Was folgt daraus für die Energiepolitik? Was kann zur Unterstützung der Windenergiebranche auf Bundes- und Landesebene getan werden?
Erstens. Wir brauchen eine Bund-Länder-Strategie - wie sie auch Niedersachsen haben will -, die aufzeigt, wie Flächen für die Windenergienutzung verlässlich ausgewiesen werden. Wir brauchen dabei ein klares Bekenntnis zum 65%-Ziel im Bereich der erneuerbaren Energien bis 2030, das dann auch der Landesplanung zugrunde gelegt werden kann. Dabei müssen die vielfältigen Interessen sowie regionalplanerische und ökologische Kriterien berücksichtigt werden.
Zweitens. Wir brauchen eine Flexibilisierung der Abstandsregelungen. Ohne verfügbare Flächen lassen sich die Ausbauziele nicht erreichen. Pauschale Abstandsregelungen wie zum Beispiel der 1 000-m-Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Altmaier sind kontraproduktiv. Darüber sind wir uns im Kabinett einig.
Wir wollen, dass es in Sachsen-Anhalt weiterhin möglich ist, Anlagen mit kürzeren Abständen zu genehmigen. Wir machen das hier im Land Sachsen-Anhalt bereits. Deshalb werden wir auch die im Bundesgesetz geplante Öffnungsklausel nutzen. Es kann - das an dieser Stelle als Anmerkung - nicht sein, dass jahrelange regionale Planungsprozesse völlig umsonst gewesen sind. Das hat der Oberbürgermeister für seine Regionalplanungsgemeinschaft in der letzten Woche anschaulich dargestellt. Sie haben fünf Jahre gebraucht, um das Einvernehmen für die Standorte zu bekommen. Das wäre mit einem Schlag wieder weg und man würde wieder in eine neue Planungsphase gehen.
Drittens. In den nächsten Jahren haben Windräder der ersten Generation ausgedient. Neue bringen mehr Leistung, sind aber höher. Wir brauchen schnellere und entschlackte Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen, vor allen Dingen im Zusammenhang mit Repowering. Wir brauchen auch Recycling. Dafür müssen wir wieder ein neues Know-how entwickeln. Oder wollen wir die Anlagen für diese tolle Energie zum Beispiel nach wie vor in der Wüste verbuddeln? - Wir brauchen auch dafür neue, innovative Ideen.
Zu diesem Themenkreis hatte das Wirtschaftsministerium schon vor der Ankündigung des massiven Stellenabbaus bei Enercon zu einem runden Tisch mit dem MULE und dem MLV für den 28. November 2019 eingeladen. Dieser Weg muss dringend weiterverfolgt werden.
Viertens. Wenn geklagt wird, dann vor allem wegen Aspekten des Artenschutzes. Wir müssen daher naturschutzrechtliche Vorgaben standardisieren. Dazu muss das Land in einem ersten Schritt mit Interessentretern und Verbänden Standards und Qualitätsmaßstäbe festlegen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Nun möchte ich aber auch dezidiert als Arbeitsministerin sprechen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen heute vor dem Landtag gegangen ist. - Ich habe mich zuerst gefreut, dass wenigstens ein paar Gewerkschaftsfahnen zu sehen waren. - Aber es war die GEW.
Ich habe keine IG-Metall-Fahnen gesehen, ich habe keine Betriebsräte gesehen, ich habe keine Beschäftigten von Enercon gesehen. Woran liegt denn das?
(Zuruf von der AfD: Sagen Sie es uns! - Robert Farle, AfD: Ja, erzählen Sie mal! - Weitere Zurufe von der AfD)
- Nein, weil das die Philosophie von Enercon ist. - Ich habe hier schon einmal gestanden und habe schon einmal darüber geredet, als ein Betriebsratsvorsitzender von Enercon ausgeschlossen worden ist. Die Angst hält die Menschen davon ab, auf den Domplatz zu gehen, die Angst, ihren Beschäftigungsplatz noch früher zu verlieren, die Angst für ihre Mitarbeiter, dass es vielleicht doch nicht zu einem Sozialplan kommt. Das ist es, warum Enercon-Mitarbeiter heute hier nicht stehen.
Ich habe zumindest den Ministerpräsidenten an meiner Seite, wenn es darum geht, dagegen vorzugehen, dass Sachsen-Anhalt ein Land ist, in dem es wenig Mitbestimmung in den Betrieben gibt, in dem es noch immer nicht möglich ist, in jedem Unternehmen einen Betriebsrat zu haben, in dem es noch immer Firmenphilosophie ist, das zu unterbinden. - Aber das hilft den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern heute auch nicht weiter.
Wirtschaftsminister Willingmann, Umweltministerin Dalbert, Oberbürgermeister Trümper und ich haben am Montag dieser Woche ein Gespräch mit der Geschäftsführung von Enercon geführt. Dabei wurden wir darüber informiert, dass Enercon sich aufgrund der veränderten Marktlage in einem grundlegenden Restrukturierungsprozess befinde und in Magdeburg vor allem die Arbeitsplätze in der Rotorblattfertigung wegfallen würden. Dieser Produktionszweig kann nach Darstellung der Enercon-Geschäftsführung in Deutsch
Gleichzeitig hat sich die Enercon-Geschäftsführung aber auch klar zum Erhalt wichtiger Geschäftszweige geäußert. Darum, Herr Farle, geht es nämlich, dass wir nicht weitere Industriearbeitsplätze verlieren wollen. Wir wollen nämlich den Generatorenbau und all das, was im Gondelbau gebraucht wird, hier in Magdeburg noch erhalten.
Das sind rund 2 000 Arbeitsplätzen in Magdeburg. Es wäre ein wichtiges Signal für Magdeburg und Sachsen-Anhalt, dass diese Industriearbeitsplätze hier bleiben.
Ich hatte - auch wenn das auch für mich sehr emotional ist - in dem Gespräch zumindest den Eindruck, dass die Geschäftsführung von Enercon den Beschluss zur Aufgabe der Rotorblattfertigung nicht leichtfertig gefasst hat.
Ich möchte aber auch nicht verhehlen, dass das Geschäftsmodell von Enercon und der bislang wenig sozialpartnerschaftliche Umgang mit den Beschäftigten nach meiner festen Überzeugung mit zu der aktuellen Krise beigetragen haben. Enercon hat nämlich ein Geschäftsmodell aufgebaut, bei dem große Teile der Produktion auf Partnerfirmen ausgelagert wurden, die unternehmensrechtlich nicht zum Enercon-Konzern gehören, aber vollständig von Enercon-Aufträgen abhängen. Dies ist zum Beispiel auch bei den drei in Magdeburg betroffenen Firmen, die Rotorblätter für Enercon herstellen, der Fall. Diese Firmen sind rechtlich selbstständig und haben nach Wegfall der Enercon-Aufträge keine Überlebenschance. Das ist ihnen auch schon mitgeteilt worden. Das betrifft Aufträge im März 2020 und im September 2020.
Deshalb war es mir sehr wichtig, dass Enercon auch für die Beschäftigten dieser Firmen Verantwortung übernimmt, selbst wenn diese formal keine Enercon-Beschäftigten sind. Ich habe daher diese Frage in dem Gespräch mit der Geschäftsführung thematisiert und konnte hierzu ein klares Bekenntnis der Geschäftsführung zu ihrer Verantwortung erreichen. Enercon hat zugesichert, dass das Unternehmen die Partnerbetriebe für die stornierten Aufträge angemessen entschädigen wird, damit diese ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Beschäftigten, zum Beispiel im Rahmen von Sozialplanverhandlungen, nachkommen können.
Ich denke, das ist eine gute Grundlage für die anstehenden Verhandlungen auf betrieblicher Ebene. Wir nehmen Enercon beim Wort und werden darauf dringen, dass Enercon diese Zusage einhält.
Man muss an dieser Stelle sehen, dass diese besondere Unternehmensstruktur auch geschaffen wurde, um direkte Verantwortung für Beschäftigte zu umgehen und Mitbestimmung durch die Beschäftigten weitgehend zu verhindern. Das ist aus meiner Sicht ein großer Fehler. Nach meiner Überzeugung würde das Unternehmen heute besser dastehen, wenn die Geschäftsführung die Sozialpartner und die Beschäftigten früher eingebunden hätte und wenn auf gemeinsame Strategien zur Bewältigung der neuen Herausforderungen gesetzt worden wäre. Auf jeden Fall hätte damit aber der jetzt notwendige Umstrukturierungsprozess aufseiten der Beschäftigten langfristiger und für alle Seiten schonender ablaufen können. Ich hoffe, dass Enercon bei der jetzt stattfindenden Neuaufstellung des Unternehmens entsprechende Veränderungen vornimmt.
Wichtig ist mir nun aber vor allem, dass wir die Abwicklung der Arbeitsplätze in der Rotorblattfertigung gut begleiten und den betroffenen Kolleginnen und Kollegen schnell Sicherheit und eine gute berufliche Perspektive in der Region bieten können. Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht. Viele Unternehmen suchen händeringend Arbeitskräfte. Allein im Agenturbezirk Magdeburg sind derzeit mehr als 7 000 offene und sofort besetzbare Arbeitsplätze gemeldet, davon mehr als 1 100 im produzierenden Bereich. Hier kommt es nun darauf an, für jeden Einzelnen der Betroffenen eine gute Lösung zu finden. Die Agentur für Arbeit in Magdeburg ist darauf vorbereitet.
Die Betriebsräte und Geschäftsführungen sind bereit und diskutieren darüber, wie man miteinander Sozialplanverhandlungen aufnehmen kann. Denkbar ist zum Beispiel auch eine Bildung von Transfergesellschaften, in denen die betroffenen Arbeitnehmerinnen auf eine neue Beschäftigung vorbereitet und bei Bedarf auch entsprechend qualifiziert werden können.
Ob dies sinnvoll und notwendig ist, werden die nächsten Wochen zeigen. Nun müssen die Betriebsparteien und die Agentur für Arbeit erst einmal gemeinsam die Lage in den Unternehmen analysieren und daraus ein Maßnahmenpaket schnüren, mit dem den betroffenen Beschäftigten am besten geholfen werden kann.
Ich jedenfalls habe mir fest vorgenommen, zusammen mit dem Oberbürgermeister der Stadt jeden Schritt von Enercon aktiv zu begleiten und überall dort, wo ich unterstützen und helfen kann, das auch zu tun. Ich hoffe sehr, dass uns alle hier
Vielen Dank, Frau Ministerin. Es gibt bereits vier Wortmeldungen, und zwar von dem Abg. Herrn Harms, dem Abg. Herrn Roi, dem Abg. Herrn Höppner und dem Abg. Herrn Thomas.
Bevor ich dem ersten Redner das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler des Professor-Friedrich-Förster-Gymnasiums in Haldensleben recht herzlich hier im Hohen Hause zu begrüßen. Herzlich willkommen!
Frau Ministerin, wir Altmärker stehen vor jedem Windrad, von denen auch in der Altmark viele stehen, voller Hochachtung vor dieser technologischen Meisterleistung
und auch vor der Leistung jener, die diese Windräder entwickelt, weiterentwickelt und nahezu perfektioniert haben, sowie jener, die diese bauen. Ich nehme mit Erstaunen zur Kenntnis, dass Sie die Meinung des Kabinetts mitgeteilt haben. Bisher bin ich davon ausgegangen, es sei die Einzelmeinung einer Ministerin. Zu dem Thema Abstände ist schon sehr viel gesagt worden, deshalb möchte ich das hier gar nicht vertiefen. Das wundert mich nur ein bisschen.
Aber bei aller Hochachtung möchte ich mich auch tief verneigen vor Ihnen dafür, dass Sie angesprochen haben, dass es dabei ungeklärte Probleme mit den Windrädern gibt, die eines Tages dann auch einer sinnvollen Entsorgung zugeführt werden müssen. Sie sprachen vom Verbuddeln in der Wüste. Ich möchte Sie bitten, die Frage mitzunehmen, wann denn nun endlich die Probleme mit den Altlasten der Erdölindustrie geklärt werden. Wir erinnern uns: Das war ein Parteitagsprojekt aus einer anderen Zeit.
- Ja, das sind alles Parteitagsprojekte, wunderbar. - Ich möchte endlich eine Antwort auf die Frage haben, wann die Bevölkerung in der Altmark auch einmal erfährt, wie das mit einer Abfallgrube ist, die für den geringsten Abfall geeignet ist.
Wissen Sie, Herr Abg. Harms, das ist genau das, was die Mitarbeiter meinen, wenn sie draußen unseren Reden zuhören und sagen: Die reden an unseren Problemen vorbei.