Protocol of the Session on April 2, 2019

(Unruhe)

- Ich würde mich sehr freuen, wenn auch die Abgeordneten dieses Engagement in der Debatte an den Tag legen und wenigstens zuhören würden.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aus diesem Grund gehen wir über den Kreis der Vollbetreuten hinaus. Die, die als Betroffene diesen Urteilsspruch erstritten haben, haben damit der Sache der Selbstorganisation von Menschen mit Behinderungen einen großen Dienst erwiesen.

Im Landesverband meiner Partei in SachsenAnhalt gibt es nicht wenige, die auf das Ziel eines inklusiven Wahlrechtes seit Langem aktiv hinarbeiten und für die dieser Erfolg ein wichtiger Motivationsschub ist.

In einer inklusive Demokratie geht es um weit mehr als nur um das Wahlrecht. Es geht darum, dass Menschen mit Behinderungen die Chance haben zu erfahren, wie sie ihre Interessen selbst und zusammen mit anderen zu Gehör bringen können, sich organisieren und ihre Ziele durchsetzen können, und zwar nicht als Gegenstand parternalistischer Zuwendung durch Nichtbehin

derte, sondern als selbstbewusste Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ange- la Gorr, CDU)

Meine Damen und Herren! Es war eine gute Erfahrung zu erleben, wie die Kenia-Koalition sich nicht nur konstruktiv, sondern auch schnell auf diesen Gesetzentwurf und auf den Entschließungsantrag verständigen konnte. Diese Erfahrung würde ich mir gern häufiger wünschen. Ich möchte ausdrücklich dem für Wahlrecht zuständigen Innenministerium sowie den Innen- und Sozialpolitikern der drei Fraktionen dafür danken,

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

danken dafür, wie zügig wir dieses Vorhaben auf die Schiene gesetzt haben. Ich bitte Sie um Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfes und des Entschließungsantrages zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport; mitberatend soll kein Ausschuss beteiligt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Heiterkeit)

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Bevor wir in die Debatte der Fraktionen einsteigen, hat für die Landesregierung der Minister Herr Stahlknecht das Wort.

(Minister Holger Stahlknecht: Ich verzichte!)

- Der Minister Herr Stahlknecht verzichtet. - Somit steigen wir in die Fünfminutendebatte der Fraktionen ein. Der erste Debattenredner wird für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Roi sein. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Als ich erfuhr, dass wir heute eine Sondersitzung anberaumt haben, war ich erfreut und dachte, oh, jetzt geht es voran. Denn es hieß im Begleitschreiben und in der Presse, die Sitzung müsse stattfinden, um Klarheit zu schaffen vor der Kommunalwahl. Also, was Klarheit angeht, haben Sie die AfD immer auf Ihrer Seite. Daher waren wir auch gespannt, was heute hier vorgelegt wird.

Ich ging fest davon aus, dass heute, wenn es um Klarheit vor der Kommunalwahl geht, etwas zu den Straßenausbaubeiträgen vorgelegt wird. Aber einen Gesetzentwurf zum KAG kann ich nicht erkennen; unseren haben Sie ja abgelehnt. Ich dachte auch, dass wir heute Klarheit darüber be

kommen, ob wir die zweite Erstaufnahmeeinrichtung in Stendal überhaupt brauchen oder ob der Innenminister, der sich zu diesem Tagesordnungspunkt auch nicht äußert, uns heute sagt, was mit den unbesetzten Stellen der Regionalbereichsbeamten wird.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Zum Thema!)

Denn auch das ist eine Frage in den Kommunen. Auch hierzu Fehlanzeige.

Ich dachte auch, als es um die Sondersitzung ging, dass Frau Dalbert uns heute etwas zu Natura 2000 sagt; denn auch hierzu fehlt es wie auch in Bezug auf das Agrarstrukturgesetz an Klarheit in den Kommunen.

Ich dachte auch, der Bildungsminister wird uns vielleicht etwas über die zwölf von der Schließung bedrohten Grundschulen sagen und uns erklären, wie der Schulverbund in diesem Fall konkret Anwendung finden kann - auch hierzu Fehlanzeige. Zu diesen Punkten hat die Koalition bisher nichts vorgelegt und es fehlt Ihnen vor der Kommunalwahl an Kraft und an politischem Willen, hier etwas umzusetzen.

(Beifall bei der AfD)

Herr Scheurell ist noch nicht da. Ich hatte noch die Hoffnung, dass wir heute noch eine flammende Rede von Herrn Scheurell zum Thema Denkmalschutzgesetz hören können. Auch hierzu fehlt es an Klarheit in den Kommunen. Aber, wie eben schon gesagt, es fehlt am Willen und an der Kraft dieser Koalition, all diese Unklarheiten zu beseitigen.

Aber worüber reden wir heute? - Wir reden heute über das Kommunalverfassungsgesetz. Ein Gesetzentwurf liegt vor. Es geht genau um einen einzigen Satz. Ein Gerichtsurteil, sehr geehrte Frau Dr. Pähle, zwingt Sie zum Handeln. Es ist nicht die SPD oder der Landesverband, der irgendetwas voranbringen will, sondern das Bundesverfassungsgericht, das sein Urteil gesprochen hat und einen Paragrafen für verfassungswidrig erklärt hat.

(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

Das ist der Grund dafür, dass wir heute hier stehen, und nicht weil die SPD irgendwas will.

(Beifall bei der AfD)

Die SPD will immer irgendetwas. Aber es braucht eben das Bundesverfassungsgericht, damit etwas vorangeht.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 29. Januar § 23 Abs. 2 Nr. 2 KVG für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes stellt klar, dass § 23 Abs. 2 Nr. 2 - -

(Zuruf von Tobias Krull, CDU)

- Das Bundesverfassungsgericht, sehr geehrter Herr Krull - für Sie zum Nachlesen -, stellt klar, dass der § 23 Abs. 2 Nr. 2 insoweit verfassungswidrig ist, als ausschließlich die in dem Paragrafen genannten Personen, die zur Besorgung ihrer Angelegenheiten einen gerichtlich bestellten Betreuer benötigen, sowohl vom Wahlrecht als auch vom Stimmrecht bei Wahlen ausgeschlossen werden.

(Zuruf von der AfD)

Der Paragraf berücksichtigt aber derzeit nicht diejenigen Personen, die Dritten eine Betreuungs- und Vorsorgevollmacht erteilt haben, oder Personen, die in der Familie betreut werden. Da an dieser Stelle identische Situationen vorliegen, so sagt das Bundesverfassungsgericht, liegt hier eine Ungleichbehandlung vor und aus diesem Grund muss dieser Paragraf, der eben von mir genannt wurde, geändert werden.

Aus diesem Grund ist das Kommunalverfassungsgesetz auch in der Weise zu ändern, wie dies heute hier vorgeschlagen worden ist. Wir als AfDFraktion helfen Ihnen selbstverständlich gern dabei, das Kommunalverfassungsgesetz rechtskonform zu gestalten, und werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Wir stimmen auch der Überweisung zu; denn niemand möchte, dass verfassungswidrige Paragrafen, die übrigens einst durch CDU und SPD dort aufgenommen worden sind,

(Zustimmung bei der AfD - Dr. Katja Pähle, SPD: Bundesweit!)

zur Anfechtbarkeit der Kommunalwahl führen. - Das kann ja bundesweit sein, aber unser Kommunalverfassungsgesetz wurde hier beschlossen.

Der 26. Mai, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird einen weiteren Meilenstein markieren auf dem Weg hin zu einer bürgernahen Politikwende in unserem Land. Die AfD wird am 26. Mai natürlich auch kommunal Verantwortung übernehmen und möchte natürlich auch eine rechtskonforme Kommunalwahl absichern. Deswegen haben Sie unsere Zustimmung dafür.

Natürlich wollen wir für Klarheit sorgen, was das aktive Wahlrecht bedeutet und wer vor allem davon ausgeschlossen ist und wer nicht. Aus diesem Grund ist die logische Konsequenz auch eine Änderung des Wahlgesetzes. Dass das angepasst werden muss, steht in Ihrem Entschließungsantrag. Auch dem verschließen wir uns nicht.

Zu den anderen Punkten, die Sie gerade genannt haben, Frau Dr. Pähle. Sie sprachen die Barrierefreiheit an. Wenn eine Oma an einer alten Schule

nicht die Treppen hochkommt, dann liegt das vielleicht daran, dass in unserem Land viele alte Schulen noch nicht saniert worden sind. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

(Beifall bei der AfD)

Das ist der Grund dafür, warum ein Problem mit Barrierefreiheit vorherrscht. Wie gesagt, das ist nicht das Verdienst irgendeiner SPD-Landesgruppe, sondern das Bundesverfassungsgericht hat uns dazu veranlasst, heute hier zusammenzukommen.

Sehr geehrter Herr Abg. Roi - -

Wir werden der Überweisung zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke. Ich habe noch einmal herumgeschaut; es gibt keine Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner bzw. -rednerin. Es ist für die SPDFraktion Frau Dr. Pähle. - Sie verzichten. Dann spricht für die Fraktion DIE LINKE Abg. Frau Buchheim. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über einen Gesetzentwurf, mit dem bestehende gesetzliche Wahlbeschränkungen für Behinderte rechtzeitig abgebaut werden sollen.

Mit Blick auf die Kommunalwahlen am 26. Mai ist dazu heute eine Sondersitzung notwendig. Die gesetzliche Grundlage im Kommunalverfassungsgesetz wurde bereits zitiert. Ich muss noch darauf hinweisen, dass es nicht nur um das Wahlrecht geht; hier geht es auch um das Stimmrecht in sonstigen Angelegenheiten der Kommunen, das bisher ausgeschlossen ist.

Wahlrechtsausschlüsse betreffen das elementarste und politischste Grundrecht. Der Wahlrechtsausschluss von Menschen, für die zur Besorgung aller Angelegenheiten ein Betreuer bestellt wurde, verstößt gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Verfas

sungswidrigkeit gleichlautender Wahlrechtsausschlüsse im Bundesrecht ist es erforderlich, auf diese aktuelle Entwicklung zügig zu reagieren.