Protocol of the Session on November 22, 2018

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Heiterkeit bei der LINKEN)

Das ist eine Frage der Kausalität und die gibt es nicht.

Frau Lüddemann, Sie müssen darauf nicht weiter antworten.

Ich habe schon darauf geantwortet.

Vielen Dank. - Wir kommen nunmehr zum letzten Redner. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Zimmer.

(Unruhe)

- Auch an dieser Stelle bitte ich darum, die Gemüter wieder etwas zu beruhigen, damit wir auch diesen Redebeitrag vernehmen können.

(Ministerpräsident Reiner Haseloff und Mi- nisterin Prof. Dr. Claudia Dalbert unterhal- ten sich)

Herr Zimmer, einen kleinen Moment. Die Abgeordneten und auch die Mitglieder der Landesregierung auf der Regierungsbank brauchen noch eine Minute. - Jetzt haben Sie die Möglichkeit zu reden. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Begriffe Strukturwandel und Kohlekommission haben die Debatte bis hierher bestimmt. Ich habe gestern einfach einmal den Versuch unternommen und den Begriff Kohlekommission im Internet eingegeben.

Die ersten fünf Meldungen, die ich erhalten habe, möchte ich Ihnen vorab zur Kenntnis geben; denn sie zeigen die Bandbreite der Gesamtproblematik. Punkt 1: „Streit in der Kohlekommission: Ergebnis erst im Januar?“. Punkt 2: „Braunkohle: Mittelstand warnt vor den Folgen des Ausstieges“. Punkt 3: „Merkel: Kohlekommission soll Menschen Hoffnung geben“. Punkt 4: „Falsche Schwerpunkte gesetzt - Ostländer kritisieren Kohlekommission“. Punkt 5: „Bund e. V.: Die KohleKommission muss ein klares Datum für den Kohleausstieg finden!“.

Meine Damen und Herren! Kaum ein Thema ist vor allem im Süden unseres Landes von so existenzieller Bedeutung. Kaum ein anderes Thema wird ideologisch so kontrovers diskutiert. Ich will an dieser Stelle nicht die Ansiedlung dieses oder jenes Unternehmens oder dieser oder jener Behörde fordern. Ich werde im Rahmen dieser Aussprache zu der Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten ein grundsätzliches Problem aufzeigen und näher beleuchten, das entscheidend für das mitteldeutsche Revier und für Deutschland insgesamt ist.

Es ist dringend notwendig, dass wir hier und heute in dieser Form darüber reden. Denn wir, die CDU, sind schon lange der Meinung, dass die Diskussion über einen Kohleausstieg in zwei Bereiche gegliedert werden muss: in einen grundsätzlichen Bereich, in dem es um die Sicherstellung einer unabhängigen Energieversorgung geht, und in einen strukturellen, in dem die Folgen eines Kohleausstiegs für die Reviere im Fokus stehen müssen.

Leider führen wir die Diskussion in Deutschland bereits so, als würde der Kohleausstieg zum Jahr 2035 feststehen. Es wird ständig über den Ausstieg gesprochen, ohne auch nur im Ansatz zu

prüfen, ob Deutschland im Jahr 2035 überhaupt eine großtechnische Möglichkeit der Stromerzeugung oder -speicherung besitzt, um auf die Verstromung von Kohle zu verzichten.

(Zustimmung von Florian Philipp, CDU)

Wir schalten spätestens in zwei Jahren die letzten Kernkraftwerke ab, die im Übrigen dort stehen, wo die meiste Energie verbraucht wird. Gleichzeitig sind wir hierzulande noch nicht einmal in der Lage, Stromtrassen vom Norden in den Süden zu bauen. Dank langwieriger Genehmigungsverfahren und Bürgerinitiativen, aber auch dank politischer Diskussionen über Trassenverläufe und die Ausführungsarten, Erd- oder Überlandleitungen, sind wir in der Sache bis heute keinen wirklichen Schritt weiter gekommen.

Stattdessen diskutiert die Kohlekommission viel im Verborgenen. Da werden Überschriften und Absichtserklärungen produziert. Aber im Endeffekt ist überhaupt nicht klar, warum Deutschland genau ab dem Jahr 2035 aus der Kohle aussteigen soll.

Meine Damen und Herren! Dabei reden wir nicht über ein Randthema, sondern es geht um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, es geht um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Es geht darum, ob unsere Kinder in Zukunft den gleichen Wohlstand halten können, wie ihn unsere Eltern seit der Nachkriegszeit mühevoll, aber erfolgreich aufgebaut haben.

Wenn wir über die deutsche Energieversorgung reden, dann reden wir nicht darüber, ob es sinnvoll ist, ein paar Blumenkübel entlang einer Autobahn aufzustellen, sondern wir reden über milliardenschwere Grundsatzentscheidungen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Es geht um nichts anders als um die Sicherung der deutschen Grundlastversorgung. Ich bin erschüttert, mit welcher Naivität und Einseitigkeit diese Fragen in Teilen der Politik und Gesellschaft abgehandelt wird.

(Zustimmung von Siegfried Borgwardt, CDU, und bei der AfD - André Poggenburg, AfD: Richtig!)

Wir diskutieren im Plenum zu Recht über Themen wie Breitbandausbau, E-Government, neue Innovationen, Forschung und Entwicklung und autonomes Fahren. Aber ich wünsche uns zukünftig viel Spaß mit diesen Technologien, wenn wir dann ein Energiesystem haben, das durch Stromschwankungen und Stromausfälle gefährdet sein könnte.

(Zuruf von Lydia Funke, AfD)

Einer der wesentlichen Erfolge der deutschen Wirtschaft liegt seit Jahrzehnten in einer sicheren,

preisstabilen und unabhängigen Energieversorgung begründet. Jeder verantwortungsvolle Politiker weiß, dass man an der Stromversorgung nicht herumdoktert. Das, was wir aber seit der Jahrtausendwende im Energiesektor in Deutschland machen, ist wie eine Operation am offenen Herzen.

Damit ich aber nicht falsch verstanden werde: Dass wir CO2 einsparen wollen und dass wir verstärkt Strom aus regenerativen Energien gewinnen, ist völlig unstrittig, meine Damen und Herren. Aber wir haben es eben mit einer volatilen Energieeinspeisung zu tun.

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Deshalb brauchen wir Speicher!)

Wir sind heute bereits sehr gut in der Lage, Lastspitzen abzufangen. Was aber passiert, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? - Aktuell liegt der Anteil des hierzulande erzeugten Stroms aus Kohle bei knapp 40 %, davon rund 25 % aus Braunkohle und 15 % aus Steinkohle. Dieser Anteil dürfte aber mit den Ausstieg aus der Kernenergie, deren Anteil derzeit bei knapp 10 % liegt, sogar noch weiter steigen, weil natürlich dieser Bereich der Stromerzeugung kompensiert werden muss. Und das ist bei Weitem noch nicht alles.

Deutschland, meine Damen und Herren, war einmal beim Kraftwerksbau Weltspitze. Unsere mitteldeutschen Kraftwerke sind moderne Anlagen aus der Nachwendezeit. Wer diese als Dreckschleudern verteufelt, der hat wenig Ahnung von Technik.

(Zustimmung bei der CDU und von André Poggenburg, AfD)

In diesen Kraftwerken stecken mehr als 100 Jahre ingenieurtechnische Entwicklung. Kaum jemanden interessiert, dass wir aus modernen Anlagen mittlerweile einen Wirkungsgrad von 45 % generieren können. Ein hoher Wirkungsgrad bedeutet nämlich nichts anderes, als dass mit der eingesetzten Brennstoffmenge effektiver Energie erzeugt werden kann. Steigende Effektivität steht somit für sinkende Emissionen. Ich erzähle Ihnen das nicht nur, weil es um die Arbeitsplätze in den Braunkohleregionen geht.

Wer jetzt über einen übereilten Kohleausstieg fabuliert, der muss sich auch deutlich dazu bekennen, dass er auf die Arbeitsplätze im Kraftwerksbau verzichtet, der muss deutlich machen, dass ihn die hohen technologischen und umweltpolitischen Standards in Deutschland nicht interessieren, der muss deutlich machen, dass er auf ein über 100-jähriges Know-how verzichtet, und er sollte dann auch so ehrlich sein zu sagen, dass die Arbeitsplätze in Branchen mit hohen Energiebedarfen wie der Stahlverhüttung, der Glas- und

Aluminiumindustrie, der chemischen Industrie oder der Papierindustrie ebenfalls zur Disposition stehen, genau wie die vielen Arbeitsplätze in den kleinen und mittelständischen Zuliefererbetrieben.

Meine Damen und Herren! In Deutschland sind knapp 850 000 Arbeitsplätze in diesen Branchen mit hohem Energiebedarf vorhanden. Nur sind dies Industriebereiche, die weltweit in hartem Wettbewerb stehen, weshalb wir sie zu Recht von einer EEG-Umlage befreien.

Lassen Sie es mich noch einmal deutlich sagen, meine Damen und Herren: Der Ausstieg aus der Kernenergie war aus zwei Gründen übereilt. Wir haben mit diesem Ausstieg gleichzeitig Forschung und Entwicklung aufgegeben. Das haben wir in Deutschland schon einmal getan - der eine oder andere erinnert sich noch -, als Rot-Grün nach der Jahrtausendwende der Meinung war, die Bio- und Gentechnik zu vertreiben. Die Forschung in diesen Bereichen findet trotzdem statt, nur heutzutage in Ländern, die unsere hohen Standards wenig interessieren.

Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie verhält es sich ähnlich. Weltweit sind aktuell 152 Kernkraftwerke in Planung, davon allein 43 in China. Nur, keines dieser Kraftwerke wird mit deutscher Technik gebaut, oft sogar mit russischer Beteiligung und mit fragwürdigen Sicherheitsstandards. Das heißt, der deutsche Ausstieg aus der Kernenergie hat eben nicht dazu geführt, dass auf der Welt weniger Atomkraftwerke gebaut werden. Stattdessen haben wir die Kontrolle über diese Technologie völlig aus der Hand gegeben.

Damit komme ich zum zweiten Aspekt. Wir haben damit auch dem Klimaschutz einen Bärendienst erwiesen, da hierzulande 10 % der deutschen Energieversorgung an der Grundlast aufgefangen werden müssen. Der deutsche Vorbildcharakter ist so nachhaltig, dass unsere Nachbarländer Polen und Tschechien sechs bzw. zwei neue Atomkraftwerke planen. Ich plädiere an dieser Stelle nicht dafür, dass wir das nachmachen. Ich erkläre nur die globalen Auswirkungen unseres Handelns.

Kurzum: Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie haben wir global nicht viel erreicht. Ein ähnliches Desaster droht uns technologisch beim konventionellen Kraftwerksbau. Zwar können wir einen Teil mit teurem Ökostrom abfangen, aber dies funktioniert nur, wenn es die Witterungsbedingungen zulassen.

Es muss auch klar sein, dass wir zu den 2 850 Windrädern allein in Sachsen-Anhalt nicht noch einmal so viele hinzubauen können. Denn landauf und landab haben wir mittlerweile eine Vielzahl von ernst zu nehmenden Bürgerinitiativen. Das heißt, wir müssen andere Möglichkeiten finden, um die Grundlast sicherzustellen.

Dies ginge zum Beispiel über Gas- oder Ölkraftwerke. Aber dafür sind Investitionen in Milliardenhöhe nötig. Teilweise müssen die Grundstoffe über Tausende von Kilometern aus fragwürdigen Ländern hierher transportiert werden. Außerdem müssten die Stromkosten auf die Wirtschaft und die Verbraucher umgelegt werden. Das würde die Stromkosten eminent erhöhen.

Meine Damen und Herren! Ganz Ost- und Südosteuropa wartet auf den Startschuss, Deutschland mit Energie zu versorgen. Während Deutschland aus der Kohle aussteigen will, erlebt dieser Brennstoff auf dem Balkan gerade eine Renaissance. Allein 13 der 30 Kohlekraftwerke mit dem höchsten Schadstoffausstoß Europas befinden sich in der Region zwischen Polen bis Griechenland.

Als einer unserer Referenten dieser Tage aus dem bosnischen Tuzla zurückkehrte und uns in drastischen und eindringlichen Worten schilderte, wie die ökologischen und gesundheitlichen Folgen für die Menschen und die Natur spürbar sind, machte uns das betroffen. Aber dort plant man die Erweiterung eines der größten Kohlekraftwerke in Südosteuropa um einen weiteren Block, nicht weil es energiepolitisch notwendig ist, sondern weil man mit dem Strom gutes Geld im Ausland verdienen will.

(Minister André Schröder: Bei uns, ja!)

Befeuert wird dies zudem noch durch chinesische Investoren, die sich überall auf dem Balkan in Kohlegruben und bei Energieerzeugern einkaufen, um strategisch direkt auf Europas Energieversorgung Einfluss zu nehmen. Von diesen Energielieferungen wäre auch Deutschland abhängig, wenn wir die technischen Voraussetzungen für den Kohleausstieg bis zum Jahr 2035 nicht lösen. Um es klar zu sagen: Deutschland wäre wirtschaftlich und politisch erpressbar. Und das wollen wir nicht.

(Zustimmung bei der CDU und von André Poggenburg, AfD - Zuruf von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Deshalb fordert die CDU-Fraktion von der Kohlekommission einen Plan B. Das heißt, dass zunächst im Jahr 2030 eine Novellierung allein am Stand der Technik erfolgt. Sollte sich herausstellen, dass wir die Grundlastversorgung nur durch höhere Kosten oder energiepolitische Abhängigkeiten sicherstellen können, dann muss der Kohleausstieg verschoben werden. Das ist eine ganz einfache, aber, wie ich finde, klare Forderung und Formulierung, meine Damen und Herren.

Damit ich auch an dieser Stelle wiederum nicht falsch verstanden werde: Meine Ausführungen sind kein Plädoyer für die Kohleindustrie. Die Menschheit in Gänze muss sich Gedanken dar

über machen, wie sie das CO2-Problem in den Griff bekommt. Aber einen Alleingang zulasten deutscher Arbeitsplätze ohne eine messbare Wirkung auf das Weltklima kann hier und heute nicht diskutabel sein.

(Robert Farle, AfD: Richtig! - Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

Die Vision von einer sauberen Energieerzeugung ist eine gute und völlig richtige. Aber mit dieser Vision verhält es sich - lassen Sie mich abschließend zu diesem einen Aspekt einen Vergleich bringen - wie mit der Mondlandung. Die gelang nämlich erst, nachdem man eine passende Rakete entwickelt hatte. Wir reden jetzt über einen Ausstieg aus der Kohleverstromung, für den uns noch die passende Rakete fehlt. Ich denke, das Grundsätzliche ist mit diesem Bild insoweit abgehandelt.