Protocol of the Session on February 25, 2022

Noch im KoaliƟonsvertrag haben die koaliƟonstragenden FrakƟonen versprochen, sich für eine VersteƟgung der Schulsozialarbeit einzusetzen. Es wurde oŌ davon gesprochen, den Status quo in Sachsen-Anhalt zu erhalten. Mitlerweile muss man feststellen: Das wird nicht so sein.

Es ist - das muss man sagen; das haben Sie vorhin auch dargestellt - immer wieder über die Beteiligung der Kommunen gesprochen worden - abstrakt. Keine Kommune darf, selbst wenn sie leistungsfähig wäre, Geld für eine Sache einstellen, die abstrakt im Raum steht. Daher sind alle Kommunen - ich habe sehr viele Mails und Briefe bekommen; einige von Ihnen sicherlich auch - vor die SituaƟon gestellt worden, dass sie

von heute auf morgen Geld für eine Sache einstellen sollen - noch dazu für eine freiwillige Leistung -, die ihnen vorher nicht als Rechtsverpflichtung bekannt war.

(Zustimmung)

Dass das Land diesen Weg geht, finde ich wirklich skandalös vor dem Hintergrund - ich habe das vorhin schon in meiner Frage deutlich gemacht -, dass der Welt durch Herrn Finanzminister Richter mitgeteilt wurde, dass wir in einer absolut komfortablen finanziellen SituaƟon sind. Es ist ein Haushalt angekündigt worden, der ein Volumen haben soll, das es in diesem Land noch nie gegeben hat, nämlich 13,7 Milliarden € bei 1,5 Milliarden € Mehreinnahmen. Daher frage ich mich: Warum muss dann an dieser Stelle eingespart werden?

Alle Rednerinnen und Redner der demokraƟschen FrakƟonen haben deutlich gemacht, dass Schulsozialarbeit ein wesentlicher Bestandteil ist, egal ob es Schulsozialarbeit an Schule heißt oder Schulsozialarbeit in mulƟprofessionellen Teams ist. Ich finde, das ist Wortklauberei. Aber auch Sie haben gesagt, dass dies ein unverzichtbarer Bestandteil ist. Im Grunde genommen wäre es wünschenswert - so haben wir es auch schon in der letzten KoaliƟon diskuƟert -, wenn es an jeder Schule einen Schulsozialarbeiter oder eine Schulsozialarbeiterin gäbe.

(Zustimmung)

Aber was ist die Realität? - Wir müssen damit rechnen bzw. es droht, dass 80 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in diesem Land weniger am Start sind. Ich halte das wirklich für schwierig; denn Schulsozialarbeit ist nicht „nur“ die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern, sondern Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter sind auch Teil der Lösung des LehrkräŌemangels, indem sie nämlich die Lehrerinnen und Lehrer bei dem, was sie tun, unterstützen. Sie sollen nicht den Unterricht übernehmen und

keinen Unterricht machen, aber sie sollen Schule mitgestalten. Sie entlasten auf diese Weise die LehrkräŌe und sind somit Teil von Schule. So habe ich auch den Kollegen Lippmann verstanden. Das ist im Grunde genommen auch das ursprüngliche Wesen von Schulsozialarbeit.

Wir haben nicht zuletzt in der Coronapandemie gesehen, wie überlastet die Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land sind und dass Kinder gerade jetzt psychische Probleme haben, sie an vielen Stellen gefordert und allein sind und Distanz aushalten müssen. Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sind Ansprechpartner und übernehmen auch Aufgaben, die man vielleicht in einer anderen Welt Lehrerinnen und Lehrern zuordnen würde, um in einem vertrauten Umfeld täƟg werden zu können.

Wir GRÜNEN möchten an der Stelle allen, die in den letzten zwei Jahren unter schwierigen Bedingungen einen echt guten Job gemacht haben, auch den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern, Danke sagen. Wir stehen dafür, dass jede Stelle erhalten bleibt.

Ich will im Zusammenhang mit den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern an den Schulen explizit auch die Netzwerkstellen benennen. Sie sind eine wichƟge Schnitstelle zwischen den unterschiedlichen Professionen in Schule und wirken auch auf die Schulen, die keine eigene Schulsozialarbeit haben.

Auch möchte ich sehr deutlich benennen, dass wir hierbei über Menschen reden. Hinter jeder Stelle von Schulsozialarbeit steht eine Schul- sozialarbeiterin oder ein Schulsozialarbeiter. Sie sind in der schwierigen SituaƟon, dass sie jedes Jahr nicht genau wissen: Kann ich im nächsten Jahr meinen Job weitermachen? Ist meine Arbeit auf LangfrisƟgkeit angelegt?

Ich frage mich, ob Ihnen nicht bewusst war, Frau Feußner, als Sie diesen Erlass herausgehauen

haben, dass Menschen dahinterstehen, die einen wirklich wichƟgen Job machen, sich selbst ernähren müssen, Familien haben und dann von heute auf morgen dastehen und vielleicht ihre Arbeit verlieren. Das finde ich nicht akzeptabel.

(Unruhe)

Dies finde ich nicht nur vor dem Hintergrund der Mehreinnahmen nicht akzeptabel, sondern ich finde es auch nicht akzeptabel vor dem Hintergrund, dass wir in der Keniaregierung - ich selbst war Teil des KoaliƟonsausschusses - sehr lange darum gerungen haben, wie wir die Schulsozialarbeit in diesem Land weiter finanzieren können. Dabei standen unterschiedlichste Faktoren im Raum: Wird die EU überhaupt noch weiter finanzieren? Denn in anderen Förderbereichen ist es eigentlich sehr unüblich, dass der gleiche Fördertatbestand über eine so lange Zeit weiter gefördert wird. Können wir die Kommunen mit ins Boot holen? Ist das zumutbar? Wie wird der Landeshaushalt aussehen? - Darüber sind heŌige Diskussionen geführt worden.

Da wir solche Ungewissheiten haten - das ist auch von den Vorrednerinnen und Vorrednern beschrieben worden -, haben wir uns damals sehr bewusst darauf verständigt, dass wir die gesamte Summe für die Schulsozialarbeit auf der Grundlage des Beschlusses aus dem Jahr 2018 als VerpflichtungsermächƟgung einstellen. Wir haben gesagt: Dazu stehen wir. Das ist unser gemeinsamer Beschluss. Schulsozialarbeit soll auf dem Niveau des Jahres 2018 erhalten bleiben. - Es ist biter, dass es jetzt, da wir vor einer so komfortablen finanziellen SituaƟon stehen, nicht dazu kommen soll.

Wir GRÜNEN werden uns dieser Entwicklung entgegenstellen. Wir begrüßen sehr, dass zumindest die SPD-FrakƟon sehr deutlich signalisiert hat - so habe ich es wahrgenommen -, dass es zu dieser SituaƟon nicht kommen wird.

Ich bite aber auch darum, dass wir in der Diskussion mehr Ehrlichkeit an den Tag legen. Ich

habe mit den Kommunen gesprochen, in Dessau, in unserem eigenen Jugendhilfeausschuss. Kollege Bernstein, unterhalten Sie sich einmal mit den Leuten! Wir sind ja, wenn ich das so sagen darf, in einer gemeinsamen kommunalpoliƟschen FrakƟon. Dort ist dieser Fakt komplet anders diskuƟert worden.

(Zustimmung)

Im Januar haben wir den Brief bekommen. Unser Haushalt ist komfortabel und er ist ferƟg. Möglicherweise häte Dessau den Eigenanteil sogar stemmen können, aber nicht wenn der Haushalt schon bestäƟgt ist und vorliegt. Die ganze Herangehensweise zeugt von einer Ignoranz der WichƟgkeit von Schulsozialarbeit, die ich für meine FrakƟon deutlich von mir weise.

(Zustimmung)

Abschließend will ich noch einen Satz sagen, durchaus auch selbstkriƟsch. Wir häten in der letzten KoaliƟon nicht nur die VerpflichtungsermächƟgung einstellen, sondern auch - da bin ich bei der Kollegin Pähle, die das vorhin sehr deutlich gesagt hat - das eigene Landesprogramm vollziehen sollen. Das steht jetzt auf der Agenda, um ein für alle Mal klare Rahmenbedingungen für Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt zu schaffen. Wir GRÜNEN stehen dafür zur Verfügung. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

VizepräsidenƟn Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Lüddemann. - Herr Dr. Tillschneider möchte eine IntervenƟon realisieren.

Ja - ich habe es jetzt gelernt -, eine IntervenƟon. - Frau Lüddemann hat in ihrer Rede betont von den demokraƟschen FrakƟonen gesprochen

und damit nicht die AfD gemeint. Ich habe das schon häufiger bei Ihnen und auch bei anderen bemerkt. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie das jetzt so gesagt haben; denn damit zeigen Sie, dass wir hier fünf FrakƟonen haben, die einen Block bilden und sich kaum noch unterscheiden, und dass es daneben die AfD gibt. Gäbe es die AfD nicht, wäre hier nur noch Volkskammer. Wir machen aus diesem Parlament eine DemokraƟe.

(Lachen und Zustimmung - Zurufe)

VizepräsidenƟn Anne-Marie Keding:

Frau Lüddemann.

Ich finde das sehr bemerkenswert. Es ist jetzt kurz nach 12 Uhr. Heute früh um 9:30 Uhr haben wir über einen gemeinsamen Antrag von fünf FrakƟonen dieses Hauses debaƫert. Fünf FrakƟonen dieses Hauses haben diesen Antrag mit unterschiedlichen Nuancen für gut befunden. Fünf FrakƟonen dieses Hauses haben diesen Antrag gemeinsam abgesƟmmt. Wenn Sie erst jetzt auf die Idee kommen, dass Sie hier der Außenseiter sind und eigentlich nicht dazuge- hören, dann wachen Sie endlich auf!

(Beifall)

VizepräsidenƟn Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Lüddemann. - Den Schluss macht Herr Redlich für die CDU-FrakƟon.

Ich habe das jetzt schon ein paar Mal gesehen. Von hier vorn sieht es komisch aus, wenn sich Leute recken und strecken, als wenn sie gerade erst aufgestanden wären. Ich habe das jetzt quer durch das Haus verfolgt. Vielleicht sollte

man sich das wirklich überlegen. - Herr Redlich, bite.

(Zurufe)

Werte Frau PräsidenƟn! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schulsozialarbeit ist und bleibt in Sachsen-Anhalt ein festes Unterstützungsangebot an Schulen. Die RegierungskoaliƟon übernimmt Verantwortung. Wir stehen für Schulsozialarbeit und werden diese weiter fördern. Wir erkennen auch die Leistungen der Schulsozialarbeiterinnen und der Schulsozialarbeiter an. Wir wissen, dass es um Menschen geht. Das ist aber nicht der Punkt dieser Debate. Vielmehr geht es darum: Die Schulsozialarbeit ist ein Teil der Kinder- und Jugendhilfe und damit originäre Aufgabe der Kommunen.

Die von der EU und dem Land geförderte Schulsozialarbeit wurde in der vergangenen Legislaturperiode dessen ungeachtet von 200 auf 380 Stellen angehoben. Dadurch sichert das Land derzeit den größten Teil der vorhandenen Stellen in der Schulsozialarbeit.

(Zustimmung)

Wir als KoaliƟon setzen uns auch weiter dafür ein, dass die bereits geförderten Schulsozialarbeiterstellen versteƟgt werden. Genau das setzt auch das Bildungsministerium derzeit um, weder mehr noch weniger. Auf Landesebene waren es 380 Stellen und auf Landesebene sind es auch jetzt wieder 380 Stellen. Das Land hat sich in der letzten Legislaturperiode mit 20 % an den Kosten beteiligt und das Land beteiligt sich derzeit weiterhin mit 20 % an den Kosten. Das sind die nüchternen Fakten, die wir hier auf dem Tisch haben.

In dieser Aktuellen Debate verfälscht deshalb schon der Titel „Erst tendenziell mehr und nun

doch ganz sicher weniger Schulsozialarbeit - das Land zieht sich aus der Verantwortung“ aus meiner Sicht in unangemessener Weise die bestehende Sachlage. Das Land zieht sich eben nicht aus der Verantwortung.

(Zustimmung)

Das Land versteƟgt das, was wir auch vorher schon geleistet haben. Wir müssen auch sehen, dass dies eigentlich ein Haupteil einer kommunalen Aufgabe ist.

(Zuruf: Oh!)

Die anvisierte Förderpraxis der Schulsozialarbeit stellt auch nicht die Umsetzung des Landeskonzepts zur MulƟprofessionalität an den Schulen in Sachsen-Anhalt infrage, wie Sie in der Begründung zu dem Antrag ausführen; denn das Leistungsangebot der über den ESF geförderten Schulsozialarbeit entspricht weiterhin genau den Fachempfehlungen des Konzepts. In dem Konzept wird auch eine Stellenanzahl genannt. Es sind 380 Stellen.

Schulsozialarbeit ist eine Unterstützungsleistung für Kinder und Jugendliche an den Schulen. Schulsozialarbeit ist aber auch ein Baustein, um unsere LehrkräŌe von unterrichtsfremden TäƟgkeiten zu entlasten. Insofern - Herr Tillschneider, darin haben Sie nicht ganz recht - drückt der Begriff „Schulsozialarbeit“ genau das aus, was sie ist: soziale Arbeit an der Schule.

Schulsozialarbeit erfüllt damit aber auch wichƟge Aufgaben, die sich nicht ausschließlich dem Landes- oder dem kommunalen Handlungsbereich zuordnen lassen. Deshalb ist es richƟg und wichƟg, dass wir Schulsozialarbeit auch über das Land weiter fordern und fördern.