Protocol of the Session on June 2, 2016

als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollten oder nicht. Ich sage klar: Sie sollten es nicht.

Denn erstens ist das Prinzip der Einstufung als solches höchst kritikwürdig. Per Festlegung am mehr oder weniger grünen Tisch wird entschieden, welche Länder sicher sind und welche nicht. Nicht selten stehen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes dem eklatant entgegen. Was für deutsche Staatsbürger als nicht sicher genug gilt, soll für andere keinen Fluchtgrund rechtfertigen.

Zudem ist die damit verbundene Praxis der nicht mehr stattfindenden gründlichen Prüfung der individuellen Gründe für ein Asylgesuch eine nichtakzeptable Einschränkung des Grundrechtes auf Asyl.

Die weitere Ausdehnung der sicheren Herkunftsländer höhlt dieses für viele lebenswichtige Grundrecht weiter aus. Wir sahen gestern am Beispiel von Herrn G., welche Konsequenzen das für hier lebende Menschen hat.

Zweitens sind bei konkreter Betrachtung die in Rede stehenden Länder eben keineswegs sicher. Insbesondere für Homosexuelle ist die Sicherheitslage mehr als prekär. Sie ist verboten und in höchstem Maße tabuisiert. Wer Homosexualität offen auslebt, dem droht dafür eine Gefängnisstrafe.

(Andreas Gehlmann, AfD: Das sollten wir in Deutschland auch machen!)

In Gefängnissen wiederum, insbesondere in marokkanischen Gefängnissen, sind Fälle von Folter durch Amnesty International dokumentiert. Die Argumentation, dass nur bedroht sei, wer seine Sexualität offen auslebe und daher jeder selbst für sein Risiko Verantwortung trage, finde ich besonders perfide.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch das ist nicht die einzige Grundrechtseinschränkung. Freie Pressearbeit ist für kritische Journalistinnen in allen drei Staaten ein erhebliches Problem und wird behindert.

Die Rechte oppositioneller Gruppen und Parteien sind beschränkt. Ihre Versammlungen werden nach übereinstimmenden Berichten von Menschenrechtsorganisationen nicht selten willkürlich aufgelöst.

All diese Gründe gegen eine Einstufung der drei Länder als sicher sind in der Anhörung des Innenausschusses des Bundestages benannt worden. Dass das für die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht zu einer Abkehr von diesem Vorhaben geführt hat, halten wir für skandalös und beschämend.

(Beifall bei der LINKEN)

Es bleibt aus unserer Sicht nur die Hoffnung, dass die Bundesländer die Zustimmung verweigern. Das Land Sachsen-Anhalt sollte hierbei mit konsequenter Menschenrechtsorientierung und dem Anlegen gleicher Maßstäbe für alle Menschen vorangehen. Wer die sexuelle Identität in der Verfassung des eigenen Landes für seine Bürgerinnen und Bürger schützen will, der muss dies auch für andere als schutzwürdig anerkennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus unserer Sicht ist die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer abzulehnen.

Ich will aber noch etwas Grundsätzliches zu dem Antrag der AfD-Fraktion anmerken. Wir haben einen Antrag, mehr noch: eine Antragsbegründung vorliegen, die für das, was die AfD unter Politik verstehen, typisch ist. Sie diffamieren, Sie behaupten Unwahrheiten, Sie befeuern Hetze und Sie bedienen sich dabei nahezu aller gängigen rassistischen Ressentiments, empören sich aber darüber, Rassisten, Hetzer und Populisten genannt zu werden.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der AfD)

Gepaart mit der ewigen Erzählung, ja nicht sagen zu dürfen, was Sie denken, genau wie Pegida monatelang Versammlungen abhält, um ihren menschenverachtenden Unsinn kundzutun, gleichzeitig aber die fehlende Meinungsfreiheit beklagt, das ist nicht mal in sich schlüssig. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Sie können so oft behaupten, wie Sie wollen, für das Volk zu sprechen. Für 75 % der Menschen in Sachsen-Anhalt sprechen Sie nicht.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der AfD: Sie auch nicht! - Weitere Zu- rufe von der AfD)

Für diese 75 % sprechen wir. Ich sage Ihnen: Wir werden Sie weiter als das bezeichnen, was Sie sind: Rassisten, Hetzer und sich selbst widersprechende Blender. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der AfD: Das ist keine Hetze! - André Poggenburg, AfD: Jetzt aber! - Robert Farle, AfD: Ich lasse mich doch nicht als Rassisten, Hetzer und sich selbst widersprechenden Blender beschimpfen! Ordnungsruf! - Swen Knö- chel, DIE LINKE: Sie sind einer! - Gabriele Brakebusch, CDU: Jetzt ist aber gut!)

Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Werte Abgeordnete der AfD! Werter Abg. Herr Farle!

(Zuruf: Sie haben vorhin applaudiert, als dieser widerliche Rassist geredet hat! - Kat- rin Budde, SPD: Deswegen ist der Minis- terpräsident noch lange kein Hetzer! Das haben Sie heute Morgen gesagt, Herr Pog- genburg! - Weitere Zurufe von der SPD und von der AfD)

Wenn - Hallo! Wir beruhigen uns jetzt alle mal wieder - hier ein Ordnungsruf erteilt wird, Herr Kollege Farle, dann tut das der amtierende Präsident,

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

und zwar ausschließlich nach seinem Ermessen.

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das anzuerkennen ist auch eine der legitimen Grundlagen von Parlamentarismus. So weit vielleicht erst einmal dazu.

Wir können nunmehr fortfahren in unserer Debatte. Ich rufe auf die Abg. Frau Hampel von der SPD. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Stimmung gerade aufgeheizt erscheint, so diskutieren wir doch ganz wesentliche Dinge, und zwar nicht nur, wie wir uns verständigen, zukünftig miteinander umzugehen - das trifft auf alle zu -, sondern auch, wie wir mit Anträgen umgehen.

Wenn Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Antrag schreiben - ich möchte es Ihnen noch einmal vorlesen, obwohl es der Fraktionsvorsitzende der CDU schon getan hat -:

„Damit kann […] wirksam gegen den Asylmissbrauch der Einwanderer aus diesen Ländern vorgegangen und der Schutz der Bevölkerung von deren hoher Kriminalität …“

und eine pauschale Wortwahl bewusst verwenden, dann müssen Sie sich gefallen lassen, dass wir darin ein rassistisches Menschenbild sehen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Dieses werden wir als SPD-Fraktion und wird auch der Landtag in Zukunft klar zurückweisen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Das ist die Kernbotschaft Ihres Antrages. Herr Minister Stahlknecht hat klar darauf hingewiesen, dass es diesbezüglich keinerlei Auslegungsvarianten gibt. Der Antrag steht, wie er steht, auch wenn Sie, Herr Dr. Tillschneider, versucht haben, diese Wortwahl zu relativieren.

Ich kann nur sagen: Ich lese den Antrag genauso wie meine Kollegen von den LINKEN, von den GRÜNEN und auch von der CDU - der Redebeitrag folgt ja noch -, und ganz ehrlich: Rassismus ist das auf jeden Fall.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir wirklich - da schließe ich Sie ein - ein Interesse an der Bewältigung der Flüchtlingskrise haben, dann geht das nur mit Sachlichkeit, mit Ehrlichkeit und ohne etwaige rassistische Bemerkungen in diesem Landtag, weil - wie schon gesagt worden ist - Zusammenarbeit keine Einbahnstraße ist. Wenn Sie als Neulinge in diesem Haus ernstgenommen werden wollen, dann sollten Sie auch diese Spielregeln beachten.

Ich möchte jetzt etwas zur Meinung der SPDFraktion

(Zustimmung von Daniel Roi, AfD)

zu dem Gesetzentwurf, um den es geht, sagen. Die SPD-Fraktion hat im Bundestag den Gesetzentwurf zu den sicheren Herkunftsstaaten Algerien, Marokko und Tunesien mitgetragen. Das ist nicht allen Abgeordneten der SPD-Fraktion leicht gefallen. Es gab im Bundestag auch Neinstimmen. Auch die sachsen-anhaltischen SPD-Bundestagsabgeordneten haben unterschiedlich abgestimmt, eben aus den Gründen, die Frau Quade ausgeführt hat. Das möchte ich nicht wiederholen.

Aber egal, wie man zu dem Konzept der sicheren Herkunftsstaaten steht: Unstreitig ist für uns eines, nämlich dass das individuelle Grundrecht auf Asyl unangetastet bleiben muss und auch für Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten die rechtsstaatliche Garantie der Einzelfallprüfung gilt. Unstreitig ist für uns auch, dass die Verfahrensbeschleunigung durch die Aufnahme von Ländern auf die Liste der sicheren Herkunftsstaaten gerade dem Zweck dienen soll, Menschen den Schutz in unserer Gesellschaft zu erleichtern, die vor Krieg und vor Verfolgung fliehen.

Die SPD-Fraktion begrüßt die Verschärfung des Ausweisungsrechts. Auch das gehört dazu und ist heute noch nicht angesprochen worden. Deshalb komme ich auf diesen Punkt zu sprechen. Für diejenigen Personen, die nach Deutschland kommen und den Schutz unseres Asylrechts ausnutzen, um hier Straftaten zu begehen, haben wir keinen Platz in unserer Mitte.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Zuruf von der AfD: Sehr richtig! - Zuruf von der CDU: Wir auch nicht!)

Deswegen ist es richtig, dass dieses Gesetz verabschiedet werden wird. Das ist auch eine Reak

tion auf die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln.

Zum Abstimmungsverhalten im Bundesrat wurden bereits Ausführungen gemacht. Das kann ich mir sparen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Frau Hampel, es gibt noch eine Frage oder eine Intervention von Herrn Poggenburg. - Herr Poggenburg, Sie haben das Wort.