Nun will ich heute meine Rede zum Paritégesetz nicht vorwegnehmen, sondern es bei dem Hinweis auf die Unterstützerinnen belassen.
Sehr wichtig ist mir an dieser Stelle der Verweis darauf, dass wir es nicht mit einem hundertjährigen Wahlrecht für a l l e Frauen zu tun haben. Es gab sehr dunkle Zeiten in Deutschland, in denen unter anderem - ich zitiere - „Angehörige rassenfremden Volkstums“ und Jüdinnen nicht wählen durften. Das war die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus.
Genau das ist auch der Grund, warum insbesondere, aber selbstverständlich nicht nur Frauenverbände derzeit in großer Sorge und Habtachtstellung sind. Es mehren sich frauenfeindliche Tendenzen und Forderungen in der Politik von rechts außen.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben verschiedene Reden der AfD im Bundestag verdeutlicht, welches Frauenbild sie verkörpern.
In der Debatte zum Internationalen Frauentag wandte sich beispielsweise die AfD-Abgeordnete Frau Höchst vehement gegen einen angeblichen Gleichstellungstotalitarismus,
der den Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt als eine Errungenschaft bezeichne, der Quoten und andere Förderungen erbracht habe und damit das Ansehen von Millionen freier, selbstbestimmter Frauen zerstöre. Jede Form struktureller Benachteiligung von Frauen wurde von Frau Höchst bestritten. Sie sagte: Die strukturelle Benachteiligung von Frauen gleicht einem Yeti: Jeder spricht
darüber, aber noch niemand hat ihn ernsthaft gesehen. - Das, meine Damen und Herren, ist also das Frauenbild der AfD.
Es zeigt: Nie ging und geht es der AfD um eine wirkliche Stärkung der Selbstbestimmung und der sozialen Stellung der Frauen hierzulande - im Gegenteil.
Deshalb geht es uns auch heute wieder darum, die Rechte von Frauen gegen solche Kräfte zu verteidigen. Ich sage es ganz deutlich: Wir werden die Rechte von Frauen und Männern und Kindern verteidigen und schützen.
Meine Damen und Herren! Ich denke, dass wir in naher Zukunft auch darüber reden sollten, wie viele Menschen, wie viele Frauen und Männer in Deutschland zwar leben, schon seit vielen Jahren, seit vielen Generationen, aber nach wie vor von unserer Demokratie ausgeschlossen bzw. ausgegrenzt sind.
Meine Damen und Herren! Mädchen und Frauen bewegen unsere Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes. Sie können viel erreichen, wenn sie nicht durch künstlich geschaffene Barrieren oder sogenannte gläserne Decken daran gehindert werden.
Um das Problem zu verdeutlichen, möchte ich ein paar Zahlen aus der Antwort auf die Große Anfrage darstellen. Im schulischen Bereich absolvierten - alles bezogen auf das Jahr 2017 - 3 011 Mädchen und 2 577 Jungen das Gymnasium, also weniger junge Männer als junge Frauen. Des Weiteren schließen im Land Sachsen-Anhalt regelmäßig mehr Frauen als Männer erfolgreich ein Hochschulstudium ab. Diesem Fakt steht jedoch der Umstand gegenüber, dass ungefähr doppelt so viele Männer wie Frauen einen Ruf auf eine Professur erhalten.
Lassen Sie mich hierzu einige Beispiele anführen. An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wurden im Jahr 2013 eine Frau als Professorin und zwölf Männer als Professor berufen. Im Jahr 2017 standen sieben Frauen 15 Männer gegenüber. An der Otto-von-Guericke-Universität ist es ähnlich: Im Jahr 2013 waren es vier Frauen und 14 Männer, die berufen wurden, und im Jahr 2017 drei Frauen und zwölf Männer.
Ich könnte weitere Beispiele von den Hochschulen im Land Sachsen-Anhalt nennen, aber ich denke, es wird deutlich, an welchen Stellschrauben wir gemeinsam noch drehen müssen.
Der Anteil an Frauen in erster Führungsebene liegt sowohl im öffentlichen als auch im privatwirtschaftlichen Bereich bei lediglich 33 %. Im Jahr 2016 waren 2 450 Absolventinnen und 1 358 Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zu verzeichnen, wobei im Bereich der Justiz im Land Sachsen-Anhalt nur 62 Frauen, aber 118 Männer auch tatsächlich in Führungspositionen ankamen.
Doch es sieht in anderen Bereichen nicht viel positiver aus. Ich möchte kurz auf das Problem der Unternehmensnachfolge eingehen. In den Jahren von 2008 bis 2017 traten 1 797 Frauen und 3 195 Männern eine Unternehmensnachfolge an. Ähnlich sieht es bei den Existenzgründungen aus; auch hier sind die Männer in der Überzahl.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass das Engagement sowohl der Handwerkskammern als auch der Industrie- und Handelskammern als positiv anzuerkennen ist, auch wenn das damit zu tun, dass nicht genügend Unternehmensnachfolger insgesamt gefunden worden sind und deswegen auch die Frau als Nachfolgerin entdeckt worden ist. Nichtsdestotrotz ist es ein guter Schritt. Ich denke, das verdient es auch, gelobt zu werden.
Die von mir genannten Negativbeispiele zeigen uns jedoch deutlich, dass noch sehr viel getan werden muss, um Frauen eine wirkliche Chancengleichheit tatsächlich zu ermöglichen.
Frauen vergleichen ihre Karriereleiter oft mit einem Hamsterrad von innen: Man strampelt und strampelt, kommt aber mit Fleiß nicht von der Stelle bzw. in die Höhe. Man - oder besser: frau - tritt auf der Stelle. Der Karrieresprung fehlt. Viele andere hemmende Kriterien spielen im Vergleich zum Mann eine nicht unerhebliche Rolle: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch durch eine gute Kita- und Hortbetreuung, das Schließen des Gender-Pay-Gaps, das Öffnen des Zugangs zu Führungspositionen usw. All das erfordert unser Umdenken, unser gemeinsames Handeln, gesellschaftlich und politisch.
Es gibt aber noch eine weitere dramatische Ungerechtigkeit in unserem Land. Am 25. November findet, wie in jedem Jahr, der Gedenktag gegen Gewalt an Kindern und Frauen statt. Auch der Landtag wird diesen Gedenktag am Freitag begehen. Vielen Dank hierfür auch an die Landtagspräsidentin.
Die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes gibt jährlich erschreckende Einblicke in die Zahl von Gewaltdelikten in Familien und Partnerschaften. Gewalt gegen Frauen - ge
rade Gewalt im sogenannten sozialen Nahraum - ist für manche Mädchen und Frauen auch in Sachsen-Anhalt leider erschreckender Alltag. Die aktuell veröffentlichten Zahlen für das vergangene Jahr zeigen, dass mehr als 100 000 Frauen und Mädchen Opfer von Gewalt im häuslichen Umfeld geworden sind. Bevor irgendwelche Mythen entstehen: Die Haupttäter sind deutsch und männlich. Das Zuhause, welches doch Zufluchtsort und Heim sein soll, wird zum Tatort.
Meine Damen und Herren! Wir als Politikerinnen werden diese Gewalt niemals ganz verhindern können, doch wir können zum einen präventiv wirken und zum anderen Schutzmaßnahmen vorhalten und die Strafverfolgung unterstützen. Für den Landtag dieser Wahlperiode war es ein erster Schritt, den Beschluss zur Umsetzung der Istanbul-Konvention herbeizuführen.
Besonders problematisch stellt sich jedoch die Lage für Frauen mit Behinderungen dar, die in unserer Gesellschaft zu den besonders vulnerablen Gruppen zählen, da sie vielfach in verschiedenen Abhängigkeiten leben. Für Frauen und Mädchen mit Behinderungen stehen so gut wie keine adäquaten Unterkünfte zu ihrem Schutz zur Verfügung.
Im Ergebnis der Antwort auf die Großen Anfrage ist zu verzeichnen, dass derzeit im Land SachsenAnhalt 19 Frauenschutzhäuser zur Verfügung stehen. Drei davon seien barrierefrei und eines laut Aussage der Landesregierung rollstuhlgeeignet. Die Wahrheit ist jedoch, dass keines unserer Frauenhäuser tatsächlich barrierefrei ist. Ich möchte es auch nicht barrierearm nennen, weil es Barrierearmut nicht gibt.
Gut, das muss ich nur wissen. Ich bin dann auch bald fertig. - Weiterhin konstatiert die Landesregierung Folgendes:
„Der Landesregierung liegen keine Informationen dazu vor, dass Frauen und Mädchen mit Behinderung, die von Gewalt betroffen sind, keinen entsprechenden Schutz in einem Frauenhaus in Sachsen-Anhalt erhalten haben“.
Aber nur weil es kein Hellfeld gibt, heißt das noch nicht, dass diese Gewalt nicht existent ist; das Gegenteil ist der Fall.
Dunkelfeldstudien weisen nach, dass behinderte Frauen und Mädchen häufig nichts von Frauenschutzhäusern wissen oder aber diese nicht aus eigener Kraft erreichen können, weil Missbrauch und Gewalt durch die Pflegeperson oder Familienmitglieder geschehen.
Bei Hilfsangeboten für Jungen und Männer sieht es noch defizitärer aus. In der Antwort der Landesregierung heißt es dazu:
„Besondere Maßnahmen im Rahmen der Opferberatung und Zeugenbetreuung beim Sozialen Dienst der Justiz, wenn Männer oder Jungen mit Behinderung von Gewalt betroffen sind, werden nicht vorgehalten. Sollte ein Opfer einen besonderen Bedarf geltend machen, wird diesem im Einzelfall Rechnung getragen.“
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Antwort ist zynisch. Denn allzu oft sind sie eben nicht in der Lage, diese Bedarfe kenntlich zu machen, und diejenigen, die sie für sie kenntlich machen würden, sind die Täter. An dieser Stelle ist dringender Handlungsbedarf gegeben und keinesfalls staatliches Wegschauen angezeigt.
Gut, dann würde ich jetzt zum Ende kommen. Ich habe nachher noch eine Redezeit von sechs Minuten, Frau Präsidentin. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau von Angern, Sie haben die Position der AfD wieder einmal absichtlich falsch dargestellt.
Der AfD geht es um echte Chancengleichheit statt um Quotenzwang. Das ist die einzig richtige Herangehensweise.