Protocol of the Session on November 23, 2018

Zu der anderen Frage, die Sie angesprochen haben, die Randbetreuungszeiten. Wenn in einer Einrichtung zwei Kinder da sind, die zehn Stunden brauchen, weil die Eltern arbeiten, und zwei Kinder, deren Eltern nicht arbeiten, die also keinen Zehnstundenanspruch mehr haben und nach acht Stunden gehen, dann bleibt die Erzieherin für zwei Kinder noch in der Einrichtung. Aber sie könnte auch für vier Kinder in der Einrichtung bleiben.

(Zurufe)

- Ja, natürlich. Aber Sie suggerieren mit diesem Gerechtigkeitsempfinden, dass den Eltern dadurch gegebenenfalls Verbesserungen zuteilwerden, indem Sie weniger Beiträge zahlen müssen, weil diese Kinder dann raus sind. Das ist ein Trugschluss; das ist falsch. Und genau darum - -

(Zurufe - Unruhe)

Sehr geehrte Kollegen! Ich denke, wir könnten hier noch weitere Zwiegespräche führen.

Gut. Wir können ja dann noch unter vier Augen darüber sprechen.

Sehr geehrte Frau Hohmann, wir werden heute sicherlich nicht zu einem Konsens kommen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Deswegen würde ich jetzt sagen: Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Das wird für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abg. Frau Lüddemann sein. - Sie haben das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Heute wird die gute Kindertagesbetreuung in Sachsen-Anhalt ein gutes Stück besser.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nach zum Teil - das will ich zugeben - schwierigen und auch kontroversen Verhandlungen können wir heute mit Fug und Recht sagen: Wir haben einiges erreicht. Wir entlasten die Eltern. Wir verbessern die Personalsituation in den Einrichtungen. Wir ziehen einige Regelungen zur Finanzierung, zu den LEQ, zum Wahlprozedere der Elternvertretungen gerade und wir steigen in eine bedarfsgerechte Sonderförderung ein, die genau dort mehr Personal einsetzt, wo es wirklich gebraucht wird.

Insbesondere dieser Einstieg ist für mich ein vielversprechendes neues Instrument, um unsere Kinderbetreuung im Land qualitativ nach vorn zu bringen. In dem diesbezüglichen Antrag habe ich bereits damals deutlich erläutert, dass diese Sonderförderung für mich eine der zentralen Maßnahmen im Land gegen Kinderarmut ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Gesetz zeigt deutlich: Trotz des extrem engen Zeitplans - das will ich zugeben - haben wir Anregungen aus der Anhörung aufgegriffen, etwa indem wir dafür sorgen, dass die Schiedssprüche in Zukunft zu veröffentlichen sind oder dass die Betreuungsverträge gerade im Hort nun doch nicht bereits ab der dritten Stunde zu staffeln sind.

Ich stehe für eine gute Kinderbetreuung, für frühkindliche Bildung, für gemeinsames Spielen und Betreut-Werden ein.

Die vorgelegten vielfachen Änderungen und Verbesserungen sind uns zusätzliche Steuergelder in Höhe von 47 Millionen € wert. Das muss man an dieser Stelle auch einmal klar sagen. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Wenn ich an die Proteste - sie wurden hier erwähnt - und die kritischen Stimmen denke, die das Gesetz zuletzt erfahren musste, kann ich sagen: Das ärgert mich zutiefst. Denn die Änderungen, die bei der Kritik in den Mittelpunkt gestellt wurden, betrafen alle - so war bisher auch die Debatte hier im Hohen Hause - die Änderung des Rechtsanspruchs. Darüber kann man diskutieren, das kann man auch unterschiedlich bewerten.

Wir GRÜNEN haben das schon vor langer Zeit getan, Frau von Angern. Wir haben das getan, bevor wir in diese Koalition eingetreten sind. Wir sind tatsächlich der Auffassung: Wenn beide Eltern den ganzen Tag zu Hause sind, dann ist ein Achtstundenanspruch für die Kinder okay.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Dann ist das richtig und dann reicht es aus. Wir wollen die Eltern nicht aus der Verantwortung nehmen. Wenn es Probleme in der Familie gibt - das ist das, worauf Sie im Grunde abstellen -, dann wird die Kita das auch in der neunten und zehnten Stunde nicht auffangen können. Dann braucht es andere Maßnahmen. Diese sind dann aber im Bereich der Jugend- und Familienhilfe zu suchen.

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Zudem haben die örtlichen Träger der Jugendhilfe einen Ermessensspielraum Darüber muss man auch einmal reden. Wir schaffen die Möglichkeit, den Betreuungsumfang zu differenzieren; wir ziehen keine messerscharfe Grenze. Ich gehe davon aus, dass wir keine ausufernde Bürokratie und Nachweisführung haben werden.

Alle Mythen, dass es keinen Zehnstundenanspruch mehr gäbe, sind so komplett falsch, dass es mich wirklich ärgert.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Wer arbeitet oder ähnliche Verpflichtungen hat, für den ändert sich an dieser Stelle nichts. Herr Kollege Lippmann, damit ist definitiv der Rechtsanspruch gemeint, nichts anderes.

Verständnis - das will ich auch sagen - habe ich für die Kritik hinsichtlich der Ansprüche der Erzieherinnen und Erzieher. Deren Alltag bleibt auch mit diesem Gesetzentwurf und den Verbesserungen anspruchsvoll und kräftezehrend. Wir alle kennen die bundesweiten Statistiken zu den Personalschlüsseln - in diesen rangieren wir immer noch weit hinten. Das Verhältnis Fachkraft pro Kind ist bei uns im Land traditionell eher schlecht, zumindest deutlich schlechter, als es die Wissenschaft empfiehlt. Daran ändert der Gesetzentwurf tatsächlich nur ein wenig.

Für die Fachkräfte stellt sich das - das kann ich nachvollziehen - so dar: Vor dem Gesetz war wenig da, jetzt ist immer noch wenig da. Es ist weniger wenig als vorher, aber es ist eben immer noch wenig. Deshalb ist es wichtig - darauf hat Kollege Krull schon hingewiesen -, dass man sich auch die Vorbemerkung zu dem Gesetzentwurf anschaut. Die Einrechnung von zehn Krankheitstagen in den Personalschlüssel ist ein erster Schritt, der uns immerhin 28 Millionen € wert ist.

Natürlich braucht es weitere, insbesondere qualitative Verbesserungen in den kommenden Jahren. Aber alle sollten sich klarmachen, dass mit diesem Gesetz auf einen Schlag 600 neue Stellen für Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land geschaffen werden, durch Personalschlüssel und Sonderförderung.

Damit wir hier sinnvoll am Ball bleiben - das will ich unmissverständlich ankündigen -, müssen wir die Ausbildung modernisieren und verkürzen. Wenn wir die Altersabgänge in den Blick nehmen, stellen wir fest: Wir bekommen diese Stellen gar nicht besetzt. Deshalb müssen wir als Nächstes die Gelder aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes hier im Land zielgenau, bedarfsorientiert und nachhaltig einsetzen. Diese sind bis zum Ende der Legislaturperiode des Bundes befristet. Es macht also keinen Sinn, auf eine dauerhafte Aufgabe zu setzen, wenn es noch keine Anschlussfinanzierung gibt.

Deshalb setze ich mich massiv dafür ein, die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz für die Finanzierung eines Quereinsteigerprogramms vorzusehen, sodass wir in einem überschaubaren Zeitraum in einer abgegrenzten Aufgabe deutlich

Frau Abg. Lüddemann, Ihre Redezeit ist bereits verstrichen.

mehr Fachkräfte im Land gewinnen können. Das machen wir dann im nächsten Jahr. Heute stimmen wir für die finanzielle Entlastung der Eltern, die zeitliche Entlastung der Erzieherinnen und Erzieher, die Sonderförderung, wo es wirklich nottut. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. Ich sehe keine Fragen. - Wir kommen nunmehr zur letzten Debattenrednerin. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Dr. Späthe. Sie haben das Wort.

Danke schön. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Hohe Erwartungen, lange Vorbereitungszeit, Evaluierung, hilfreiche Bemerkungen des Landesrechnungshofes - das war die vielfältige Begleitmusik auf dem Weg zu dem Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung steht - ein Ergebnis der Arbeit der Keniakoalition, der sachlich orientierten Zusammenarbeit von CDU, SPD und GRÜNEN.

(Beifall bei der SPD)

Nicht unbekannt ist, dass die Vorstellungen der Parteien zur Novellierung des Gesetzes in Sachsen-Anhalt sehr weit auseinandergingen. Wir sind von sehr unterschiedlichen Positionen und finanziellen Erwartungen aus gestartet, haben alle viel Arbeit hineingesteckt, haben viele Gespräche geführt und lange gemeinsam beraten, sodass alle Koalitionspartner ihren Part in den Gesetzentwurf eingebracht haben.

Ich habe für die SPD-Fraktion und fraktionsübergreifend eine „Ki-No“-Gruppe gegründet. „Ki-No“ steht für Kinderförderungsgesetznovellierung. Diese Gruppe hat sich mit fast zwei Jahren Vorlauf der Dinge angenommen. Im Fokus stand auch, verwaltungstechnische Stolpersteine zu beseitigen, die in der Regel weniger im Zentrum hochpolitischer Fragen stehen. Mir persönlich war es wichtig, mit der Einberufung dieser „Ki-No“Gruppe Dinge zu bereinigen, die die Gemeindeverwaltungen im Land und damit auch den Ruf des KiFöG im Land belastet haben. Auch das ist uns gemeinsam gelungen.

Ich möchte meine Redezeit nutzen, um mit einigen Mythen aufzuräumen, die das Land bewegen. Ich möchte auch sagen, dass diejenigen, die diese Mythen befeuert und verbreitet haben, nicht verantwortlich mit den Betroffenen im Land umgegangen sind - nicht mit den Eltern, nicht mit den Kindern, nicht mit den Beschäftigten und auch nicht mit den Kommunen, die als Verpflichtete immer die Restfinanzierung zu tragen haben.

(Beifall bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Zuerst dazu - das ist mir wichtig -: Die Gemeinden, die die Betreuung und frühkindliche Bildung als Pflichtaufgabe abzusichern haben, haben sich bis zum Bundesverfassungsgericht durchgeklagt, um sich dieses Recht absichern zu lassen. Das Land leistet zu dieser Aufgabe einen Zuschuss, es erstattet nicht Kosten. Dieser Zuschuss beträgt in der Zwischenzeit fast 400 Millionen €, allein 47 Millionen € mehr durch diesen Gesetzentwurf. Und dann reden Sie von unsicherer Finanzierung durch das Land.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Rahmenbedingungen dafür, diese Zuschüsse zu erhalten, bildet dieser Gesetzentwurf ab. Alles, was zusätzlich festgeschrieben wird, finanziert das Land für die Kommunen. Das bedeutet:

Erstens. Beitragsfreiheit über das erste Kind hinaus für Eltern, die zwei oder mehr Kinder in der Kita haben. - Das erstattet das Land.

Zweitens. Einstieg in die unbedingt notwendige Nettopersonalbedarfsberechnung, diese berühmten zehn Ausfalltage. - Auch das erstattet das Land voll.

Drittens einen Automatismus in diesem Gesetzentwurf, bei dem Tarifanpassungen in die Landespauschalen eingerechnet werden, um das Personal in den Kitas und Horten angemessen und tarifgerecht zu bezahlen. - Auch das erstattet das Land.

Sie haben gesagt, das ist die fünfte Novellierung in fünf Jahren. Ja, was haben wir denn gemacht? - Wir haben jedes Jahr die Beträge angehoben, um die Tarife einzurechnen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das war der Inhalt.

In diesem Gesetzentwurf sind Mindestanforderungen festgeschrieben - ich betone: Mindestanforderungen -, um die Pflichtaufgabe Kinderbetreuung der Gemeinden auszustatten.