Protocol of the Session on April 4, 2019

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Fachauswahl aus Gründen des Studienplatzgewinns wäre ein klassischer Fehlanreiz. Vielmehr braucht es Begeisterung und die intrinsische Motivation für die Allgemeinmedizin. So entschieden sich 90 % der Studierenden in der Fachklasse Allgemeinmedizin der Martin-LutherUniversität für die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir müssen endlich die berufliche Situation der Hausärzte verbessern. Zu wenig Zeit, zu viel Bürokratie ist die Analyse. Daher braucht es eine Entlastung vom bürokratischen Aufwand und die Unterstützung bei der Tätigkeit als Arzt, indem Tätigkeiten auf andere Berufsgruppen übertragen werden, beispielsweise auf Absolvierende des Studiengangs evidenzbasierte Pflege als Gemeindeschwestern.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Zudem wird die Telemedizin zunehmend eine Rolle spielen. Daneben muss dringend überlegt werden, ob das Konzept des Eigenunternehmertums noch attraktiv genug ist oder vielmehr medizinische Versorgungszentren mit angestellten Allgemeinmedizinern zukünftig die Ärzteversorgung absichern.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Den Gesetzentwurf halten wir daher für untauglich und werden uns bei der Abstimmung über die Ausschussüberweisung der Stimme enthalten.

Ich will Ihnen aber den Hinweis geben, dass meine Anmerkungen hochschulpolitischer Natur sind. Normalerweise müsste der Gesetzentwurf zumindest an den Wissenschaftsausschuss überwiesen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn nur so können wir klären, was beispielsweise mit den Abbrechern passiert usw. Daher wäre meine Bitte, den Gesetzentwurf zur Mitberatung an den Wissenschaftsausschuss zu überweisen.

Am Ende kann ich nur sagen: Sie sind auf dem richtigen Weg, wenn Sie mehr Studienplätze für die Medizin fordern. Das fordern wir seit Langem, und ich glaube, das ist dringend notwendig. Das muss deutschlandweit besser geregelt werden. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Lange, Herr Krull hat eine Frage. Vielleicht wollen Sie darauf antworten.

Ich bin gespannt.

Herr Krull, er ist gespannt. Sie können loslegen.

Sehr geschätzter Kollege, ich habe eine Frage: Wie hoch ist der Honorarumsatz einer Hausarztpraxis in Sachsen-Anhalt im Durchschnitt? Schätzen Sie bitte.

Das weiß ich nicht.

273 000 € pro Jahr. Vielleicht relativiert sich dann die Aussage, dass eine Strafzahlung in Höhe von 250 000 €, wie sie vorgesehen ist, zu hoch ist. Dies entspricht nicht einmal dem Jahresumsatz einer Arztpraxis im hausärztlichen Bereich in Sachsen-Anhalt.

(Zurufe von der AfD)

Herr Lange möchte antworten. Sie können das jetzt tun.

Herr Krull, das ist gar nicht mein Problem. Mein Problem ist doch ein anderes. Wir haben zwei verschiedene Dinge, die mit einer solchen Strafzahlung verbunden sind. Zum einen können sich Menschen während des Studiums entwickeln - das habe ich bereits gesagt - und können zu der Entscheidung gelangen, dass die Allgemeinmedizin nichts für sie ist und dass sie etwas anderes machen wollen. Diesen Werdegang sollte man ihnen nicht verbauen. Das ist das eine.

Zum anderen stellt sich die Frage, was wir mit den Leuten machen, die beispielsweise sagen, sie werden Allgemeinmediziner, und die dann ganz locker, weil sie mit Blick auf ihr Berufsleben etwas völlig anderes vorhaben, diese 250 000 € bezahlen. Auch das ist ein Fehlanreiz. Ich glaube, dass die Quote an sich das Problem ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke. Dann ist dieser Debattenbeitrag beendet. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann jetzt Frau Lüddemann das Wort ergreifen.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Landarztgesetz steht stellvertretend für das Versprechen der Politik, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Diesem Ziel fühlen wir GRÜNE uns verpflichtet. Wir wollen es sogar als Staatsziel in die Landesverfassung aufnehmen; denn es darf keine abgehängten Regionen geben, weder im Bereich der medizinischen Versorgung noch im Bereich der Digitalisierung oder in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge.

Daher begrüße ich den Ansatz des Gesetzes sehr, Anreize dafür zu schaffen, dass sich junge Menschen für eine ärztliche Tätigkeit im ländlichen Raum entscheiden. Jeder junge Mensch, der durch das Gesetz seinen Weg ins Medizinstudium und dann in ländliche Regionen unseres Landes findet, wird dort auch jetzt schon - ein Medizinstudium dauert, wie wir alle wissen, zwölf Jahre - mit offenen Armen empfangen werden.

Aber - auch das gehört zur Wahrheit - das Landarztgesetz ist nur ein winziges Tröpfchen auf einen sehr heißen Stein. Es ist gut und richtig, dieses Gesetz heute zu in den Ausschuss zu überweisen, aber es kann nur ein Baustein sein; denn etwas mehr Ärzte ins bestehende System zu lenken löst nicht die strukturellen Probleme. Wir haben es nicht nur mit einem quantitativen Ärztemangel zu tun, sondern mit zunehmend dysfunktionalen Versorgungsstrukturen.

Mit Einzelarztpraxen werden wir die Versorgung in der Fläche nicht mehr hinbekommen, ganz egal wie viele Ärztinnen und Ärzte aus der Uni herauskommen. Die starke Tendenz gerade junger Menschen, als angestellter Arzt im ambulanten Bereich zu arbeiten, spricht eine klare Sprache. Im Sinne von Familienfreundlichkeit und Work-LifeBalance ist eine eigene Niederlassung heutzutage nur noch bedingt attraktiv.

Für eine gute Versorgung stelle ich mir weniger den Einzelkämpfer in eigener Niederlassung vor, sondern eher ein ärztliches Team im kollegialen Austausch und etwa mit gemeinsamen Fallbesprechungen sowie klaren Arbeitszeiten. Auch brauchen wir eine Generalinventur im Gesundheitsbereich. Leitfrage ist, welche Professionen welche Aufgaben übernehmen sollen.

Ich wiederhole, was ich eben auch schon in Bezug auf das Krankenhausgesetz gesagt habe: Wir brauchen die weitere Delegation auf und auch

Substitution von bisher ärztlichen Leistungen durch die Pflege- und Gesundheitsberufe. Dann können etwa die Patienten ohne den Umweg über eine ärztliche Verordnung direkt zum Physiotherapeuten gehen, dann kann der Pfleger im Seniorenheim beispielsweise selbst für eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr sorgen, wodurch sich die Krankenhauseinweisung erübrigt. Dieser Ansatz sorgt für ein größeres Spektrum an attraktiven und selbstbestimmten Professionen und trägt - davon bin ich zutiefst überzeugt - auch zu einer Steigerung der Versorgungsqualität bei.

Lassen Sie uns also das Landarztgesetz schnell beschließen und dann, etwa in der EnqueteKommission, die wir ja eingerichtet haben, weitere langfristige und nachhaltige Instrumente für einen grundsätzlichen Umbau des Versorgungssystems entwerfen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

- Wenn ich noch etwas ergänzen darf, was vorhin wahrscheinlich untergegangen ist: Der Gesetzentwurf soll selbstverständlich in den Sozialausschuss, Kollege Lange, und zur Mitberatung in den Wirtschaftsausschuss

(Siegfried Borgwardt, CDU: In den Wissen- schaftsausschuss!)

- Wissenschaft und Wirtschaft, das ist ein Ausschuss, genau - überwiesen werden. Aber das können Ihnen die Kollegen ja nachher erzählen, wenn Sie jetzt nicht zuhören.

Gut, alles klar. Das war bisher tatsächlich untergegangen. Insofern haben wir diesen Antrag jetzt notiert. Wir bedanken uns bei Frau Lüddemann. - Für die SPD-Fraktion spricht abschließend die Abg. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns in diesem Hohen Hause einig darüber, dass der ländliche Raum auch in Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger attraktiv sein soll. Wir müssen deshalb dort eine bestimmte Grundversorgung gewährleisten. Dazu gehören viele Dinge. Ganz wichtig ist und an erster Stelle steht aber die Gewährleistung einer ausreichenden ärztlich-medizinischen Versorgung.

Die Situation im Hinblick auf die Nachbesetzung von frei werdenden Praxen ist ausreichend dargestellt worden; darauf will ich jetzt nicht noch einmal im Detail eingehen. Wir müssen also Lösungen finden, damit es in Zukunft keine langen

Wartezeiten in den Praxen gibt, damit es keine Schwierigkeiten gibt, überhaupt einen Termin zu bekommen, mit denen es vermieden werden kann, dass die Wege so lang sind, dass Ärzte gerade für ältere Bürgerinnen und Bürger dann gar nicht mehr erreichbar sind.

Wirklich nur e i n Baustein, um die medizinische Versorgung im ländlichen Raum zu sichern, ist eben neben vielen anderen die Einführung einer Landarztquote für das Studium an den beiden medizinischen Fakultäten. Ich möchte herausstellen, dass in den letzten Jahren schon eine Reihe von Maßnahmen ergriffen worden ist. Dies sind die Stärkung der Medizinischen Versorgungszentren, die Stipendien für Studierende, die sich verpflichten, Landarzt oder Landärztin zu werden, das sind Allgemeinmedizinerklassen an den Universitäten, aber eben auch die praktischen Studienzeiten in Landarztpraxen, um quasi Lust darauf zu machen, eine solche Praxis zu übernehmen.

Der Gesetzentwurf schafft jetzt die Grundlage dafür, dass 20 von 400 Medizinstudienplätzen in Halle und in Magdeburg für Landärzte reserviert werden. Sicherlich kann man im Ausschuss noch diskutieren, ob das ausreicht und wie die Rahmenbedingungen gestaltet werden müssen. Die Mediziner müssen sich dann verpflichten, nach der Facharztausbildung für zehn Jahre in unterversorgte Regionen zu gehen. Wer das nicht macht, dem droht dann eine entsprechende Vertragsstrafe.

Wir haben uns darauf verständigt, dass das Auswahlverfahren von den Kassenärztlichen Vereinigungen übernommen wird und hierbei eben nicht nur die Abiturnote ausschlaggebend ist, sondern Dinge wie die Motivation und Erfahrungen im Gesundheitsbereich mit berücksichtigt werden.

Abschließend noch einmal: Es ist ein weiteres Mosaiksteinchen, um die gesundheitsbezogene Versorgung im ländlichen Raum auch in Zukunft zu sichern. Ich bitte um Überweisung in die genannten Ausschüsse. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke. Ich sehe keine Nachfragen. - Demzufolge sind wir auch hierbei am Ende der Debatte angelangt.

Uns liegen der Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 7/4100 und der Änderungsantrag der Fraktion der AfD in der Drs. 7/4193 vor. Beantragt wurde, dies zur federführenden Beratung in den Sozial- und zur Mitberatung in den Wirtschafts- und Wissenschaftsausschuss zu überweisen. Gibt es dazu alternative Vorschläge? -

Sie gibt es nicht. Dann stelle ich das so zur Abstimmung.

Wer einer solchen, von mir eben beschriebenen, Überweisung zustimmt, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der AfD. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser vorliegende Gesetzentwurf in die genannten Ausschüsse überwiesen worden.

Bevor wir in unserer Tagesordnung fortfahren und zum Tagesordnungspunkt 11 kommen, begrüßen wir ganz herzlich auf unserer Besuchertribüne Besucher aus dem hohen Norden, nämlich vom Markgraf-Albrecht-Gymnasium aus Osterburg.