Wir stellen damit einen Zustand wieder her, der zutiefst natürlich ist. Es klingt schon fast wie aus der Zeit gefallen, dass wir Strukturen entwickeln müssen, die die Erstzuständigkeit für die Geburt klar den Hebammen zuschreibt. Schließlich ist der Hebammenberuf einer der ältesten Berufe der Welt überhaupt. Das erste Hebammenlehrbuch wurde im Jahr 117 von Soranos von Ephesos verfasst. Bereits von der Mutter des griechischen Philosophen Sokrates ist bekannt, dass sie Hebamme war.
Die wahrscheinlich früheste Berufsordnung für Hebammen stammt aus dem Jahr 1452 aus Bernburg. Damit wurde erstmals der Stand der geschworenen Hebammen geschaffen und eine einheitliche Ausbildung organisiert. Aber diese geschichtsträchtige Tradition ist bisher zumindest in Deutschland nicht in einen voll anerkannten, selbstbestimmten Beruf überführt worden. Das liegt auch daran, dass die Medizin und damit einhergehend eben die männliche Forschung und Lehre das Thema Geburtshilfe mehr und mehr besetzte. Von Vertreterinnen des Hebammenberufes wird dies durchaus auch schon mal als feindliche Übernahme bezeichnet, und ich denke, das Wort „feindlich“ ist in der Großbetrachtung der Hebammengeschichte auch nicht übertrieben. Somit ist die Stärkung der Hebammen mehr als nur eine medizinische Frage; sie ist auch eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit.
Als geschichtliches Spotlight am Rande: Zwischen den Jahren 1627 und 1639 wurden nahezu alle Hebammen in der Stadt Köln ermordet oder, wie es euphemistisch heißt, als Hexen verbrannt, und im sogenannten Hexenhammer findet sich die Aussage, keiner schade der katholischen Kirche mehr als die Hebamme. Diese Geschichte der Hebammen plus die immerwährende Debatte um die Einkommenslage der heutigen Hebammen führt zu der sehr bezeichnenden Überschrift eines aktuellen Fachartikels: „Früher verbrannt - heute verheizt?“.
Wir sind hier im Hohen Hause mit dem von uns vorgelegten Antrag etwas weniger dramatisch unterwegs, aber deutlich pro Hebamme. Die Hebamme ist trotz hohen Sozialprestiges - in Umfragen regelmäßig einer der anerkanntesten Berufe - in der Praxis in die Rolle der Assistentin gerutscht. Ja, auch hier gilt es wieder zu verzeichnen, dass der Mittelbau im Medizinbereich eher am Rande steht und sich alles um den Arzt im Zentrum dreht. Das darf und soll so nicht bleiben. Die ab dem nächsten Jahr anstehende Akademisierung der Hebammenausbildung wird deren Professionalisierung maßgeblich vorantreiben.
Leider musste erst die Europäische Union als Geburtshelfer einspringen, damit die Akademisierung überhaupt kommt; denn wir sind das letzte
Land in Europa, das diesen Schritt tatsächlich geht. Aber es ist gut und wichtig, dass die Akademisierung nun endlich kommt. Mit diesem Schritt in die Welt der Wissenschaft wird die Geburtshilfe auf die Füße evidenzbasierter Forschung gestellt. Der Dialog zwischen Ärzteschaft und Hebammen kann auf Augenhöhe erfolgen.
Mit einer akademischen Qualifizierung des Hebammenberufes verbinde ich auch das Ziel, die natürliche, will heißen, interventionsarme Geburt zu stärken und etwa die Zahl der Kaiserschnitte im Land wenn nicht ganz auf null, so zumindest auf das vertretbare Maß zu senken.
Es ist nun einmal so: Der ärztliche Blick fokussiert auf Pathologien und nötige und eben manchmal auch unnötige Interventionen. Die Hebamme ist geleitet vom Verständnis der Geburt als zutiefst natürlichem Vorgang und begleitet diesen Vorgang gemeinsam mit den Frauen. Sie versucht, diese Frauen auf Augenhöhe bestmöglich zu begleiten und zu unterstützen.
In die Eigendynamik des Geburtsvorgangs greift die Hebamme nicht zwingend ein. Ihre Entscheidung ist es allerdings, bei unvorhergesehenen Ereignissen oder bei schwierigen Situationen selbstverständlich und natürlich auch im hebammengeleiteten Kreißsaal ärztliches Personal hinzuzuziehen. Aber die Hebamme entscheidet, wann eine solche Entscheidung nötig und sinnvoll ist.
Hinzukommend wird die Akademisierung natürlich auch einen Kompetenzzuwachs für den Hebammenberuf an sich mit sich bringen. Ich gehe davon aus, dass beispielsweise in Zukunft Hebammen auch Ultraschalluntersuchungen oder Ähnliches selbst durchführen können und durchführen dürfen. Es wird viel Bewegung geben; vieles wird auch im Moment noch nicht abschätzbar sein.
Damit diese beschlossene und überfällige Akademisierung hier im Land erfolgreich und vor allem fristgerecht anläuft, senden wir heute das klare Signal insbesondere an das Universitätsklinikum Halle: Wir als Land werden die Finanzierung der Studienplätze sichern. Anfänglich werden wir zunächst 20 Plätze finanziell unterstützen. Der Landtag sendet damit auch an Minister Willingmann einen klaren Auftrag zur Umsetzung, und wie ich sehe, freut sich der Minister auf diese Aufgabe ganz besonders.
Aber die Planungen des Studiengangs können natürlich nicht erst anfangen, wenn wir den nächsten Doppelhaushalt beschlossen haben. Die Universität muss bereits jetzt planen. Wir wollen, dass die ersten Studierenden zum Wintersemester 2020 ihr Studium aufnehmen können. Des
Klar ist aber auch Folgendes, wie viele Gespräche, die ich im Vorfeld geführt habe, ergeben haben: Es müssen perspektivisch mehr Plätze werden. Schließlich haben wir gegenwärtig sogar 40 Ausbildungsplätze im Land pro Jahr. Davon waren früher korrelierend 20 in Magdeburg und 20 in Halle. Jetzt sind es 40 im selben Jahr. Es müssen mehr werden, weil wir auch bei den Hebammen einen hohen Altersdurchschnitt haben. Die Zahl derer, die demnächst in Rente gehen, zusätzlich zu den jetzt schon unbesetzten Plätzen, lassen mich prophezeien, dass wir mit den 20 Studienplätzen nicht weit kommen werden.
Fachkräftebedarf ist auch hierbei das Stichwort. Wie bei mittlerweile nahezu allen Berufen hier im Land müssen wir nachsteuern. Wir haben recherchiert, dass auch aufgrund der Renteneintritte allein bei den kommunalen Krankenhäusern ein Bedarf von 60 Hebammen im Jahr besteht. Es ist völlig klar, dass die 20 Studienplätze allein nicht ausreichen werden. Gemäß Punkt 1 unseres Antrages werden wir hierzu dann eine Evaluierung vornehmen.
Punkt 2 des Antrages sieht klar vor, dass das Land mit den zuständigen Akteuren im Land schnellstmöglich ins Gespräch kommt und den Bedarf erfasst, und dann gilt es eben gegebenenfalls nachzusteuern. Wir werden sehen, was wir dann im nächsten Doppelhaushalt vielleicht für das Jahr 2021 zu berücksichtigen haben werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Auch für die Geburt gilt: Fachkräfte tun not. Länger auf seine Autoreparatur oder eine handwerkliche Leistung zu warten ist ärgerlich, aber machbar. Auf seine Hebamme kann man nicht warten, weil eine Geburt im Zweifel nicht verschiebbar ist.
Insofern haben wir hierbei ein tatsächlich existenzielles Problem, dem wir uns widmen müssen. Funklöcher nerven, aber Hebammen, die fehlen, sind eine Katastrophe.
Ein zukunftsfestes Land muss einen bestmöglichen Start ins Leben gewährleisten. Das gilt für das Neugeborene ebenso wie die frisch gebackene Mutter oder den frisch gebackenen Vater. Wir wollen Sachsen-Anhalt zukunftsfest machen. Dazu gehören auch Hebammen. Dazu gehört ein finanziell abgesicherter Studiengang samt Professur; auch darüber wird noch zu reden sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz ehrlich, wenn wir den Schwangeren und den werdenden Familien in Sachsen-Anhalt nicht garantieren kön
nen, dass die Frau in ihrer Schwangerschaft und bei der Geburt bedarfsgerecht und individuell fachlich begleitet wird, dann können wir eigentlich einpacken. Dann haben wir es schon versäumt, den Grundpfeiler der Daseinsvorsorge zu verankern. Aber das werden wir nicht zulassen.
Ergänzend will ich noch Folgendes sagen, wenn ich gerade dabei bin zu beschreiben, was alles noch nötig ist: Wir müssen auch die Nachqualifizierung derjenigen Hebammen, die jetzt ihre Ausbildung beenden und schon im Feld unterwegs sind, in den Blick nehmen.
Auch die fachschulisch ausgebildeten Hebammen müssen die Möglichkeit haben, sich weiter zu qualifizieren, ihre Arbeit wissenschaftlich zu reflektieren und damit auch ihre Profession aus sich selbst heraus weiterzuentwickeln. Darüber, dass diese Plätze on top kommen würden, werden wir an anderer Stelle noch zu verhandeln haben.
Die Frage der Vergütung ist ebenfalls nicht abschließend geklärt. Die Entwürfe eines primär qualifizierenden Studiengangs sehen nämlich quasi ein Vollzeitstudium vor. Es wird keine großen Semesterferien geben; denn in diesen ansonsten studienfreien Zeiten ist der hohe Praxisanteil mit knapp 3 000 Stunden zu absolvieren. Der Zeitplan wird durch Lehre und das an Praxis zu Leistende ausgeschöpft sein.
Insofern - ich habe diesbezüglich schon erste Gespräche geführt - müssen die Krankenkassen nicht nur mit im Boot bleiben, sondern müssen sich deutlich mehr engagieren. Das ist ein Brett, das wir ebenfalls bohren müssen. Wenn wir dieses Vorhaben auf den Weg bringen wollen, müssen wir diejenigen, die letztendlich durch eine interventionsarme Geburt Kosten sparen - denn ein Kaiserschnitt ist deutlich teurer -, am Anfang mit in die Pflicht nehmen, damit das alles zu leisten ist.
Wenn ich mir anschaue, wie wir uns im Bundesvergleich aufstellen, dann sind wir in der Bundesrepublik das letzte Land, das die Akademisierung auf den Weg bringt. Dies ist ein Standortvorteil bzw. ein Standortnachteil, den wir im Moment noch haben. Denn wenn die jungen Menschen - das ist nicht schwer vorstellbar - vor der Frage stehen, ob sie ihr Studium mithilfe des BAföG, durch Arbeit, Verlängerung der Studienzeiten oder durch die Eltern finanzieren lassen müssen oder im Sinne eines dualen Studiums von Anfang an Geld bekommen, dann ist es, glaube ich, klar, wofür sich die jungen Leute entscheiden. Wir wissen, was passiert, wenn junge Leute erst einmal an anderer Stelle eine Ausbildung, ein Studium beginnen.
Über die Erstellung der Curricula und die Akkreditierung des Studienganges im Land etc. wird noch zu reden sein. Es ist schon jetzt ein sportlicher Zeitplan, den wir vor uns haben, um tatsächlich im nächsten Jahr mit der Ausbildung beginnen zu können.
Mit den Verantwortlichen, die durchaus Erfahrung mit der Neuzulassung von Studiengängen haben - ich denke nur an die Pflegewissenschaften in Halle -, habe ich Gespräche geführt, die mich hoffen lassen, dass wir das alles hinkriegen. Aber nichtsdestotrotz ist es sehr wichtig, dass wir als Landtag an dieser Stelle ein Zeichen setzen, dass wir das unterstützen, dass wir es wollen und dass wir es dort in den bestmöglichen Händen sehen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen eine sichere und natürliche Geburt in Sachsen-Anhalt, wenn möglich ohne Intervention oder Gerätemedizin. Dafür sind Hebammen Garanten und deswegen stärken wir sie.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Änderungsantrag der LINKEN sagen. Einige der Punkte, die DIE LINKE noch zusätzlich fordert, habe ich in meinem Redebeitrag bereits aufgegriffen, beispielsweise die Etablierung eines dualen Studiengangs und die Erarbeitung eines akademischen Konzeptes für die Fortbildung usw.
Wir wollen heute das Signal senden, dass die 20 Studienplätze, die avisiert sind, um es ganz knapp herunterzubrechen, für die Halle in den Startlöchern steht, um die Akkreditierung voranzutreiben, im Land und in Halle gewollt sind und dass die finanzielle Ausstattung im Haushaltsplan vorbereitet ist. Alles andere werden wir danach machen. Immer schön eines nach dem anderen. Wir werden den Änderungsantrag heute ablehnen; denn wir wollen uns ganz klar auf die Einrichtung dieser 20 Studienplätze konzentrieren.
Ich sehe keine Nachfragen. Damit ist der Redebeitrag zur Einbringung dieses Antrages beendet. Bevor wir in die Debatte eintreten, begrüßen wir auf unserer Zuschauertribüne ganz herzlich Damen und Herren der Seniorenvertretung
Steigen wir nun in die Debatte ein. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Grimm-Benne. Ich erinnere daran, dass eine Fünfminutendebatte vereinbart worden ist. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Um all das, was Frau Abg. Lüddemann gerade gesagt hat, umsetzen zu können, liegt es quasi auf der Hand, dass dafür die Novellierung des Hebammengesetzes auf Bundesebene zwingend erforderlich ist. Ohne diese Änderung geht auf der Länderebene praktisch gar nichts.
An die EU-rechtlichen Vorgaben muss die Ausbildung bis zum 18. Januar 2020 angepasst sein. Das Bundesgesundheitsministerium hat mitgeteilt, dass die Umsetzung des Gesetzes und der begleitenden Verordnung derzeit in der Vorbereitung sei und bis Januar 2020 abgeschlossen sein solle.
Der entsprechende Referentenentwurf soll im ersten Quartal 2019 veröffentlicht werden. Außerdem hat das Bundesministerium eine Studie in Auftrag gegeben. Von dieser erwartet man konkretere Aussagen zu Finanzierungsregelungen - das ist heute schon angesprochen worden - und vor allen Dingen zu Übergangsfristen von fachschulischer zu akademischer Ausbildung.
Ohne das Vorliegen der bundesrechtlichen Voraussetzung können die notwendigen Vorbereitungen in den Ländern nur schwer umgesetzt werden. Dennoch sind wir angesichts der bekannten Problemlage in unserem Land im Bereich der Hebammenversorgung nicht untätig.
Im Rahmen der 92. Gesundheitsministerkonferenz wird der Bund nunmehr in einem Umlaufbeschluss aufgefordert, das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen und bis zum 1. Oktober 2019 abzuschließen. Denn wir sind auf der Länderebene mehrheitlich der Auffassung, dass nur dann eine rechtzeitige Umsetzung in den Ländern erfolgen kann. Wir brauchen einfach genügend Zeit, um die umfassenden Vorbereitungen umsetzen zu können.
Überdies erwarten wir vom Bund - auch das ist heute schon angesprochen worden -, dass Fragen der Finanzierung im Vorfeld geklärt werden. Bisher waren die Krankenkassen finanziell an der Ausbildung beteiligt. Es ist abwegig, diese finanzielle Beteiligung nun aufzugeben.