Protocol of the Session on November 23, 2018

SGB VIII die Ermöglichung von Beschwerden in persönlichen Angelegenheiten. Insbesondere die Missbrauchsfälle in Institutionen wie Heimen - genannt sei etwa die Odenwaldschule - haben zu dieser Gesetzesänderung beigetragen. Die Vorfälle rund um die Haasenburg als freiem Träger der Jugendhilfe in Brandenburg haben ebenfalls deut

lich gezeigt, dass es Möglichkeiten der Beschwerde geben muss.

Im Rahmen dieser internen Beschwerdemöglichkeiten soll das Land gemäß Punkt 2 des Antrages beratend aktiv werden, also die Einrichtung bei der Gestaltung ihres internen Beschwerdemanagements unterstützen, es als Instrument der eigenen Qualitätsentwicklung im besten Fall schätzen lernen.

Doch wie gut auch immer ein einrichtungsinternes Melde- und Beschwerdemanagement aufgestellt ist: Es braucht auch einrichtungsexterne Beschwerdemöglichkeiten; denn nur diese sind wirklich unabhängig und damit außerhalb des Machtraumes der Einrichtung.

Aus diesem Grund sollte der Ansatz der Ombudschaft im Rahmen der Novelle des SGB VIII gestärkt werden. Diese Novelle fand, wie vielfach bekannt und bedauert wurde, bisher nicht statt. Aber das sollte uns als Land nicht aufhalten, selbst aktiv zu werden, um das einrichtungsinterne Beschwerdemanagement um ein externes zu ergänzen.

Es ist nicht nur die Unabhängigkeit externer Stellen, die das begründet, vielmehr ergibt sich auch eine ergänzende Perspektive. Beziehen sich interne Beschwerdeverfahren primär auf vermeintliche Verletzungen des Leistungsvertrages zwischen den Adressaten der erzieherischen Jugendhilfe und dem freien Träger, so behandeln sie logischerweise nicht die Geltendmachung von Rechtsansprüchen durch das Jugendamt. Genau dafür braucht es einrichtungsexterne Beratungs- und Beschwerdestellen. Nur diese können die öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen Klient und Jugendamt abdecken.

Die Ombudsstelle soll auch Übersetzungsleistungen erbringen. Häufig entstehen nämlich Konflikte, weil im wahrsten Sinne des Wortes die Beteiligten unterschiedliche Sprachen sprechen. Dabei versteht der junge Mensch eben nicht, was das Amt von ihm will, und das Amt versteht nicht, was der junge Mensch an das Amt herantragen will.

Das ist eine Dienstleistung, die sicherlich auch an anderer Stelle wünschenswert wäre. Aber heute beschäftigen wir uns erst einmal mit den jungen Menschen und der Jugendhilfe.

Die Fallbegleitung kann sich durchaus auch über längere Zeiträume erstrecken. Die angestrebte Stärkung der Position der Jugendamtsklienten ist aber nicht mit einer parteiischen, quasi einer anwaltschaftlichen Tätigkeit, zu verwechseln; diese Institution wird auch immer wieder einmal ins Gespräch gebracht.

Bei der Ombudsstelle geht es vielmehr um den Gedanken der Mediation, der Vermittlung; dieser

Ansatz ist zentral. Die Ombudsstelle ist im besten Fall allparteilich; das hatte ich bereits eingangs angeführt. Vermittlung und Schlichtung sollten im Fokus stehen.

In diesem Sinne geht es vorrangig erst einmal darum, Gesetzestexte, Verwaltungsverfahren und die Amtssprache für die jungen Menschen zu übersetzen und nachvollziehbar zu machen. Damit dies gelingt, braucht es zwei zentrale Kompetenzen. Zum einen braucht es selbstverständlich sozialrechtliche Kompetenzen, zum anderen sozialpädagogische Fähigkeiten. Es ist also durchaus eine anspruchsvolle Aufgabe, die hier geleistet werden soll.

Mir ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Stellen Konflikte entschärfen und vielleicht sogar vermeiden werden. Es wird weniger Gerichtsverfahren geben. Es wird die Partnerschaftlichkeit aller Beteiligten gestärkt. Neben zielgenauen Antragsverfahren kann auch das Hilfeplanverfahren dadurch optimiert werden. Vor allem kann die Ombudsstelle durch eine Stärkung der jungen Menschen deren aktives Mitwirken im Hilfeplanverfahren anregen.

Solcherart positive Effekte kann der bundesweite Vorreiter dieser Stellen, nämlich der Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe, statistisch nachweisen. Das können Sie in entsprechenden Jahresberichten und in Erhebungen des Vereins nachlesen. Auch wenn diese Formel etwas abgegriffen klingen mag, bin ich überzeugt davon: Ombudsstellen schaffen eine Win-win-Situation.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ombudsstellen haben das Potenzial, zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung der Jugendämter beizutragen; die Erfahrungen dieser Stellen können dazu dienen, die Verwaltungspraxis weiterzuentwickeln. Denn wenn etwa regelmäßig ähnliche Problemkonstellationen bei den Ombudsstellen auflaufen, dann ist dies sicherlich auch für die jeweiligen Amtsleiterinnen von Interesse. Zudem ergeben sich Hinweise für amtsinterne Neuregelungen.

Wir wollen junge Menschen und die Jugendämter gleichermaßen stärken im Sinne eines demokratischen Sachsen-Anhalts. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. Es ist sehr schön, dass Sie Redezeit eingespart haben. Wir sind schon wieder etwa eine Dreiviertelstunde im zeitlichen Verzug. Wir haben also etwas aufzuholen. Ich möchte daran erinnern, dass jeder, auch die Landesregierung, versuchen sollte, die Redezeit einzuhalten.

Bevor wir in die Debatte der Fraktionen einsteigen, spricht Frau Ministerin Frau Grimm-Benne für die Landesregierung. Frau Ministerin GrimmBenne, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Seit mehr als zehn Jahren, ausgehend von den tragischen Kinderschutzfällen, die mit den Namen Kevin in Bremen und Lea-Sophie in Hamburg verbunden sind, gibt es in der Jugendhilfe sowohl gesetzliche als auch untergesetzliche Maßnahmen, die den Kinderschutz zu Recht massiv gestärkt haben.

Vielen von Ihnen sind die Etappen bekannt, die die Jugendhilfe in Bund und Ländern seit Mitte der 2000er-Jahre zurückgelegt hat, um rechtzeitig Mechanismen wirksam werden zu lassen, sodass derartige Fälle möglichst nicht mehr geschehen können.

Ich nenne nur einmal das Kinderschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2009. Als weiterer Meilenstein wurde im Jahr 2012 das Bundeskinderschutzgesetz verabschiedet. Dies geschah unter anderem unter dem Eindruck und infolge der Aufarbeitungsergebnisse der Runden Tische „Heimerziehung“ und „Sexueller Kindesmissbrauch“.

Hierbei wurde auch politisch erkannt, wie wichtig geeignete Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind, um die Rechte von Kindern zu sichern. Derartige Verfahren müssen vorhanden sein, damit zum Beispiel Träger eine Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII erlangen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Forderung nach ombudsschaftlicher Beratung ist aus einem weiteren Grund konsequent, nämlich dann, wenn wir die Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe und auch die Entwicklung von Kindern zu eigenständigen Persönlichkeiten wirklich ernst nehmen und ernst meinen. Wir müssen Kinder und Jugendliche noch mehr befähigen, ihre Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten selbstbewusst wahrzunehmen. Ich nenne nur das Stichwort eigenständige Jugendpolitik.

Deren Umsetzung ist in Sachsen-Anhalt bislang gut gelungen, zum Beispiel durch das Landeszentrum Jugend und Kommune. Es gibt viele weitere Gründe, noch mehr zu tun.

Ich nenne das Stichwort Machtasymmetrien. In diesem Kontext bedeutet dies, dass Jugendliche, die zum Beispiel in einem Heim untergebracht sind, aufgrund der dortigen Abhängigkeitsstrukturen besonders vulnerabel und schutzbedürftig

sind und damit besonders auf wirksame Beschwerde- und Schutzsysteme angewiesen sind, die diesem Machtgefälle entgegenwirken.

Gerade hierzu habe ich in der letzten Woche ein Gespräch mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung Herrn Rörig geführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Antrag greift beide Aspekte auf, um die es hierbei gehen muss, nämlich einerseits ein Beratungsangebot für junge Menschen und ihre Eltern, wenn sie ihre Rechte nach dem SGB VIII geltend machen möchten. Andererseits sollen die Heimträger unterstützt werden, damit sie wirksame Beschwerde- und Beteiligungssysteme etablieren bzw. die existenten noch besser machen können.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem Antrag nimmt das Reformvorhaben des SGB VIII in Form des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes, welches vom Bundesrat leider nicht verabschiedet worden war, wieder an Fahrt auf. Dieser Entwurf hat in der Tat auch an prominenter Stelle im Gesetz eine Formulierung zur Einrichtung von Ombudsstellen als Kannregelung aufgenommen.

Sachsen-Anhalt hat dies damals unterstützt. Das Bundesfamilienministerium hat nunmehr vor wenigen Tagen offiziell die Arbeit an einer Reformierung der Kinder- und Jugendhilfe mit breiter Beteiligung neu gestartet. Damit könnte auch verbunden sein, dass in absehbarer Zeit eine gesetzliche Verankerung von Ombudsstellen erfolgt, sodass unser Prozess, ein Modellvorhaben zu konzipieren, auch zeitlich gut passt, um Erfahrungen einspeisen zu können.

Ich jedenfalls freue mich auf die Arbeit an diesem Vorhaben, und ich freue mich, dass zu diesem Antrag eine Beschlussfassung erfolgen wird. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zu- stimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜ- NE)

Vielen Dank, Frau Ministerin Grimm-Benne. Es gibt keine Fragen. - Somit steigen wir in die Fünfminutendebatte ein. Der erste Debattenredner wird für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Wald sein. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Geschätzte Kollegen! Die Initiative der Regierungskoalition ist nach unserer Meinung ebenso lobenswert wie überfällig. Bereits im Jahr 2002 wurde im Land Berlin die erste Ombudsstelle auf Länderebene eingerichtet. Auch

wenn nicht immer alles gut ist, was aus der Hauptstadt kommt, ist seitdem doch eine ganze Reihe von Bundesländern diesem Beispiel gefolgt. Somit sind sie wieder einmal weiter als wir in Sachsen-Anhalt.

Grundsätzlich - das sei eingangs erwähnt - steht meine Fraktion dem Antrag der Koalition wohlwollend gegenüber. Dennoch möchte ich auf einige Punkte hinweisen, die in der Umsetzung des Vorhabens ihren Niederschlag finden müssen.

So bleibt bei einer Annahme des Antrages zu klären, wie das Konzept der ombudschaftlichen Beratung in der Kinder- und Jugendhilfe von der Landesregierung zweckdienlich sichergestellt und übertragen werden soll. Welche Strukturen und Personen sollen mit der Aufgabe ombudschaftlicher Beratung betraut werden und wie wird das Land deren Unabhängigkeit gewährleisten?

Nach unserer Auffassung muss die Beratung zwingend außerhalb der Jugendamtsstrukturen erfolgen. Das stärkt das Vertrauen der Betroffenen in das Instrument und schützt die Jugendämter vor Interessenkonflikten.

Dabei sollen mögliche fachliche Widersprüche zwischen Ombudsleuten und den Fachkräften der Jugendämter vor allen Dingen als fruchtbringender Bestandteil des Ringens um die beste Jugendhilfe im Sinne der Betroffenen betrachtet werden. Konkurrenzdenken wäre dabei fehl am Platz - Stichwort: Kooperation mit den Regelinstitutionen der Kinder- und Jugendhilfe.

Außerdem sehen wir die Gefahr, dass sich die ombudschaftliche Beratung in der Jugendhilfe zum inflationär genutzten Instrument entwickelt. Der Verringerung der Zahl an Klagen steht unter Umständen ein erheblicher Anwuchs an Schlichtungsverfahren und Ähnlichem gegenüber. Ob dann noch von einer echten Entlastung der Jugendämter durch Vermeidung von Klagen gegen Jugendamtsbescheide gesprochen werden kann, bleibt anzuzweifeln.

Es stellt sich weiter die Frage, inwieweit beim Aufbau der ombudschaftlichen Strukturen Ehrenamtliche beteiligt werden sollen. Wie gestalten Sie den Ausbau hauptamtlicher Strukturen und in welchem Bereich setzen Sie die Schwerpunkte?

Wir schätzen die Expertise und das Engagement der Ehrenamtler. Wenn ehrenamtliche Strukturen die Unabhängigkeit der Ombudsstellen gewährleisten, begrüßen wir das. Gleichzeitig lehnen wir es aber ab, wenn der Staat immer mehr Lasten auf die Zivilgesellschaft abwälzt. Hierbei gilt es, das rechte Maß zu finden.

In Bezug auf mögliche ehrenamtliche Ombudsstrukturen werden wir im Übrigen darauf achten, wer mit diesen Aufgaben betraut wird. Wir haben

hierzulande bereits zu viele rot-grüne Selbstversorgungsstrukturen in der angeblich so bunten Vereinslandschaft.

(Zustimmung bei der AfD)

Wir, die Alternative für Deutschland, werden es nicht hinnehmen, wenn erneut Versorgungsposten für Ihre Parteigänger geschaffen werden sollen.

(Zustimmung bei der AfD)

Sie haben den Mut gefunden, das Thema Ombudschaft in der Jugendhilfe zu bearbeiten.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Vor sieben Jahren!)