Protocol of the Session on December 19, 2018

(Beifall im ganzen Hause)

Selbstverständlich dürfen Sie heute ausnahmsweise die Schokoladentäfelchen essen, die übrigens aus Sachsen-Anhalt kommen.

Wir kommen nunmehr zum

Tagesordnungspunkt 5

Aktuelle Debatte

Schulgeldfreiheit für Erzieher- und Gesundheitsberufe - neue Wege in der beruflichen Bildung

Antrag Fraktion SPD - Drs. 7/3728

Die Redezeit je Fraktion beträgt zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: SPD, AfD, GRÜNE, DIE LINKE und CDU.

Zunächst hat die Antragstellerin das Wort. Frau Dr. Pähle spricht für die SPD-Fraktion. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Der viel diskutierte Fachkräftemangel ist in vielen Regionen und Berufsfeldern ein Problem, das sich bereits jetzt auf die Besetzung freier Stellen auswirkt.

Ich sage: Da, wo politisches Wirken diesem Mangel etwas entgegensetzen kann, sind wir als Politik auch verpflichtet, etwas zu tun. Im Bereich der Gesundheitsberufe und auch im Bereich der Erzieherinnen und Erzieher sind wir daher aufgefordert, etwas gegen den drohenden Fachkräftemangel zu unternehmen.

Wenn jetzt zum Beispiel vom Bund 13 000 neue Pflegestellen geschaffen werden sollen, dann wissen wir alle, dass die eigentliche Herausforderung nicht die Finanzierung dieser Stellen ist, sondern deren Besetzung. Blickt man auf diesen Mangel und nimmt dann noch den Mangel in anderen Gesundheits- und Sozialberufen hinzu, dann sieht man, dass jedes Hemmnis, das dazu führt, das Interesse an diesen Ausbildungen zu mindern, ein Hemmnis zu viel ist; dieses müssen wir dann aus dem Weg räumen.

Ganz oben auf der Liste von Hürden auf dem Weg zu diesen Berufen steht das Schulgeld, das für die schulischen Berufsausbildungen in Gesundheits- und Sozialberufen anfällt. Während Azubis im Bereich des Handwerks eine Ausbildungsvergütung erhalten, zahlen die Schülerinnen und Schüler für ihre vollzeitschulische Ausbildung in Sachsen-Anhalt teils mehrere hundert Euro pro Monat.

Während wir bei der dualen Ausbildung auf der einen Seite zu Recht über die wirklich dringend nötige Mindestauszubildendenvergütung spre

chen, müssen wir auf der anderen Seite den jungen Leuten, die eine Ausbildung im Bereich der Gesundheits- und Sozialberufe anstreben, das Signal geben, dass sie für diese wichtigen Ausbildungen nicht noch Geld mitbringen müssen.

Dass dies ein Nachteil vieler und ausgerechnet gesellschaftlich bedeutsamer Berufsfelder im

Wettbewerb um Fachkräfte ist, das liegt klar auf der Hand. Aus gutem Grund haben wir im Sommer das Schulgeld in der Altenpflege bereits für das derzeit laufende Schuljahr abgeschafft.

(Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD)

Umso ärgerlicher ist es, dass das Bildungsministerium noch nicht in der Lage war, die dafür notwendige Verordnung auf den Weg zu bringen.

(Zustimmung von Dr. Verena Späthe, SPD)

Die Schulen sind dankenswerterweise in Vorkasse gegangen. Dieser Mangel muss aber schnellstmöglich beseitigt werden, da es gerade für kleine Pflegeschulen mittlerweile tatsächlich ein Problem ist, das nicht erhobene Schulgeld aus der eigenen Tasche zu entrichten.

Während es also für die Altenpflegeausbildung eine Lösung gibt, müssen angehende Diätassistenten, Ergotherapeutinnen, Physiotherapeuten, Masseurinnen und medizinische Bademeister, medizinisch-technische Assistenten in Laboren und in der Funktionsdiagnostik, pharmazeutischtechnische Assistenten oder Logopäden genauso wie Erzieherinnen und Erzieher weiter Schulgeld zahlen.

Gestern konnte ver.di mit den kommunalen Arbeitgeberverbänden eine Einigung darüber erreichen, dass die betrieblich-schulischen Auszubildenden in den kommunalen Krankenhäusern und den Universitätsklinika eine Ausbildungsvergütung bekommen.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: So, so!)

Leider betrifft das in Sachsen-Anhalt nur das Städtische Klinikum in Dessau-Roßlau,

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Die bilden nicht aus!)

für das der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gilt. Das ist für uns ein Grund mehr, uns für die Schulgeldfreiheit für alle einzusetzen.

Es geht bei der Forderung nach Schulgeldfreiheit aber nicht mehr nur allein um die Fachkräftesicherung. Es geht auch um Anerkennung, Anerkennung für Menschen, die Zuwendungsberufe ausüben, deren Dienste fast jeder und jede von uns in Anspruch nimmt, ob Groß oder Klein, Dienste,

die für das Funktionieren unseres Gesundheitswesens unverzichtbar sind.

Aber diese Berufe haben in der Öffentlichkeit gegenüber Parlamenten, Regierungen und Selbstverwaltungsorganen bei Weitem keine so starke Lobby wie Ärztinnen und Ärzte, wie die pharmazeutische Industrie oder die Hersteller technischer Großgeräte. Umso wichtiger ist es, dass die Politik ihre Interessen wirksam vertritt.

Meine Damen und Herren! Ich habe in den letzten Monaten viele Gespräche mit den Vertretern zahlreicher Gesundheitsberufe geführt. Besonders eindrucksvoll war die Protestaktion „Therapeuten am Limit“ am 25. August 2018 in Halle, die Teil einer bundesweiten Aktion an diesem Tag war. Das zeigt zum einen, dass Sachsen-Anhalt mit diesem Problem nicht allein dasteht, und zum anderen, vor welchen Problemen wir tatsächlich stehen.

In den Gesprächen wurde deutlich, dass die Betroffenen viele Probleme haben, auf die sie in ihrem Berufsalltag stoßen und die sie zu Recht als mangelnde Anerkennung wahrnehmen, seien es eine schlechte Bezahlung, überbordende Bürokratie oder eben die Kosten für die Ausbildung des beruflichen Nachwuchses wie das Schulgeld.

Viele dieser Probleme haben ihren Ursprung in Entscheidungen der Selbstverwaltungsorgane des Gesundheitswesens. Bei den Physiotherapeuten hat ein Schiedsspruch im August zumindest für ein Jahr Rechtssicherheit und eine höhere Leistungsvergütung geschaffen. Perspektivisch muss die Vergütung in Sachsen-Anhalt aber dauerhaft auf dem Niveau des Bundesdurchschnitts abgesichert werden.

Eine weitere Baustelle ist die Akademisierung der Therapieberufe. Insbesondere ausgebildete Logopädinnen und Logopäden arbeiten schon jetzt mit höchst komplexen Fällen, bei denen sie die Behandlungsmethoden immer wieder selbst anpassen.

Obwohl bereits jetzt 90 % der Logopädinnen und Logopäden Abiturienten sind, sind die Wege in eine akademische Ausbildung rar gesät und werden nicht ausreichend honoriert. Hier muss abseits der bestehenden Modellklauseln mehr Bewegung ins Spiel kommen. Ich glaube, SachsenAnhalt kann dabei auch ein Stück weit vorangehen.

Meine Damen und Herren! Neben den Gesundheitsberufen betrifft das Thema aber genauso die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern. Auch in diesem Fall reden wir über einen dringenden gesellschaftlichen Bedarf. Spätestens seit der Evaluierung des Kinderförderungsgesetzes wissen wir, dass in Sachsen-Anhalt 57 % der heute

Beschäftigten älter als 45 Jahre alt sind und spätestens in den nächsten 22 Jahren in Rente gehen werden. Der Fachkräftemangel ist mit Händen zu greifen.

Ähnlich wie bei Lehrerinnen und Lehrern ist der Markt zudem hoch umkämpft. Gerade in den grenznahen Regionen zu Niedersachsen sind die Auswirkungen des Gehaltsgefälles schon heute deutlich zu spüren.

Wir sind also in der Situation, dass wir über jeden jungen Menschen froh sein können und müssen, der sich für diesen tollen, aber fordernden Beruf entscheidet. Umso unverständlicher finde ich es, wenn in manchen Kreisen und in manchen Kitas immer noch mit befristeten Verträgen für Erzieherinnen und Erzieher gearbeitet wird.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Bundesministerin Giffey hat das Problem erkannt und gestern ihre Fachkräfteoffensive zur Attraktivitätssteigerung der Erzieherausbildung vorgestellt. Die Bundesländer sollen 300 Millionen € unter anderem dafür erhalten, dass sie in den kommenden Ausbildungsjahren eine Vergütung zahlen. Das ist wichtig und ein sicheres Signal für das, was wir auch im Land vorhaben.

Meine Damen und Herren! Mit der Abschaffung des Schulgeldes ist es aber nicht getan, wenn wir diese Ausbildung attraktiver machen wollen. Schon aufgrund des KiFöG steigt der Bedarf an qualifizierten Fachkräften durch den Einstieg in eine bessere Betreuungsrelation und durch die zusätzlichen Personalausstattungen in Kitas mit besonderem Bedarf.

Mit dem Gute-Kita-Gesetz bietet sich die Chance, noch mehr in die Qualität und in das Personal zu investieren. Aber wer B wie Betreuungsrelation sagt, muss auch A wie Ausbildung sagen, sonst steht die Verbesserung am Ende nur auf dem Papier.

Im Mittelpunkt muss dabei aus meiner Sicht eine größere Praxisnähe, ja sogar die Dualisierung der Erzieherausbildung stehen, die dann auch vergütet werden muss.

(Zustimmung von Swen Knöchel, DIE LIN- KE)

Es ist ganz klar. Wir brauchen eine Verkürzung der Ausbildungsdauer.

(Beifall bei der SPD)

Denn wer zum nächsten Ausbildungsjahr beginnt, steht erst im Herbst 2024 als Erzieher oder Erzieherin zur Verfügung. Das ist einfach zu lange.

Um hierbei voranzukommen, lohnt sich ein intensiver Dialog mit der Kultusministerkonferenz. Ba

den-Württemberg hat mit der praxisorientierten Ausbildung bereits einen um ein Jahr auf vier Jahre verkürzten Ausbildungsweg geschaffen, der bundesweit anerkannt ist.