Protocol of the Session on May 22, 2019

Zwei zentrale Aussagen sind der Antwort überaus deutlich zu entnehmen:

Erstens. Das Musikschulgesetz in Sachsen-Anhalt ist eine Errungenschaft, mit der sich das Land seit der Verabschiedung im Jahr 2006 klar für Kultur, Bildung, Leistung und Qualität in der musikalischen Bildung einsetzt.

(Angela Gorr, CDU: Sehr gut!)

Zweitens. Um diese Errungenschaft nicht auszuhöhlen oder gar komplett zu gefährden, bedarf die Landesförderung dringend einer Überarbeitung. - Jetzt dürfen Sie noch einmal klatschen, Frau Gorr.

(Wulf Gallert, DIE LINKE, lacht)

Zunächst möchte ich kurz auf das Musikschulgesetz eingehen. Was hat uns veranlasst, im Jahr 2006 ein solches Fachgesetz ins Leben zu rufen? Warum brauchen wir es heute? - Damals wie heute müssen kulturelle Bildungseinrichtungen, insbesondere wenn sie mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, Diskussionen über Effektivität und Effizienz standhalten. Das bietet nur ein gut durchdachtes Qualitätsmanagementsystem. Das ist das, was mit dem Gesetz zur Förderung und Anerkennung von Musikschulen aus dem Jahr 2006 eingeführt wurde. Das Gesetz sichert seither die Qualitäts- und Leistungsstandards von Musikschulen in Sachsen-Anhalt und entwickelte diese in den letzten Jahren zielstrebig weiter. Auf der Grundlage dieses Gesetzes erfolgt die staatliche Anerkennung für die Musikschulen, die den gesetzlich verankerten Kriterien entsprechen.

Laut der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage bestehen zum Stichtag 1. Januar 2018 21 staatlich anerkannte Musikschulen, die mit Landesmitteln gefördert werden. Mit der staatlichen Anerkennung erreichen die entsprechenden Musikschulen sozusagen die oberste Messlatte der Musikschulqualität.

Dabei sind Musikschulen im Land Sachsen-Anhalt nicht nur als Unterrichtsstätten für Instrumental- oder Vokalunterricht tätig. In manchen Regionen sind sie inzwischen wichtigster Partner für die Gestaltung kultureller Infrastruktur geworden. Während die Begabtenförderung ein besonderes Element im Ausbildungskonzept ist, liegt das Hauptanliegen der Musikschulen darin, möglichst alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land zu erreichen.

13 Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zeigt sich dessen Wirksamkeit. Die 21 anerkannten und mit Landesmitteln geförderten Musikschulen betreiben 231 Unterrichtsstätten im Land, unterrichten regelmäßig mehr als 19 000 Schülerinnen und Schüler und unterhalten bei ihren jährlich knapp 4 000 Veranstaltungen etwa 380 000 Gäste.

Dabei entnehmen wir den Antworten auf die Große Anfrage, dass diese Zahlen in den vergange

nen 20 Jahren konstant hoch geblieben sind, was wiederum von einem ungebrochen hohen Interesse bei der Bevölkerung zeugt. Ich finde, das ist durchaus ein Grund zur Freude und auch ein Grund, stolz auf eine derart gut gelungene kulturpolitische Entscheidung zu sein.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Das ist nicht der einzige Grund zur Freude. Das Landeskooperationsprogramm Musisch-ästhetische Bildung, kurz: MäBi, ist seit dem Pilotjahr 2001 ein bundesweit einzigartiges und erfolgreiches Programm musikalischer Früherziehung im Land und bietet jährlich etwa 3 600 Schülerinnen und Schülern ergänzend zum obligatorischen Musikschulunterricht erste praktische instrumentale Erfahrungen.

(Angela Gorr, CDU: Genau!)

An dieser Stelle muss man auch einmal erwähnen, dass Nordrhein-Westfalen das Programm JeKi - Jedem Kind ein Instrument - gestartet hat - gestartet hat und damit krachend gescheitert ist. Wir sind mit unserem MäBi-Projekt erfolgreich.

(Angela Gorr, CDU: Das ist beispielhaft!)

- Ja. Man könnte das vielleicht einmal in die Kultusministerkonferenz als ein Referenzprojekt aus Sachsen-Anhalt einbringen, auf das man in diesem Land stolz sein kann.

Als kostenfreies Angebot steht es allgemeinbildenden Schulen zur Verfügung und erfreut sich äußerster Beliebtheit und vielseitiger Ausgestaltung. Mit diesem Programm ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Teilhabegerechtigkeit gelungen. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass praktisches Musizieren einen umso größeren Einfluss auf persönlichkeitsfördernde Kompetenzen hat, je früher man mit dem eigenen Musizieren beginnt.

Die Entwicklung von Musikalität, Sprache, Motorik, Kreativität und sozialen Fähigkeiten ist der Mehrwert, den wir mit diesem Landesprogramm ausdrücklich allen Schülerinnen und Schülern ermöglichen. An dieser Stelle gilt ein Dank dem Landesverband der Musikschulen, der dieses Programm einst entwickelte, sehr erfolgreich koordiniert und eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung konsequent gewährleistet.

Schaut man sich die Zahlen einmal genauer an, zeigen sich in den letzten Jahren jedoch einige kleine Risse im Gesamtbild. So sind von dem im Jahr 2015 beschäftigten Lehrpersonal an den Musikschulen ca. 30 % mittlerweile 55 Jahre alt oder älter. Das bedeutet, dass bis 2025 voraussichtlich mehr als 250 Lehrkräfte in den Ruhestand gehen werden. In dieser Situation ist es für die Musik

schulen existenziell, Personal vertraglich zu binden und möglichst junge Musikschullehrerinnen und Musikschullehrer, die durchaus im Rahmen von Honorartätigkeiten bereits an den Schulen arbeiten, mittels langfristiger Verträge zu halten.

Aber insbesondere bei den Honorarkräften im Alter zwischen 35 und 45 Jahren verzeichnen die Musikschulen hohe Verluste - also bei den Menschen, die sich langsam beruflich festlegen wollen und vor allem eine langfristige Perspektive brauchen. Wenn die Musikschulen dann nicht in der Lage sind, diesen Lehrkräften ein attraktives Arbeitsverhältnis zu bieten, sind sie einfach weg, und zwar nicht selten in einem anderen Bundesland.

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU)

Jüngstes Beispiel dafür ist Bitterfeld. Die unterrichteten Jahreswochenstunden sind im vergangenen Jahr deutlich rückläufig, was natürlich Auswirkungen auf die Zahl der Schülerinnen und Schüler sowie auf die Einnahmen durch Gebühren hat.

Dort sind zwei Honorarkräfte abgewandert, die laut eigener Aussage sehr gern an der Musikschule und auch im Land Sachsen-Anhalt geblieben wären, sich letztlich aber für eine attraktive Festanstellung in einem anderen Bundesland entscheiden mussten. Die Musikschulen haben keinerlei finanzielle Spielräume, um dem entgegenzuwirken. Damit verschärft sich das Dilemma, und es ist absehbar, dass diese Situation in den kommenden Jahren noch brisanter werden wird.

Was also tun? - Die Große Anfrage bzw. die Daten aus der Antwort darauf bieten eine überaus deutliche Lösung. Während sich die Angebote der Musikschulen gleichbleibend hoher Beliebtheit erfreuen, die Qualität des Musikschulunterrichts, gesichert durch das Gesetz, auf sehr hohem und vor allem wünschenswert hohem Niveau bleibt, ist die Auslastung enorm hoch, sodass regelmäßig nicht allen Kindern und Jugendlichen, die an einem Musikschulunterricht interessiert sind, sofort ein entsprechendes Angebot unterbreitet werden kann.

Während die Wartelisten in den vergangenen Jahren konstant 2 000 Personen aufweisen, stagniert leider auch die Förderung durch das Land, und zwar seit 20 Jahren. Die durchschnittliche Förderquote des Landes ist in den letzten Jahren von 19,2 % auf 12,1 % gesunken. Das heißt im Umkehrschluss, die Kommunen und die Eltern müssen immer tiefer in die Tasche greifen, um ihre Kinder an einer ausgezeichneten musisch-ästhetischen Bildung teilhaben zu lassen.

Ein besonders dramatisches Beispiel ist im Altmarkkreis Salzwedel zu finden. Die Musikschule

im Altmarkkreis Salzwedel erhielt beispielsweise im Jahr 1997 noch Zuschüsse vom Land, die einen Anteil von 22 % umfassten. Im Jahr 2017 betrug dieser Anteil lediglich noch 9,7 %. Innerhalb von 20 Jahren sank der Umfang der Fördermittel des Landes in einem so beträchtlichen Maß, dass der Ausgleich nur über eine Erhöhung der Unterrichtsgebühren und durch erhebliche Kompensationsleistungen der Träger, also der Kommunen, geschaffen werden konnte.

Ein Resultat dieser Entwicklung ist, dass wiederum insbesondere Familien mit geringem Einkommen sich künftig keinen Musikschulunterricht für ihre Kinder mehr leisten können. Das entspricht aber nicht unserer Intentionen und auch nicht der Intention des Gesetzgebers.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich erinnere an Folgendes: Hohe Qualitäts- und Leistungsstandards im Musikschulunterricht, der neben der Ausbildung im Ensemblespiel und in musiktheoretischen Ergänzungsfächern jedem

besonders motivierten Musikschüler die Chance bietet, im Rahmen eines instrumentalen Einzelunterrichts musikalisch gebildet zu werden - das muss einfach drin sein, meine Damen und Herren.

An dieser Stelle möchte ich gern die Einschätzung der Landesregierung auf die Frage 34 zitieren:

„Da der Betrieb der Musikschulen nicht nur von der Nachfrage und dem Angebot abhängig ist, sondern zum Beispiel der allgemeinen Tarifdynamik und Preisentwicklung unterliegt, entwickeln sich die Kosten entsprechend. In diesem Sinne müssen die Zuwendungsgeber entsprechend ihre Zuweisungen anpassen, um den weiteren Betrieb der Einrichtungen in der gewünschten Qualität abzusichern und den Zugang für alle Teile der Bevölkerung zu gewährleisten. Im Rahmen der politischen Willensbildung sind auf den jeweiligen Ebenen entsprechende Beschlüsse zu fassen, um die erforderlichen finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen.“

Sehr geehrter Herr Robra! Das sehen wir genauso. Jetzt bietet sich die Chance, dass wir kulturpolitisch wieder an einem Strang ziehen. Deshalb haben wir auf die Antwort auf die Große Anfrage hin einen Antrag verfasst, der dem Plenum heute vorliegt. Mit der von uns in dem Antrag geforderten Erhöhung der Landesmittel für die staatlich anerkannten Musikschulen im Land erreichen wir in moderaten Schritten, nämlich über vier Jahre hinweg, das Förderniveau von vor 20 Jahren. Das muss doch möglich sein.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Es ist längst an der Zeit, dass das Land sich zur Qualität der musikalischen Ausbildung und damit zum Musikschulgesetz bekennt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abg. Gebhardt. Sehr schön. Wir sind schon weit im Verzug, deswegen freue ich mich, dass wir fünf Minuten eingespart haben. Vielen Dank.

(Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD, und von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Bevor wir in die Dreiminutendebatte einsteigen, hat für die Landesregierung der Staats- und Kulturminister Herr Robra das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich dem Lob für die Musikschulen und den Musikschulverband gern an. Wir sind mit Recht stolz auf die großen Erfolge unserer Musikschulen, aber auch unserer Schulmusik als dem zweiten Standbein der Musikerziehung im Lande Sachsen-Anhalt.

Die musikalische Bildung befähigt unsere Kinder und Jugendlichen, bei „Jugend musiziert“ großartig abzuschneiden. Wir haben in diesem Jahr den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ in Sachsen-Anhalt. Das ist schön. Ich erfreue mich überall im Lande an den Leistungen der Chöre, der Ensembles, auch der Laienensembles in Sachsen-Anhalt. Das ist verdienstvoll.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU, und von Siegfried Borgwardt, CDU)

Wir haben - das ist richtig - die Musikschulen über die Jahre hinweg stabil ausfinanziert - das ist schon einmal positiv - mit 3,6 Milliarden € - mit 3,6 Millionen €. Es tut mir leid, ich bin noch immer in der Kohlekulisse.

(Heiterkeit bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Die würden wir sofort neh- men! - Heiterkeit bei der LINKEN)

3,6 Millionen €. Wir haben die Mittel im laufenden Haushaltsjahr 2019 auf Initiative der Koalitionsfraktionen um 140 000 € aufgestockt. Das ist definitiv ein erster Schritt.

Wir haben aber auch - das ist eine Information, die man sich durchaus auf der Zunge zergehen lassen darf - die demografische Rendite, wie das früher im Schulwesen so hieß, komplett im Sys

tem gelassen. Wir hatten ursprünglich Jahrgangsstärken mit ungefähr 32 000 Kindern. Jetzt haben wir wieder Jahrgangsstärken mit 17 000 Kindern erreicht; wir waren schon einmal bei 16 400. Nun hätte man das natürlich, wenn man böswillig oder als Finanzminister besonders hartnäckig bei diesem Themenfeld gewesen wäre,

(Siegfried Borgwardt, CDU: Anpassen müs- sen!)