Protocol of the Session on May 19, 2022

Ja, es gibt Kinderarmut im Land. Armut bedeutet wenig Geld. Wenig Geld bedeutet oft: kein Sportverein, keine Musikschule, aber auch kein familiärer Ausflug. Armut heißt, sich einzuschränken und immer zu überlegen, was geht und was nicht geht. Armut heißt, zwischen dem Kauf von neuen Schuhen oder dem Bezahlen der überfälligen Stromrechnung abzuwägen. Das Budget ist eng, sodass unerwartete Ausgaben, z. B. wenn eine Waschmaschine kaputt geht, nicht aus Rücklagen geleistet werden können. Eltern dürfen aber wegen ihrer Kinder nicht arm werden. Denn jedes Kind muss in unserem Land gleiche Chancen und gleiche Möglichkeiten erhalten. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und schon gar keine kleinen Arbeitslosen.

(Zustimmung bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen Kinder aus der Armut herausholen und werden eine Kindergrundsicherung einführen. Die Kindergrundsicherung wird aus zwei Komponenten bestehen: einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Einkommen der Eltern abhängigen gestaffelten Zusatzbeitrag. Die bisherigen Leistungen wie Kindergeld, Leistungen aus dem SGB II und SGB XII für Kinder, aus dem Bildungs- und Teilhabepaket sowie der Kinderzuschlag werden dann in einer Leistung gebündelt sein. Schon damit wird Bürokratie abgebaut. Ich bin mir sicher, dass an dieser Stelle sehr vielen Familien geholfen wer-

den wird und die Chancen von Kindern und Jugendlichen somit verbessert werden können.

Armut bedeutet aber auch sehr häufig das Übertragen der Erwerbsarmut der Eltern auf die Kinder, wenn das Einkommen gerade so ausreicht. Daher ist es insbesondere gut, dass die Bundesregierung als eine ihrer ersten Maßnahmen den Mindestlohn im Oktober auf 12 € anhebt. Denn gerade die Region Ost und viele Frauen werden von dem Geld für ihre Arbeit profitieren. Das kann man doch auch einmal als gerecht bezeichnen.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, hat vieles verändert. Wir alle spüren das angesichts stark gestiegener Kosten für Strom, Benzin, Lebensmittel, Heizung und Mobilität. Das ist für viele Bürgerinnen und Bürgerinnen

(Zuruf von der AfD: Was? Bürgerinnen und Bürgerinnen?)

zu einer großen Belastung geworden. Aber die Bundesregierung hat inzwischen viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, um sie zu unterstützen. Dazu zählt z. B. die Abschaffung der EEGUmlage zum 1. Juli. Davon werden alle profitieren, auch Rentnerinnen und Rentner. Es gibt eine Erhöhung der Fernpendlerpauschale rückwirkend zum 1. Januar auf 38 Cent ab dem 21. Kilometer. Auch das entlastet viele Pendlerinnen und Pendler. Sachsen-Anhalt ist ein Pendlerland.

(Zuruf von Markus Kurze, CDU)

Der Heizkostenzuschuss ist schon angesprochen worden. Der Anspruch wurde auf Azubis und Studierende ausgeweitet. Um Preissteigerungen abzufedern, erhalten erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme eine Coronaeinmalzahlung. Der Betrag war bisher auf 100 € festgesetzt worden

und ist nunmehr auf 200 € verdoppelt worden. Das bedeutet doppelte Solidarität. Neu dabei ist, dass Bezieher von Arbeitslosengeld I mit profitieren.

(Zustimmung von Ministerin Petra Grimm- Benne)

Ab Juli gibt es einen Kindersofortzuschlag in Höhe von 20 € monatlich pro Kind bzw. Jugendlichem. Das ist auch ein erster Schritt in Richtung Kindergrundsicherung. Zudem gibt es als Einmalzahlung den Kinderbonus 2022, der auf 100 € erhöht wurde; das ist angesprochen worden. Diesen erhalten aber alle kindergeldberechtigten Kinder. Diese Leistungen werden nicht auf andere Transferleistungen angerechnet. Der Grundfreibetrag erhöht sich auf 10 347 €. Auch die Verlängerung des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld bis zum 30. Juni sei an dieser Stelle genannt. Um die gestiegenen Kosten bei Strom und Mobilität kurzfristig abzufedern, hat die Bundesregierung - auch darüber ist mehrfach gesprochen worden - für Juni, Juli und August, also für jeweils 30 Tage, für alle Bürgerinnen und Bürger das 9-€-Ticket eingeführt. Zusätzlich zu erwähnen ist die Zahlung der Energiepreispauschale in Höhe von 300 € für einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige und

Selbstständige. Zu nennen ist zudem die Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate usw.

Zuletzt möchte ich noch die Erhöhung des Rentenniveaus zum 1. Juli erwähnen: im Westen um 5,35 % und im Osten um 6,12 % - und das jeden Monat. Dabei handelt es sich um die stärkste Erhöhung seit vielen Jahren.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das kann sich an der Stelle doch sehen lassen.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zum geplanten Bürgergeld. Es soll in den ersten beiden Jahren ohne Anrechnung des Vermögens und mit

der Anerkennung der Wohnung gezahlt werden. Das Schonvermögen wird erhöht, die Überprüfung entbürokratisiert, digitalisiert und vereinfacht dargestellt.

Frau Gensecke, kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss.

Schön.

Auch meine Fraktion möchte den Antrag der Fraktion DIE LINKE, der viele Aspekte beinhaltet, in alle Ausschüsse mit Ausnahme des Rechnungsprüfungsausschusses und des Petitionsausschusses überweisen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Thomas Krüger, CDU)

Frau Gensecke, Sie haben die Chance, sogar noch etwas mehr zu sagen, wenn Sie die Frage von Herrn Siegmund zulassen.

Nein.

Sie lässt sie nicht zu. Dann sind wir so weit fertig. - Wir kommen zu dem letzten Redebeitrag in der Debatte. Für die Fraktion DIE LINKE spricht noch einmal Frau von Angern. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich beginne mit Herrn Krull. Sie sprachen von sozialen Wohl- taten. Ich habe vorhin nicht ohne Grund auf das Gespräch mit Herrn Wilke, dem Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt (Oder), hinge- wiesen. Es hat eben etwas mit einer Haltung zu tun, wie wir dem Thema gegenüberstehen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Ich weiß es bei Ihnen besser, insofern will ich gar nicht weiter darauf eingehen.

Es ist gut und richtig, dass wir das Thema breit in vielen verschiedenen Ausschüssen diskutieren;

(Zuruf von Sven Rosomkiewicz, CDU)

denn es handelt sich tatsächlich um ein Querschnittsthema. Ich habe aber eine Anregung, weil wir sicherlich klug darüber diskutieren müssen, wie wir die einzelnen Punkte abarbeiten: Alles, was ich jetzt aus den Koalitionsfraktionen gehört habe, spricht dafür, dass es Sinn ergibt, z. B. das Thema Kindergrundsicherung ein Stück weit herauszulösen und hierzu schon relativ zeitnah mit einer Beschlussempfehlung aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt heraus ein Signal in Richtung Berlin zu senden, damit das tatsächlich eines der ersten Projekte ist, das im Bundestag durch die Ampel umgesetzt wird.

Ich möchte noch ein anderes Thema aufgreifen, weil es sich eben um ein Querschnittsthema handelt. Es geht um das Thema Wohnen. Wir haben die Zahlen inzwischen schwarz auf weiß vorliegen, die zeigen, dass es eben sehr wohl darauf ankommt, in welchem Wohngebiet Kinder am besten aufwachsen. Auch in Ostdeutschland, so auch in Sachsen-Anhalt, hat es sich mehr und mehr dahin entwickelt, dass es in Quartieren eine besonders hohe Anzahl von Kindern, Jugendlichen und Familien gibt, die in Armut leben. Dadurch sind das Sehen, das Wissen und das Erleben natürlich vor allem von Armut geprägt. Wir müssen gucken, wie uns gelingen kann, das zu durchbrechen und eine andere Durchmischung zu realisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber ich sage ganz deutlich: Wir müssen uns dem eben auch stellen. All das, was ich heute von der FDP-Fraktion gehört habe, empfinde ich wirklich einfach nur als zynisch. Ich kann das nicht anders beschreiben.

(Beifall bei der LINKEN - Andreas Silbersack, FDP: Da haben Sie nicht richtig zugehört!)

- Ich habe sehr wohl zugehört, Herr Silbersack.

(Andreas Silbersack, FDP: Offensichtlich nicht!)

Ich möchte ein Beispiel nennen. Die Rektorin einer Grundschule hat sich an mich gewandt, weil das Auftreten von Fußpilz bei Kindern in erheblichem Maße zugenommen hat. Es hat deswegen zugenommen, weil Geschwisterkinder immer häufiger die Schuhe ihrer älteren Geschwister tragen. Ganz ehrlich: Ich möchte den Kindern nicht sagen, lernt bitte, aus der Armut selbst hinauszulaufen mit den Schuhen eurer älteren Geschwister. Vielmehr möchte ich die Eltern in die Situation versetzen, für ihr Kind neue Schuhe kaufen zu können.

(Guido Kosmehl, FDP: Unverantwortlich! - Weitere Zurufe von der FDP)

Das ist die Realität nicht weniger Menschen, nicht weniger Kinder und Jugendlicher in Sachsen-Anhalt. Dem müssen wir uns stellen. Das hat nichts mit Selbstverantwortung von Kindern und Jugendlichen zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Abschließend noch ein Punkt: Ich halte tatsächlich eine generationengerechte Finanzpolitik für eine Illusion. Diese nutzt dem Teil der Generation, für die Sie sich einsetzen, wofür Sie hoffentlich immer weniger Wählerinnen und Wähler bekommen werden,

(Zurufe von der FDP)

die maximal die Chance haben, sich da herauszubewegen.

(Zurufe von der FDP - Unruhe)

Das ist das Mantra der Besserverdienenden.

(Zurufe von der FDP - Unruhe)

Ich sage aber auch ganz deutlich: Ich finde das im Zusammenhang mit Kindern und Jugend- lichen zynisch, weil Kinderrechte aus unserer Sicht unteilbar sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine Fragen und keine Interventionen. Deswegen können wir zum Abstimmungsverfahren kommen.