Damen und Herren!

(Zustimmung bei der FDP)

Ich komme zum Bereich der Digitalisierung. Wir haben den Digitalpakt Schule und dort einen enormen Investitionsstau. 5 Milliarden € des Bundes müssen auf die Straße gebracht werden. Auch hierbei war für Sachsen-Anhalt die Frage, wie wir das so schnell wie möglich tun können.

Wir haben hier einen Stau. Das heißt, für uns war es wichtig, dass wir mit der Anhebung der Schwellenwerte hierbei eine schnellere Auftragsvergabe erreichen. Das muss unser Thema sein. Dieser Bürokratieabbau zeigt im Bereich der Bildung ganz exemplarisch, wie wichtig es ist, eben nicht nur das Thema Lehrkräfte zu sehen, sondern bei den Schulen auch den Bereich der Digitalisierung oder den Zustand der Toiletten und Waschbecken zu sehen, meine Damen und Herren.

Darüber hinaus ist natürlich - ich habe es vorhin schon gesagt - das Thema Vergabemindestlohn wichtig. Über dieses Thema haben wir lange gestritten, weil wir als Liberale gesagt haben, wir müssen auch an die Unternehmer denken, weil es hierbei nicht nur um den Einstiegslohn geht. So wie ich in Unternehmen den Vergabe-

mindestlohn ansetze, werden vielmehr auch die darüber liegenden Gruppen entsprechende Anhebungen erfahren. Das heißt, wir müssen beides im Blick haben.

Aber es war richtig, weil auch gilt: Gute Arbeit ist mit gutem Lohn verbunden. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir uns auf einen Vergabemindestlohn geeinigt haben. Die Definition, die wir hierzu im Verfahren gefunden haben, lautet: Dieser Vergabemindestlohn berechnet sich ab dem Jahr 2022 anhand der Entgeltgruppe 1 Erfahrungsstufe 2 einschließlich Sonderzahlung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder und anhand der Anzahl der Arbeitstage in Sachsen-Anhalt im jeweiligen Jahr. Das ist, glaube ich, etwas, das fair ist, das gut ist und das nach dem derzeitigen Stand der Dinge 13,01 € ermöglicht.

(Zustimmung von Holger Hövelmann, SPD)

Jetzt kann man natürlich auf die Idee kommen zu sagen, wir haben die Inflation und die Inflation lässt das Ganze wieder relativiert darstellen. Aber es ist richtig und wichtig, dass wir diesen Weg gegangen sind. Wir haben auf der einen Seite den Tariflohn für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auf der anderen Seite haben wir eine Entbürokratisierung, die für uns, also für das Land, enorm wichtig ist.

Dass wir in der Koalition gemeinsam dieses Paket schnüren konnten, ist einfach auch ein Zeichen dafür, dass dieses Team in dem Bereich richtig gut gearbeitet hat. Meinen recht herz- lichen Dank dafür noch einmal an dieser Stelle.

(Zustimmung bei der FDP)

Aber es geht natürlich weiter. Es geht auch darum, dass in dieser Vergabe - - Das ist jetzt vielleicht etwas detailversessen, aber es muss einfach einmal gesagt werden. Stellen Sie sich Folgendes vor: Bei Vergabeverfahren war es in der

Vergangenheit so, dass man mit einer Rüge allein einen Verfahrensstopp erwirken konnte. Das heißt, man hat einen Einzeiler zur Vergabestelle geschickt und schon wurde das Verfahren gestoppt.

Jetzt ist das Gesetz so formuliert, dass ein Antrag erfolgen muss. Das heißt, derjenige, der ein Verfahren aufhalten möchte, muss mehr tun und nicht weniger. Das bedeutet, dass es schneller zur Abwicklung der Verfahren kommt. Das ist eine Form der Entbürokratisierung, die wir alle benötigen. Die Unternehmer sagen, zum Glück ist man jetzt auf die Umstellung auf ein Antragsverfahren gekommen; denn bei dem Rügeverfahren war es viel zu einfach, Sand ins Getriebe zu streuen, meine Damen und Herren.

Aber es geht natürlich auch darüber hinaus um das Thema der Unterschwellenvergabeverordnung. Das ist ein Wortmonster. Aber dabei geht es um die Bundesvereinheitlichung. Das heißt, überall dort, wo die Schwellenwerte nicht erreicht werden, wird auf der Grundlage der Unterschwellenvergabeverordnung in einem bundeseinheitlichen Verfahren vergeben. Es ist dann die Aufgabe des Ministers, diese Verordnung auf den Weg zu bringen. Diese Verordnung wird das ganze Paket dann einheitlich erscheinen lassen und uns, glaube ich, insgesamt unglaublich nach vorn bringen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir diesen Schritt - es war ein wesentlicher Teil des Koalitionsvertrages, dass wir dieses Vergabegesetz nach vorn bringen, einerseits in Richtung Tariftreue, andererseits in Richtung Entbürokratisierung und Unternehmerfreundlichkeit sowie Kommunenfreundlichkeit - gehen und dass wir dem Land und den Menschen in diesem Land das klare Signal setzen: Wir haben verstanden, wir setzen um, meine Damen und Herren.

(Ulrich Siegmund, AfD: Ach, Herr Silbersack!)

Nachdem die Koalitionsfraktionen das Ganze nach noch nicht einmal einem Jahr hier in den Landtag eingebracht haben, wollen wir auch das Zeichen setzen: Wir sehen das. Wir sehen die Notwendigkeit, wir sehen den Investitionsstau und wir sehen die Digitalisierungsthemen, die auf den Weg gebracht werden müssen. All das ist für uns erkennbar und notwendig. So beinhaltet dieses Tariftreue- und Vergabegesetz noch viele Einzelpunkte, die ich gar nicht im Einzelnen vortragen möchte.

Es gibt das Bestbieterprinzip. Das heißt im Grunde genommen, im Verfahren muss nur der Sieger des Verfahrens Nachweise erbringen. Es gibt für die Verfahren noch andere Aspekte, z. B. soziale Aspekte, die noch eine Rolle spielen. All das, was im Grunde genommen das Leben abbildet, hat sich hierin tatsächlich wiedergefunden. Insofern glaube ich, dass wir von einem sehr guten Wurf sprechen können, der uns da gelungen ist.

Ich freue mich auf die Diskussionen. Ich freue mich darauf und hoffe darauf, dass wir so schnell wie möglich zu einem Abschluss kommen. Darauf warten die Menschen in diesem Land.

Ich möchte mit einem Spruch von Hannibal schließen, der einmal sagte: Entweder wir werden einen Weg finden oder wir machen einen. Wir haben für Letzteres entschieden, meine Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Danke, Herr Silbersack. - Begrüßen Sie mit mir Schülerinnen und Schüler der Freien Schule im Burgenland „Jan Hus“ auf der Tribüne.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schulze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren Abgeordnete! Auch ich freue mich, dass die Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und FDP dem Hohen Haus diesen Entwurf für ein Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Landes Sachsen-Anhalt vorgelegt haben.

Ich begrüße diesen Entwurf. Er zeigt, dass wesentliche Bestandteile unseres gemein- samen Koalitionsvertrages jetzt umgesetzt werden. Er beweist, dass es auch bei Themen, bei denen man in der Fraktion bzw. in der Koalition vielleicht nicht immer komplett einer Meinung ist, durchaus möglich ist, gute Lösungen zu finden.

Die FDP hat es hier eingebracht, der CDU-Wirtschaftsminister begrüßt es und die SPD kann sich dann feiern lassen.

(Dr. Katja Pähle, SPD, und Andreas Silber- sack, FDP, lachen)

Aber Spaß beiseite. Das ist wirklich ein wichtiger Punkt und der Kollege Silbersack hat auch einiges entsprechend schon vorgetragen. Ich möchte noch auf einige Stichworte eingehen. Zum Thema Tariftreue, Mindestlohn und Entgeltgleichheit. Mit der Umsetzung dieser Vorgabe wird eine europarechtskonforme Tariftreueregelung geschaffen. In Sachsen-Anhalt wird die Verpflichtung eingeführt, Aufträge an Unternehmen zu vergeben, die ein Mindestentgelt je Zeitstunde zahlen. So soll die Situation der Arbeitnehmer verbessert werden.

Stichwort Entbürokratisierung. Es ist zu be- grüßen, dass in § 1 - Sachlicher Anwendungsbe-

reich - die Schwellenwerte angepasst und die Möglichkeit einer Verordnungsermächtigung, wie es der Kollege auch schon erläutert hat, gegeben ist.

Die Vergangenheit hat zudem gezeigt, dass das Vergaberecht schnellen Wandlungen unterworfen ist - das wissen wir -; daher die Verordnungsermächtigung, um auf solche Veränderungen ebenso schnell zu reagieren, damit für Vergabestellen und Bieter zeitnah die jeweils aktuellen Vorschriften Anwendung finden können. Damit soll noch schneller und zuverlässiger auf Herausforderungen in der Zukunft reagiert werden.

Ein weiteres Thema ist die Erhöhung der Schwellenwerte. Die Schwellenwerte, ab denen die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung finden, wurden hochgesetzt und gelten für Bauaufträge erst dann, wenn der geschätzte Gesamtauftragswert 120 000 € beträgt. Bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen - wie gerade schon gesagt - gilt er erst dann, wenn der geschätzte Gesamtauftragswert 40 000 € überschreitet.

Diese differenzierten - das möchte ich ganz klar betonen - Wertgrenzen tragen den unterschiedlichen Auftragstypen Rechnung und berücksichtigen, dass sich bei Bauaufträgen naturgemäß von vornherein höhere Auftragssummen er- geben. Wichtig ist auch: Durch die Festlegung der Wertgrenzen sollen bei Aufträgen von geringem finanziellen Volumen unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand und unverhältnismäßige Kosten sowohl für die Auftraggeber als auch für die Bieter vermieden werden.

Die Verordnungsermächtigung räumt zudem ein, Regelungen und Wertgrenzen zu erlassen. Dies ermöglicht ein schnelles Reagieren auf konjunkturelle und wirtschaftliche Erfordernisse.

Ein weiteres wichtiges Stichwort ist die Unterschwellenvergabeordnung. Zur Vereinheit-

lichung der bundesweit geltenden Bestimmungen wird die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - Teil A - durch die Einführung der Unterschwellenvergabeverordnung auf Landesebene ersetzt. Das Ministerium erhält somit die Möglichkeit, durch Verordnung entsprechend flexibel zu handeln. Das Vergaberecht bietet so die Chance, mit Verordnungen schnell und gezielt auf Veränderungen zu reagieren.

Der nächste Punkt betrifft das Präqualifizierungsmodell. Die Koalitionsfraktionen haben dankenswerterweise den § 6 - Präqualifizierung, Zertifizierung und Bestbieterprinzip - in den Gesetzentwurf aufgenommen. Die darin vorgesehene Verordnungsermächtigung ist erforderlich, um flexible Handlungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Vorteile für die Unternehmen sind: Vermeidung formeller Vergabeaus

schlüsse, Wegfall von Einzelnachweisen bei neuen Verfahren, Reduzierung des Arbeits- und Kostenaufwandes. Auch die Vorteile für die Vergabestellen sollen hier genannt werden: eine schnellere und einfache Prüfung.

Zum Schluss möchte ich als Stichworte weitere soziale Aspekte nennen, wie die Familienförderung bzw. sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse, die Umsetzung des § 4 - Berücksichtigung sozialer, umweltbezogener und innovativer Kriterien im Vergabeverfahren. Es soll die Einschränkung der Anzahl sachgrundloser befristeter Arbeitsverhältnisse erreicht werden. Hier muss ein Maßstab gefunden werden, um zweckmäßige Bewertungen zu finden.

All das ist natürlich rein technisch, zeigt aber, dass die Koalitionsfraktionen gemeinsam mit dem Ministerium eine gute Grundlage haben. Ich freue mich auf die weitere Diskussion dazu und kann das bestätigen, was Kollege Silbersack gesagt hat. Er sagte, die Koalition ist noch nicht einmal ein Jahr alt und handelt. Wir haben

wesentliche Punkte dieses Koalitionsvertrages - nicht nur diesen heute, sondern auch andere - angepackt, arbeiten daran und setzen sie für das Land Sachsen-Anhalt um. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Schulze. Es gibt keine Fragen dazu. - Dann können wir in die Debatte einsteigen. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abg. Herr Meister, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die öffentliche Hand hat eine besondere Verantwortung und auch eine Vorbildfunktion sowohl im sozialen Bereich als auch im Bereich Umwelt- und Klimaschutz.

Aus dieser Situation heraus ergeben sich Fragen dazu, wie wir es als Staat mit der eigenen Beschaffung halten. Ein Vergabegesetz mit Vorschriften für öffentliche Auftraggeber, um bei der Auftragsvergabe auch sogenannte vergabefremde Kriterien zu berücksichtigen, halten wir vor diesem Hintergrund sowohl für angebracht als auch für nötig. Es geht nicht um die Erzeugung zusätzlicher Bürokratie, sondern darum, dass die öffentliche Hand für ihren ganz eigenen Bereich Standards setzt oder zumindest setzen kann.

Da wir als öffentliche Hand letztlich mit Steuermitteln, also mit dem Geld der Menschen des Landes, unterwegs sind, kommt uns eine besondere Verantwortung zu. Zum einen müssen wir sparsam agieren; zum anderen sollten wir aber die Standards, die wir politisch predigen, auch selbst anwenden. Insofern sollte die öffentliche Hand beim Einkauf sowohl soziale als auch öko-