Auch wir in Ostdeutschland haben es gewagt, unser Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, und die Besatzungstruppen zum Gehen aufgefordert. Ich bin dem Ministerpräsidenten für seine Worte sehr dankbar. Als Erster Vizepräsident des Bundesrats vertrit er derzeit ein oberstes Bundesorgan. Allein schon deshalb ist es mehr als angemessen, dass er zu dieser besorgniserregenden außenpoliƟschen Lage hier bei uns im Parlament Stellung bezogen hat.
Wir verfügen im Landtag über keine besonderen außenpoliƟschen Zuständigkeiten, aber wir setzen hier auf dem demokraƟschen Wege Recht um und wir werben regelmäßig mit der Einigung Europas. Wir hegen keinerlei Groll gegen die Menschen in Russland. Im Gegenteil: Wir wollen friedlichen Austausch und Handel mit ihnen treiben. Aber wir müssen ihnen heute ganz klar sagen: Der Geist des Rechts Europas und der DemokraƟe wird durch eine gänzlich ungerechƞerƟgte Aggression seitens der russischen Führung auf das Gröbste verletzt, meine Damen und Herren.
Ich habe allergrößte Hochachtung für die Tausenden Russinnen und Russen, die sich trauen, gegen diesen Willkürakt Wladimir PuƟns zu
Ihr Mut ist Ausdruck der Würde des russischen Volkes. Er wird ihnen die notwendige KraŌ verleihen, wenn es eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages nach dem Ende des PuƟn-Regimes auf diese beschämende Zeit zurückblickt, meine Damen und Herren.
Dass dieser große Mut überhaupt notwendig ist, ist wohlmöglich der augenscheinlichste Unterschied zwischen dem heuƟgen russischen Staatswesen und unserer freiheitlichen GesellschaŌsordnung. Gegen unsere SicherheitskräŌe kann man öffentlich protesƟeren, wie abstrus die Begründung dafür auch sein mag. Sie werden sie dennoch dabei beschützen und genau dieses Recht verteidigen.
Ja, über die Eignung von SankƟonen kann man akademisch streiten. Dennoch besteht immerhin eine durchaus berechƟgte Hoffnung, dass schon die Ankündigung von SankƟonen die Kosten-Nutzen-Rechnung einer potenziellen Aggression ändert. Diese Wirkung kann man freilich nur dann erwarten, wenn diese Ankündigungen im Misserfolgsfall auch tatsächlich umgesetzt werden.
In dieser Woche sterben Menschen in der Ukraine durch kriegerische Gewalt. Innerhalb von 24 Stunden sind es augenblicklich bis zu 200 Ukrainer; und es werden mehr werden. Das müssen wir uns alle vor Augen halten. Da verbietet es sich an und für sich, zu beziffern oder gar zu beklagen, welche Auswirkungen SankƟonen auf unseren Wohlstand in Sachsen-Anhalt haben werden. Aber ja, wir müssen bereit sein, diese
zu akzepƟeren. Denn seien wir ehrlich: Es bleiben ansonsten nicht viele Einwirkungsmöglichkeiten, um einer solchen Willkür mit mehr als Solidaritätsadressen zu begegnen.
Gegenüber Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet sind wir in Deutschland reserviert. Schon gar nicht werden wir oder unsere Verbündeten in einen Krieg gegen das hochgerüstete, atomar bewaffnete Russland eintreten, solange wir nicht dazu gezwungen sind, uns zu verteidigen.
Deshalb sind die Bedrohungsszenarien, die von der russischen Führung an die Wand gemalt werden, im Übrigen so dermaßen absurd. Präsident PuƟn mit seinem Geheimdiensthintergrund dürŌe dies völlig klar sein.
Es ist aber auch völlig klar, dass sich Präsident PuƟn im Vorfeld offensichtlich gut mit der chinesischen Führung abgesprochen hat. Auch denjenigen, die hierzulande bereitwillig glauben, sollte das spätestens dann bewusst werden, wenn er einer freien NaƟon wie der Ukraine, einem so souveränen Land seine ExistenzberechƟgung abspricht.
Die einzige Gefahr, die Wladimir PuƟn, ausgehend von der Ukraine und von uns in der westlichen Welt, zu befürchten hat, ist die Angst vor dem russischen Volk, meine Damen und Herren, davor, dass es durch unser gemeinsames Beispiel zu einer gefährlichen Erkenntnis gelangen könnte, nämlich dass es seine poliƟsche Führung aus dem Amt drängen können sollte, wenn es sie nicht mehr für tauglich hält.
Dem Großteil der Russen ist durchaus bewusst, dass sie und ihr Land von der Elite um PuƟn ausgeplündert werden. Der Rausch imperialen Stolzes, den die russische Propaganda nun vielleicht fabrizieren mag, wird das nicht länger übertünchen können. Denn viel mehr hat Wladimir PuƟn den ganz normalen Menschen in Russland nicht zu bieten.
Sie haben von diesem Krieg nichts als Leid zu erwarten. Diese Art GroßmachtpoliƟk kostet im günsƟgsten Fall nur Unsummen an Steuergeld und junge Soldaten mit Blut an den Händen, die im schlechtesten Fall in Zinksärgen in ihre Heimat zurückkehren, meine Damen und Herren.
Ich glaube, es war richƟg, dass Deutschland und die Verbündeten der russischen Führung den Verhandlungsweg offengehalten haben - auch wenn sie überdeutlich einen Angriffskrieg vorbereitete und dreist, aber unbeholfen einen Kriegsgrund konstruierte. Obwohl die diplomaƟschen Bemühungen bedauerlicherweise gänzlich ohne Erfolg blieben, ist es genauso richƟg, dass diese Tür einen Spalt offenbleibt, meine Damen und Herren.
Es gibt nur einen Weg, diese Aggression zu beenden, ohne sich ihrer Logik zu ergeben. Das ist der Rückzug der russischen Truppen und des russischen Marionetenregimes in der Ostukraine, meine Damen und Herren.
Leider ist die Wahrscheinlichkeit dafür nicht sonderlich hoch. Unter diesen Umständen ist es jetzt - unabhängig von dem Thema SankƟonen - nicht zu rechƞerƟgen, Nord Stream 2 ans Netz gehen zu lassen. Wladimir PuƟn hat eine poliƟsche Neubewertung des Projekts erzwungen.
Offenkundig führt er ein Staatswesen, das bereitwillig militärische Gewalt gegen ein fried- liches Nachbarland einsetzt. Ich persönlich häte mir nie vorstellen können, dass Wladimir PuƟn tatsächlich die Souveränität der Ukraine infrage stellt. Für mich war das bis vorgestern unvorstellbar.
Die wenigsten von uns werden sich jemals der Illusion hingeben, dass Wladimir PuƟn Russland zu einem liberalen Utopia machen wollte. Dennoch haben wir unterstellt, dass die russische Führung grundsätzlich den Prinzipien raƟonalen Handels folgt. Die Realität dieser Tage ist für mich wie für uns alle, die die deutsch-russischen Beziehungen grundsätzlich stets mit gutem Willen betrachtet haben, deshalb äußerst ernüchternd.
In kurzer Zeit ist nun sehr viel Vertrauen zerstört worden. Der Weg, dieses Vertrauen wiederherzustellen, ist erfahrungsgemäß leider viel länger. Den ersten großen Schrit muss nun die russische Führung machen: Stoppen Sie diesen Krieg sofort und ohne Vorbedingungen! - Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Danke, Herr Silbersack. Herr Tillschneider möchte eine Frage loswerden. Wollen Sie diese beantworten?
Eine ganz kurze Frage. Die der FDP nahestehende Friedrich-Naumann-SƟŌung hat ja schon so manchen fragwürdigen Putsch unterstützt. Nach Ihrer Rede frage ich Sie daher: Sind Sie in Russland auch schon im GeschäŌ?
(Lachen - Zurufe: Oh! - Was haben Sie für ein Problem? - Mann, Mann, Mann! - Wie geil ist das denn? - Unruhe)
Herr Präsident! - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es herrscht Krieg in Europa. Menschen leiden. Menschen sterben. Ich hate gehoŏ, nie in die SituaƟon kommen zu müssen, meinen Kindern zu erklären, was nun gerade passiert.
Die Ukraine steht spätestens seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 in ihrer Souveränität und Sicherheit unter Druck. Der am gestrigen Morgen begonnene Angriffskrieg des PuƟn-Regimes auf einen freien und souveränen europäischen NaƟonalstaat sprengt aber nicht nur die Ukraine, sondern auch unsere europäische Friedens- und Sicherheitsordnung, ja, weltweite Gewissheiten.
PuƟn spricht der Ukraine die Existenz als NaƟon ab. Er will das Land von der Landkarte fegen. Als er sich mit Macron getroffen hate, hat er zu Präsident Selenskyj gesagt: „Ob's dir gefällt oder nicht, du wirst dich fügen müssen, meine Schöne.“ Diese VergewalƟgungsandrohung bedarf keiner InterpretaƟon mehr. Das ist eindeuƟg. Das ist klar.
Unsere Solidarität gilt deshalb dem ukrainischen Volk und der demokraƟsch gewählten ukrainischen Regierung unter Präsident Selenskyj,
Bereits die Annexion der Krim und die de facto russische Besetzung der sogenannten Volksrepubliken im Osten waren Angriffe auf die territoriale Integrität der Ukraine. Die Anerkennung der russischen Stellvertreter-Regime durch PuƟn als unabhängig, mit anschließendem Einmarsch militärischer KräŌe, ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts.
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg, der gestern Morgen durch PuƟn gestartet wurde, ist ein Verbrechen - ein Verbrechen, das man dem Mann im Kreml und seiner korrupten Machtelite nicht durchgehen lassen darf.
PuƟns Handeln hat zum Bruch aller völkerrechtlichen Vereinbarungen geführt, die Russland in den letzten Jahrzehnten eingegangen ist. Neben der Verletzung der Charta der VN negiert Russland mit seinen massiven EskalaƟonen die Schlussakte von Helsinki der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die Pariser Charta zum Ende der Teilung Europas im Kalten Krieg, das Budapester Memorandum zum Nuklearwaffenverzicht der Ukraine gegen die GaranƟe ihrer Souveränität sowie die Minsker Vereinbarung zur DeeskalaƟon und Befriedung der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine.
Wladimir PuƟn hat aus seinen Vorstellungen nie wirklich einen Hehl gemacht. In einem Aufsatz über die historische Einheit der Russen und der Ukrainer aus dem Juli des vergangenen Jahres hat er die Existenz einer souveränen Ukraine verleugnet. Das Land sei - ich ziƟere - ganz und gar und durch und durch ein Geschöpf der Sowjetära. Seine Existenz sei ein historischer Fehler
der Bolschewiki und im Konkreten Lenins, der nun im Zuge eines wiederentstehenden großrussischen Reiches behoben werden müsse. Das im Jahr 1924 im Rahmen der sowjeƟschen Verfassung etablierte BesƟmmungsrecht der sowjeƟschen Teilrepubliken zur Unabhängigkeit sei eine - Zitat - Zeitbombe gewesen, die ihre zerstörerische Wirkung nach dem Machtverlust der KPdSU enƞaltet habe.
PuƟn entwickelt in seinem Aufsatz die Erzählung einer organischen russischen NaƟon, die Anspruch auf einen historisch definierten Raum habe. Dies ist letztlich eine völkische Blut- und Bodenideologie, die auch die Begeisterung deutscher PuƟn-Lakaien und Rechtsextremer für den Mann im Kreml erklären könnte; man steht auf einem gemeinsamen von Alexander Dugin geschaffenen ideologischen Grund.