Protocol of the Session on February 25, 2022

Schulsozialarbeit erfüllt damit aber auch wichƟge Aufgaben, die sich nicht ausschließlich dem Landes- oder dem kommunalen Handlungsbereich zuordnen lassen. Deshalb ist es richƟg und wichƟg, dass wir Schulsozialarbeit auch über das Land weiter fordern und fördern.

Wir müssen aber vielleicht auch noch einmal darüber nachdenken - das zeigt zumindest mir die Debate -, welche Aufgaben und Ziele die

Schulsozialarbeit hat und wie wir sie in ZukunŌ organisieren wollen.

Um die Rahmenbedingungen an unseren Schulen zu verbessern, setzen wir als KoaliƟon auch auf pädagogische Mitarbeiter und auf den Ausbau des Modellprojekts der Schulverwaltungsassistenz. Diese sind im Übrigen auch ein wesentlicher Bestandteil der Studie der Oto-vonGuericke-Universität zur Vermeidung der hohen Quote von Schulabbrechern in Sachsen-Anhalt, wie Sie in der Begründung zu Ihrem Antrag ausführen. Entscheidend ist also nicht allein Schulsozialarbeit. Es gibt mehrere Faktoren. Auch das alles finanzieren wir als Land.

Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe exisƟeren vor Ort sehr unterschiedliche Bedarfe. Auch in meinem Heimatwahlkreis haben bspw. Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung, häus- licher Gewalt und Inobhutnahmen extrem zugenommen. Ungeachtet der in meinem Wahlkreis und auch in meinem Landkreis sinkenden Schülerzahlen nehmen dadurch die Unterstützungsbedarfe an den Schulen zu. Zusätzlich zu den bereits geförderten Schulsozialarbeitern stemmt mein finanziell klammer Landkreis deshalb noch weitere 14,5 eigenfinanzierte Stellen der Schulsozialarbeit. Meine Kollegen wissen es - wir sind immer im Gespräch -: In einigen Landkreisen sieht es ähnlich aus. Sie haben ähnliche Probleme.

Auf der kommunalen Ebene exisƟeren eigen- finanzierte Stellen, die rund 73 VollbeschäŌigungsäquivalenten entsprechen. Insbesondere deren Fortbestand - darin haben Sie recht - ist im Augenblick gefährdet. Das hat aber nichts damit zu tun, dass der Bedarf besteht. Das hat auch nichts damit zu tun, dass wir 80 % über die EU und das Land fördern. In meinem Heimatwahlkreis sind das vier bis acht der 14,5 mög- lichen Stellen. Das liegt auch nicht am fehlenden Engagement des Landes, sondern das liegt an dem Fakt - das wurde von Ihnen auch darge-

stellt -, dass in der aktuellen Förderperiode der Fördermitelzuschuss der EU um 20 % gesunken ist und damit nur noch 60 % zur Verfügung stehen. Die kommunale Ebene muss sich dadurch bei der gleichbleibenden Unterstützung des Landes - das muss man betonen - genau mit diesen 20 % beteiligen.

Herr Lippmann, Sie haben es gesagt: Diese Erkenntnis ist nicht neu und auch nicht überraschend. Die Träger brauchen Klarheit - natürlich. Wie unsere Ministerin Frau Feußner auch erklärte, wurde das schon seit dem Jahr 2018 kommuniziert, übrigens auch im Landeskonzept zur MulƟprofessionalität an Schulen. Sie können das auf Seite 28 nachlesen.

Hinzu kommt, dass auch Eigenleistungen der Kommunen auf die verbleibenden 20 % angerechnet werden können. Unsere Ministerin hat dazu schon einiges erläutert. Wie die Kommunen die Eigenleistungen anrechnen lassen können, ist aus meiner Sicht - auch das muss man deutlich sagen - in den letzten Wochen zu wenig und missverständlich kommuniziert worden. Ein Eigenanteil hat immer auch einen disziplinierenden Effekt

(Zustimmung)

und lässt Zuwendungsempfänger stärker abwägen, ob und in welchem Umfang sie Leistungen brauchen. Herr Dr. Tillschneider, damit haben Sie recht. Der Bedarf für Schulsozialarbeit ist aber vorhanden. Das unterstreicht allein der Fakt, dass wir trotz der notwendigen Eigenleistungen im Augenblick weit mehr als 400 Anträge für die Mitel für die 380 zur Verfügung stehenden Stellen haben.

Frau Lüddemann, Sie haben das Problem genau beschrieben und auf den Punkt gebracht. Das Problem, das sich uns stellt, ist, dass viele Kommunen diesen Eigenanteil nicht im Haushalt eingeplant haben. Das ist das Problem.

Hinzu kommt, dass wir in der neuen Förder- periode auch noch bedarfsorienƟerter steuern müssen. Dadurch kommt es auf kommunaler Ebene zu einer anderen Verteilung der 380 geförderten Stellen für Schulsozialarbeiter.

(Unruhe)

- Könnten Sie Ihr Gespräch beenden und mir zuhören? Ich habe es bei Ihnen auch immer gemacht. - Danke sehr.

Die Kommunen sind nur in sehr unterschied- lichem Maße in der Lage, dies abzufedern. Genau das gefährdet bei uns die Stellen an den Schulen, die gerade jetzt so wichƟg sind. Trotz der 80-prozenƟgen Förderung der EU und des Landes und trotz unseres konƟnuierlichen Engagements drohen gerade diese kommunal finanzierten Stellen für Schulsozialarbeit wegzufallen oder eben andere wichƟge Leistungen zu deren Sicherung, die wir auch erbringen. Ich persönlich finde das sehr bedenklich.

Gerade in der Kinder- und Jugendarbeit darf eine angespannte Haushaltslage nicht dazu führen, dass die dringend notwendigen Aufgaben nicht erbracht werden können.

Dass das Land seine Stellen versteƟgt, nützt den Menschen nichts, wenn die Leistungen vor Ort gekürzt werden. Ich verstehe dieses Argument. Für die Menschen vor Ort ist es wichƟg, dass Leistungen erbracht werden. Dabei ist es egal, wer das Ganze finanziert.

(Unruhe)

VizepräsidenƟn Anne-Marie Keding:

Einen Augenblick, bite. - Könnten Sie das Gespräch, wenn Sie wirklich dringenden Gesprächsbedarf haben, vielleicht draußen führen? Das stört hier doch ziemlich und insbesondere auch den Redner.

(Zustimmung - Zuruf: Der Rest der Landes- regierung ist sowieso nicht da! Er kann weiterreden! Was soll denn das?)

- Ich habe ja auch nicht die Landesregierung gemeint, sondern einen FrakƟonsgeschäŌsführer und einen FrakƟonsvorsitzenden.

(Zuruf)

Herr Redlich, wollen Sie weitermachen?

Die Haushaltslage des Landes ist aber auch angespannt. Nach den Ergebnissen des KoaliƟonsausschusses der Bundesregierung, die wir in dieser Woche gehört haben, drohen unserem Land schon wieder weitere millionenschwere Mindereinnahmen. Wir müssen deshalb auch auf Landesebene stärker abwägen und priorisieren, welche Aufgaben wir überhaupt noch finanzieren können.

(Zustimmung)

Gleichwohl sehe ich persönlich bei der Schulsozialarbeit derzeit einen besonderen Bedarf und, Herr Tillschneider, auch einen besonderen Nutzen. Im Schnitstellenbereich zwischen Schülern, Eltern, LehrkräŌen sowie Jugendämtern entlasten die Schulsozialarbeiter und auch die Netzwerkstellen unsere Lehrerinnen und Lehrer; denn in dieser coronabedingt schwierigen Phase brauchen unsere Schülerinnen und Schüler derzeit besondere Unterstützung. Das haben wir im Landtag auch schon an mehreren Stellen gemeinsam festgestellt.

Die ProblemaƟk der Finanzierung haben der Vorsitzende meiner AG - vielen Dank, lieber Carsten - und ich deshalb bereits explizit beim Ministerium, im Ausschuss für Bildung und in unserer FrakƟon angesprochen. Die Sicherung der Schulsozialarbeit ist meinen CDU-FrakƟons-

kollegen und mir sehr wichƟg. Unsere Absicht ist es, die Schulsozialarbeit auf dem bisherigen Niveau weiterzuführen. Wir stehen zur Schul- sozialarbeit

(Zustimmung)

und werden diese auch weiter fördern. Im Zuge der Haushaltsverhandlungen wollen wir das Thema der Finanzierungsmodalitäten der Schulsozialarbeit deshalb noch einmal aufgreifen. - Sie wissen es, Herr Lippmann, wir haben im Ausschuss für Bildung bereits beschlossen, dass wir das Thema im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung erneut aufrufen werden.

Wir sind uns darin einig, dass Schulsozialarbeit - das habe ich der Debate entnommen - fester Bestandteil der SchullandschaŌ in Sachsen-Anhalt bleiben soll. - Vielen Dank.

(Beifall)

VizepräsidenƟn Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Redlich. Genau auf den Punkt trotz diverser Unterbrechungen. Es gibt zwei Fragen, einmal von Frau Hohmann und einmal von Herrn Dr. Tillschneider. Wollen Sie sie beantworten?

Ich höre sie mir an. Vielleicht kann ich sie beantworten, vielleicht auch nicht. Das werden wir sehen.

VizepräsidenƟn Anne-Marie Keding:

Ja. - Frau Hohmann, bite.

Recht schönen Dank, Frau PräsidenƟn. - Meine Frage ist wirklich ganz kurz. Wir haben derzeit in

Sachsen-Anhalt ca. 460 Schutzsozialarbeiterinnen und werden perspekƟvisch nur noch 380 haben. Sie sprachen davon, dass wir die Anzahl beibehalten, aber wenn ich von 460 auf 380 reduziere, dann sind es doch weniger. Oder?

Sehen Sie, darin liegt schon das Problem. Wir haben gesagt, auf Landesebene versteƟgen wir es. Wenn Sie mir zugehört häten, dann häten Sie es auch verstanden. Wir haben 380, die wir über die Landes- und EU-Mitel finanzieren.

(Zuruf: Genau!)

Diese 380 haben wir weiterhin.

(Beifall)

Sie sprachen gerade davon, dass wir mehr als 400 häten und auf 380 heruntergingen. - Nein, das wird nicht der Fall sein. Zum Beispiel mein Landkreis Mansfeld-Südharz hat 14,5 Stellen. Er wird die Zahl eventuell reduzieren müssen, aber nicht auf null. Das heißt, er wird weiterhin Stellen haben. Das heißt, auch dort, auf kommunaler Ebene, wird es weiter Stellen geben, die zusätzlich finanziert werden.

(Monika Hohmann, DIE LINKE: Wollen wir es hoffen!)

VizepräsidenƟn Anne-Marie Keding:

Vielen Dank. - Herr Dr. Tillschneider, bite.

Unser HauptkriƟkpunkt beim Thema Schul- sozialarbeit in Sachsen-Anhalt ist, dass mit dem Programm „Schulerfolg sichern“ seit dem Jahr 2008 Stellen für Schulsozialarbeiter finanziert

werden, es aber keine Wirkung hat, also die Schulabbrecherquote dadurch nicht messbar sinkt. Meine Frage lautet: Ist Ihnen irgendeine Studie bekannt, irgendeine EvaluaƟonsstudie, irgendein Versuch, um diese gefühlte Wirkung von Schulsozialarbeit festzumachen und festzustellen, woran sich ganz klar zeigt, vorher war es so, nachher war es so und nachher war es besser wegen Schulsozialarbeit? Gibt es irgend- etwas, das Sie mir sozusagen an Evidenz unterbreiten können, oder gibt es nichts?