Protocol of the Session on April 19, 2018

Dieses so beschriebene LegalitÀtsprinzip markiert zudem auch die Grenzen des externen Weisungsrechts und bindet nicht nur mich als Ministerin, sondern auch Sie als Landtag.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun einige Worte zu dem in Rede stehenden Fall in Wittenberg. Derzeit lÀuft ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Im Ermittlungsverfahren kristallisierte sich eine zentrale Frage heraus, und zwar, ob eine rechtfertigende Notwehrlage vorliegt oder eben nicht. Diese Rechtsfrage kann im Ermittlungsverfahren allein durch die Staatsanwaltschaft geklÀrt werden.

Dementsprechend hat die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau weitere Ermittlungen angestellt und zum Beispiel das Überwachungsvideo vom Tatgeschehen in Sekundenintervalle aufschlĂŒsseln lassen. Da der beschuldigte Jugendliche mittlerweile umgezogen ist, wird die Staatsanwaltschaft Magdeburg nach § 42 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes das Ermittlungsverfahren ĂŒbernehmen.

Meine Damen und Herren! Ich will diesen Antrag aber auch in einen anderen Zusammenhang stellen. Sie als AfD-Fraktion greifen mit Ihrem Antrag die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau, deren Öffentlichkeits- und Ermittlungsarbeit an. Dagegen verwahre ich mich ausdrĂŒcklich.

Wir alle, die wir hier sitzen, dĂŒrfen eine Stimmungsmache gegen Ermittlungsbehörden nicht zulassen,

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

gerade dann nicht, wenn auf diese Weise versucht werden soll, auf unabhÀngige strafrechtliche Ermittlungs- und Gerichtsverfahren politisch Einfluss zu nehmen.

(Zuruf von der AfD)

Meine Damen und Herren! Der Antrag der AfDFraktion macht aber auch sichtbar, zu welchen Problemen es fĂŒhren kann, wenn die Justiz aus laufenden strafrechtlichen Ermittlungen berichtet oder berichten soll. Diesen Berichten ist es stets zu eigen, dass sie nur vorlĂ€ufige Ermittlungsergebnisse enthalten können, die sich jederzeit Ă€ndern können.

Wenn die AfD-Fraktion bereits vorlĂ€ufige Ermittlungsergebnisse als Wahrheit und die vorlĂ€ufigen Stellungnahmen als Falschaussagen oder Falschbewertungen erklĂ€rt und wenn sie auf dieser Basis VorwĂŒrfe gegen die ermittelnden Staats

anwĂ€ltinnen und StaatsanwĂ€lte wegen „Rechtsbeugung“, „Strafvereitelung im Amt“ und „Justizverweigerung“ erhebt, dann, meine Damen und Herren, ist das ein Versuch, Stimmung gegen die Justiz zu machen und politisch Einfluss zu nehmen.

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das weise ich ausdrĂŒcklich zurĂŒck.

Ich habe nach wie vor großes Vertrauen in die unabhĂ€ngige Ermittlungsarbeit unserer Staatsanwaltschaften. Ich bin mir darin sicher, dass der vorliegende Fall, wie andere auch, sorgfĂ€ltig und sachgerecht ausermittelt werden wird. - Vielen Dank fĂŒr Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es gibt keine Fragen. Deshalb können wir nunmehr in die Debatte der Fraktionen einsteigen. FĂŒr die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Schindler. Frau Schindler, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr PrÀsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Entweder ist die AfD-Fraktion besonders dreist oder sie leidet an Amnesie,

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

immer frei nach dem Motto: Was interessiert mich das GeschwÀtz von gestern.

(Lachen bei der AfD)

Vor einem guten Jahr, im Februar 2017, beantragte die AfD-Fraktion hier im Landtag die Abschaffung des externen Weisungsrechts nach § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Wir diskutierten darĂŒber hier im Landtag. Wir haben es abgelehnt.

Genau auf dieses Weisungsrecht berufen Sie sich jetzt und wollen es in Anspruch nehmen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Loth forderte damals in seiner Rede - ich zitiere -:

„Schneiden wir den alten Zopf des Einzelweisungsrechts aus vordemokratischen und obrigkeitsstaatlichen Zeiten endlich ab.“

Des Weiteren sagte er - Zitat -:

„Setzen Sie ein glaubwĂŒrdiges Zeichen der Umkehr und stimmen Sie mit uns fĂŒr die Initiative zur Abschaffung des Einzelwei

sungsrechts des Justizministers gegenĂŒber StaatsanwĂ€lten.“

(Zuruf von der AfD: Herr Loth hat recht!)

Jetzt fordern Sie in Ihrem Antrag, dass die Ministerin genau dieses in Anspruch nimmt.

(Zuruf von Lydia Funke, AfD)

Nun wollen Sie, wohlgemerkt, per Parlamentsauftrag die Ministerin beauftragen, das Weisungsrecht in Anspruch zu nehmen. Welches VerstÀndnis haben Sie von Gewaltenteilung?

(Zustimmung bei der SPD - Sebastian Strie- gel, GRÜNE: Gar keines!)

Ich komme noch einmal auf die Rede vom 3. Februar 2017 zurĂŒck. Herr Loth sagte damals auch - ich zitiere -:

„Fakt ist, dass der § 146 GVG in seiner jetzigen Form den Justizministern in Bund und LĂ€ndern eine Handhabe gibt, direkt oder indirekt in den einzelnen Fall hineinzuregieren.“

SpÀter sagte er dann noch:

„Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Justizminister zum Beispiel Richtlinien an alle StaatsanwĂ€lte bezĂŒglich der einheitlichen Behandlung von Beförderungserschleichung im wiederholten Fall oder Ähnliches herausgibt. Das gehört zur Direktionsbefugnis des Ministers. Dagegen wollen wir verhindern, dass Weisungsbefugnis bei politisch brisanten FĂ€llen dazu missbraucht werden kann [
]“

Genau darum geht es Ihnen. Es ist ein politisch motivierter Antrag. Sie beantragen es nur, weil Ihnen das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen politisch nicht passt. Das ist der Punkt.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Genau mit solchen AntrÀgen verursachen Sie einen Vertrauensverlust in unsere Justiz. So untergrÀbt man das Vertrauen in die unabhÀngige Justiz. So begeben wir uns auf einen gefÀhrlichen Weg der politischen Justiz. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Wir wollen weiterhin in einem Rechtsstaat leben, der unabhĂ€ngig nach entsprechender Zugehörigkeit eines GeschĂ€digten oder eines TĂ€ters urteilt, unabhĂ€ngig davon, ob er ein Deutscher ist oder ein GeflĂŒchteter. Die Ermittlungen laufen. Warten wir das Ergebnis ab. Wir lehnen deshalb Ihren Antrag konsequent ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Frau Schindler, ich will Sie darĂŒber informieren, dass es zwei Wortmeldungen gibt; die erste von Herrn Loth selbst. - Herr Loth, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Schindler, ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie meine Reden lesen und anscheinend auch verstehen. Das ist bei der SPD nicht immer so. Ich möchte feststellen, dass wir natĂŒrlich fĂŒr die Gewaltenteilung sind und uns an gĂ€ngiges Recht halten. Weil Sie unseren Antrag damals abgelehnt haben, ist diese Einzelweisung immer noch gĂ€ngiges Recht. Aus diesem Grund fordern wir Sie jetzt auf: Nutzen Sie dieses Recht, Frau Ministerin, und ermitteln Sie richtig mit dem Generalstaatsanwalt, wie wir das fordern. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD - Siegfried Borgwardt, CDU: Wir sind hier beim Kabarett!)

Dann lesen Sie Ihren Antrag richtig; denn Sie fordern hier die Ministerin auf, per Parlamentsbeschluss dieses Weisungsrecht in Anspruch zu nehmen. Das können wir nicht per Parlamentsbeschluss,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

sondern das ist eine Entscheidung der Ministerin selbst.

(Zurufe von der AfD)

Falls wir uns jetzt ein wenig beruhigen, könnte Herr Farle seine Wortmeldung wahrnehmen. - Herr Farle, Sie haben das Wort.

(Unruhe)