Protocol of the Session on November 21, 2019

Wenn man sich die letzten Jahre anschaut, dann sieht man, dass nur bei 34 bis 38 % der Verdachtsfälle festgestellt werden konnte, dass keine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Bei weiteren 32 bis 36 % der Verdachtsfälle wurde zwar keine Kindeswohlgefährdung festgestellt, aber es wurden andere gravierende Hilfebedarfe festgestellt. Allerdings wurde bei 26 bis 30 % der Verdachtsfälle tatsächlich eine latente oder akute Kindeswohlgefährdung gefunden - und das in fast jedem dritten Verdachtsfall. Ich glaube, da sind wir uns fraktionsübergreifend absolut einig: Jeder Fall ist ein Fall zu viel.

Der Anstieg der Zahl der Meldungen über Kindeswohlgefährdungen bedeutet aber auch, dass eine steigende Anzahl an Kindeswohlgefährdungen aufgedeckt worden ist; und das ist wichtig. In der Antwort der Landesregierung zu den Abfragen der örtlichen Träger der Jugendhilfe wurde aber deutlich, dass der Anstieg auch ein Indiz für eine gerade in jüngster Vergangenheit deutlich angestiegene gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung

beim Thema Kinderschutz sein könnte. Dazu haben eben auch diese gesetzlichen Regelungen beigetragen.

Nicht zuletzt spürt man hier auch das Wirken der lokalen Netzwerke Kinderschutz und Frühe Hilfen, die das Kinderschutzgesetz des Landes umsetzen. Die Aufmerksamkeit bei Institutionen und Professionen sowie in der Bevölkerung ist deutlich erhöht worden. Auch das ist aus den Antworten auf die Anfrage hervorgegangen.

Meine Damen und Herren! Ersichtlich wird aber auch immer noch, dass es nach wie vor große regionale Unterschiede in den Strukturen der Ämter im Lande und damit auch der Netzwerke gibt. Das bedeutet, dass wir darüber im Ausschuss dringend reden müssen.

Einen Aspekt möchte ich noch besonders erwähnen. Ein Teil der Jugendämter und Netzwerke gab an, dass die Zusammenarbeit mit dem eigentlichen engen Partner Schule eher nicht, nicht gut

oder gar nicht vorhanden ist. Das sollte uns sehr zu denken geben. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke. Ich sehe hierzu keine Fragen. - Deswegen können wir in der Diskussion vorangehen. Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun noch einmal die Abg. Frau Hohmann. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf einige wenige Ausführungen meiner Kolleginnen eingehen.

Zu unserer Sozialministerin. Es ist klar, dass in dem Abschlussbericht natürlich die Dinge stehen, die auch in der Landesverfassung stehen. Aber es fehlten Aussagen zu der Frage, welche Wirkungen die verfassungsgemäßen Kinderrechte im Land hatten. Deshalb legen wir in Punkt 2 unseres Antrages Wert darauf, zu erfahren, wie sich das hier entwickelt hat. Ich habe vernommen, dass der Antrag im Sozialausschuss mitberaten werden soll. Ich denke, da wird dann auch Zeit sein, das Ganze näher zu beleuchten.

Ja, die Zahl der Inobhutnahmen steigt ständig. Das hat auch der letzte Bericht des Landesrechnungshofes noch einmal nachhaltig und eindrücklich gezeigt. Hier hätte ich mir gewünscht, dass wir gerade für Alleinerziehende - weil wir festgestellt haben, dass über 50 % der in Obhut Genommenen Kinder von Alleinerziehenden sind - einen Maßnahmenkatalog für unsere Kinder in Sachsen-Anhalt erarbeitet hätten. Dies ist im Sozialausschuss abgelehnt worden. Ich hätte mir gewünscht, dass wir dann, wenn wir so etwas feststellen, wirklich ganz konkrete Maßnahmen aufzeigen und nicht nach dem Prinzip verfahren: Wir sprechen mal darüber und dann gucken wir mal, wohin uns dies führt.

Herr Krull, ich fand die Erwähnung durch Sie positiv, dass wir das Ziel haben, bei den U-Untersuchungen bei Schuleintritt die Quote von 100 % zu erreichen; das ist ein sehr erstrebenswertes Ziel, bei dem Sie mich auf Ihrer Seite haben; denn auch ich denke, dass hier noch Luft nach oben ist.

Zu Herrn Rausch. Ich kann Ihnen nur eine Fortbildung in Sachen Kinderrechte anbieten. Ich kann Ihnen Adressen heraussuchen, bei denen man sich informieren kann. Das, was Sie hier vorgetragen haben, war nichts weiter als Gestammele und hat überhaupt nichts mit dem Thema zu tun gehabt.

Dann komme ich zu Frau Dr. Späthe. Es ist richtig, dass wir im Jahr 2014 die Kinderrechte in die Landesverfassung geschrieben haben. Ich weiß,

dass sich damals auch die Frau Ministerin engagiert hatte. Aber wenn wir den Gedanken zu Ende führen, dann wissen Sie, dass es eine Parlamentsreform gegeben hat und dass wir zu diesem Zeitpunkt ein Kinder- und Jugendbeteiligungsgesetz aufgelegt haben und dass wir genau aus diesem Kinder- und Jugendbeteiligungsgesetz diese Kinderrechte eins zu eins in die Landesverfassung übernommen haben. Es haben also alle mitgewirkt. Wenn man so etwas sagen möchte, dann sollte man auch alle mitnehmen, nicht nur einzelne Personen.

Und noch einmal der Hinweis: Als wir den Antrag schrieben, war uns das alles natürlich klar und wir haben dabei auch den Bericht der Bund-LänderArbeitsgruppe gesehen. Aber da wir an dem Bericht nicht mitgearbeitet haben, wissen wir nicht, wie sich das Land Sachsen-Anhalt positioniert. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt.

Heute haben wir erfahren, dass die Frau Ministerin ihre Zusage signalisiert hat. Aber letztendlich steht die Zustimmung des Koalitionspartners noch aus. Insofern, denke ich, ist unser Antrag nicht ganz umsonst und wir werden ihn im Ausschuss weiter beraten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit ist die Aussprache beendet und wir können jetzt in das Abstimmungsverfahren eintreten. Es geht um die Drs. 7/5246. Die CDU-Fraktion hat beantragt, den Antrag an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zur federführenden Beratung und zur Mitberatung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration zu überweisen. Gibt es zu diesem Ausschussüberweisungsbegehren Änderungsvorschläge? - Das sehe ich nicht.

Dann möchte ich darüber abstimmen lassen. Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Die Fraktion der AfD. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist dieser Antrag in der entsprechenden Art und Weise überwiesen worden.

Jetzt kommen wir zurück zu dem eigentlich letzten Punkt des Prioritätenblocks, nämlich zu Tagesordnungspunkt 9. Dazu gibt es den inzwischen ausgeteilten Änderungsantrag der AfD-Fraktion, der zu dem Tausch der Tagesordnungspunkte geführt hat.

Ich bin inzwischen darüber informiert worden, dass es durchaus unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, ob der Änderungsantrag, der hier ausgeteilt worden ist, ein Änderungsantrag ist und nicht vielmehr einen Alternativantrag darstellt.

Wenn das so wäre, hätte er hier nicht mehr ausgeteilt werden können.

Wir haben uns jetzt darauf verständigt, ihn als Änderungsantrag zu akzeptieren, obwohl er nach wie vor als ein Alternativantrag formuliert worden ist. - So weit vorweg dazu. Aber zum Aufruf des eigentlichen Tagesordnungspunktes kommen wir jetzt.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 9

Erste Beratung

Lückenlose Kontrolle und Einrichtung zusätzlicher Messstellen in der Bode bei Staßfurt

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/5247

Änderungsantrag Fraktion AfD - Drs. 7/5282

Einbringer ist für die Fraktion DIE LINKE der Abg. Herr Lange. - Herr Lange, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Über die Gewässerqualität in unserem Land hat der Landtag schon oft diskutiert. Wir wissen, dass ein großer Teil der Gewässer in einem schlechten ökologischen Zustand ist. Und wir haben in zahlreichen Debatten das Hinterherhinken der Landesregierung bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie feststellen müssen.

Vielerorts hat man den Eindruck, dass die Herstellung eines guten ökologischen Zustands der Gewässer keine Priorität in dieser Landesregierung genießt. Im Gegenteil: Einleitungen werden genehmigt, seien es die Salze aus der Kaliproduktion oder Industrieabwässer wie beispielsweise aus der Sodaproduktion in Staßfurt.

Nun ist mir als realistisch denkendem Menschen auch klar, dass es an manchen Stellen nicht ohne Einleitungen geht. Wenn allerdings gehäuft Fischsterben hinter einer Einleitstelle auftreten und dem dann nicht mit allen erdenklichen Möglichkeiten transparent nachgegangen wird, dann fragen sich die Menschen vor Ort zu Recht, wem die Landesregierung hier dient.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Der Reihe nach: Die jüngsten Diskussionen über das Fischsterben in Staßfurt gehen auf die Havarie bei CIECH Soda im November 2018 und auf das Fischsterben am 7. August dieses Jahres zurück. Im November 2018 gingen die Behörden davon aus, dass aufgrund eines Stromausfalls eine fünfprozentige Ammoniaklösung in die Kanalisation und damit in die Bode gelangt ist.

Im August 2019 beobachteten Passanten gelblichen und übel riechenden Schleim aus dem besagten Abwasserrohr. Die Bode färbte sich weiß und eine riesige Zahl an Fischen starb. Die Erklärung mit der Karbonatausfällung klingt plausibel. Aber was es mit dem Geruch und dem Fischsterben auf sich hat, scheint bis heute nicht gänzlich geklärt zu sein.

Auch die Umstände machen äußerst misstrauisch. Dass beispielsweise ein toter Fisch nicht mehr obduziert werden konnte, weil sein Verwesungszustand zu weit fortgeschritten war, ist nicht nur höchst rätselhaft, sondern das zeugt vielmehr von Ignoranz. Entweder waren die zuständigen Behördenmitarbeiter unfähig, den Fisch möglichst schnell und gekühlt zur entsprechenden Stelle zu bringen, oder man hat den Zustand absichtlich billigend in Kauf genommen. Und das wäre ein Skandal.

Meine Damen und Herren! Angler berichten, dass das Fischsterben in diesem Bode-Abschnitt immer wieder aufgetreten ist, und zwar seit Jahren. Bei einem Vor-Ort-Termin sagte ein Angler: Wenn die Soda ihre Abschalttage hat, haben wir Fischsterben. Das halte ich für einen alarmierenden Befund.

(Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Das ist ja wie früher!)

Nun können die Menschen vor Ort - - Das sollte Ihnen zu denken geben; genau diese Aussage sollte zu denken geben.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Welche denn?)

- Es kam hier gerade der Zwischenruf: Das ist wie früher. Wenn man hier einen Bezug auf die wirklich schlimmen Umweltbedingungen, unter denen die DDR zum Teil produziert hat - -

(Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Das war keine Relation! Das ist eine andere Re- lation! Das ist ein Unterschied zu früher!)

- Moment! Sie haben doch gerade gerufen: Das ist wie früher.

(Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Es wäre wie früher!)

- Nee, das haben Sie nicht gesagt. „Das ist wie früher“ haben Sie gesagt.

(Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Sie wissen doch genau, was ich meine!)

Stopp mal! Das alles können wir nachher möglicherweise im Protokoll lesen. Ansonsten lohnt sich die Debatte darüber jetzt nicht. Ich möchte