Protocol of the Session on April 19, 2018

„Es dient daher nicht nur der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, sondern auch dem Schutz des Mietwohnmarktes, indem Mietstandards für menschenwürdiges Wohnen definiert und auch durchgesetzt werden können. Letztlich ist es damit zugleich ein Instrument des Mieterschutzes.“

Genau dieser Aspekt ist es, der mir hier bei unserem Gesetzentwurf, den die Landesregierung vorgelegt hat, noch etwas zu kurz kommt. Des

wegen haben wir ja auch eine Anhörung und eine Beratung und werden wir uns diesen ganzen Dingen widmen.

Ich will auch noch einmal den Fokus auf § 6 Abs. 3 richten. Dieser Paragraf ist fast eins zu eins dem in Bremen geltenden Gesetz entnommen worden - das ist hier auch schon erwähnt worden -, aber eben nur fast. Bei uns heißt es:

„Wer für unbewohnbar erklärten Wohnraum bewohnt, ist verpflichtet, diesen bis zu einem von der zuständigen Stadtgemeinde zu bestimmenden Zeitpunkt zu räumen.“

Dann hört unser Gesetz auf. - In Bremen geht es weiter. Da heißt es an dieser Stelle nämlich:

„... zu räumen, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung steht.“

(Guido Henke, DIE LINKE: Genau!)

Wegen dieses Schutzaspektes wollen wir das Gesetz „nicht nur“ in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr, sondern auch in den Sozialausschuss verweisen, damit wir diesen Aspekt noch etwas mehr nach oben ziehen können.

(Guido Henke, DIE LINKE: Richtig!)

Wir als GRÜNE-Fraktion legen Wert darauf, dass eben auch die Anschlusssituation geklärt wird. Mit der Räumung der Wohnung ist für den Mieter ja schließlich nichts gewonnen, ganz im Gegenteil. Hier droht bei uns, da es nicht geregelt ist, unter Umständen Obdachlosigkeit.

Da beruhigt mich die Einlassung der Landesregierung unter dem Punkt e), Anhörungsverfahren, nur bedingt, wenn sie feststellt - ich zitiere wieder -:

„Angesichts der zu erwartenden geringen Zahl von Anwendungsfällen und des insgesamt nicht angespannten Wohnungsmarktes im Land ist eine drohende Obdachlosigkeit regelmäßig nicht zu befürchten.“

Aber sie ist eben doch möglich. So, wie wir den Kommunen eine Möglichkeit eröffnen wollen, wollen wir an dieser Stelle auch diese Möglichkeit in den Blick nehmen.

Für ebenso bedenklich halte ich § 8 Abs. 2. Dort heißt es:

„Wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Wohnraum entgegen § 6 unzulässig benutzt wird oder nach § 7 überbelegt ist, dürfen Grundstücke und Wohnräume von Beauftragten der Gemeinden auch ohne Einwilligung der betroffenen Bewohner jederzeit ohne Ankündigung betreten werden.“

Das ist auch aus unserer Sicht - wir begreifen uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchaus auch als Grundrechtspartei - eine erhebliche Einschränkung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist immerhin in Artikel 13 des Grundgesetzes normiert.

Im Hamburger Gesetz heißt es dazu:

„Wohnungen und Wohnräume dürfen gegen den Willen der Bewohner nur betreten werden, wenn dies zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.“

Das scheint mir eine etwas ausgewogenere Formulierung zu sein. Auch darüber werden wir reden müssen.

(Zustimmung von Guido Henke, DIE LIN- KE)

Das Ziel einer Stärkung des Mieterschutzes und einer Schaffung von Eingriffsmöglichkeiten gegen das Geschäftsmodell Schrottimmobilie teile ich. Das kann es für Sachsen-Anhalt ruhig auch geben, trotz des geringeren Bedarfs. Wenn wir ein Landesgesetz machen, dann sollte es doch vollumfänglich und richtig sein. Zur Realisierung dieser Zielstellung werden wir Fragen formulieren, wir werden sie in gewohnter Weise mit den Koalitionspartnern diskutieren und in die Ausschüsse einbringen, und dann werden wir zu einer Lösung kommen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. Es gibt auch hier keine Anfragen. - Somit kommen wir zum nächsten und letzten Debattenredner. Für die CDUFraktion spricht der Abg. Herr Scheurell. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jawohl, Müll auf den Straßen, Lärm bis in die frühen Morgenstunden, regelmäßige Präsenz der Polizei, Überbelegung einzelner kleiner Wohnungen - dieses Bild hat sich im vergangenen Jahr wiederholt im Magdeburger Stadtteil Neue Neustadt gezeigt.

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Hunderte Rumänen sind in den vergangenen Jahren in die dort privatisierten Wohnblöcke gezogen.

(Zuruf von der AfD: Es können auch tau- send sein!)

Seitdem mehren sich Beschwerden der Anwohner bei der Stadt. Vorwürfe von mafiösen Strukturen und dem Erschleichen von Sozialleistungen stehen im Raum. Die Schule im Einzugsgebiet hat mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Der Stadtteil hat sich zum Problemviertel entwickelt. Ähnliche Bilder, ähnliche Probleme gibt es auch in Halle oder Parey im Jerichower Land, und mir fallen auch einzelne Objekte in meiner Heimatstadt ein. Da sind es dann aber nicht die Rumänen, sondern die Goldstücke.

(Zuruf von der AfD: Goldstücke?)

- Ja, ja. - Dagegen will das Land mit dem hier vorgelegten Gesetzentwurf vorgehen. Dafür bin ich unserem Verkehrsminister Thomas Webel sehr dankbar, ebenso unserem Minister Schröder für die Einbringungsrede. Wir dürfen es nicht zulassen, dass sich einzelne Bereiche in Städten und Kommunen Sachsen-Anhalts zu einem Ghetto entwickeln.

(Oliver Kirchner, AfD: Richtig!)

Wenn die Polizei in den Medien bereits die Verrohung anspricht, dann muss jetzt gehandelt werden. Oft sind die Schuldigen aber nicht die Akteure, die dort leben, sondern die unlauteren Vermieter, die im Hintergrund agieren und Schrottimmobilien zur Gewinnmaximierung anbieten.

(Zurufe von der LINKEN und von den GRÜ- NEN: Genau!)

Auch gegen diese unlauteren Vermieter, meine Damen und Herren, soll das Gesetz eine Handhabe für die Kommunen darstellen. Es sollte eigentlich im eigenen Interesse der Vermieter sein, die Immobilie in einem vernünftigen, ordentlichen und bewohnbaren Zustand zu erhalten.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das sollte man meinen!)

- Genau. - Wenn der Wohnraum allerdings nicht den gesetzlichen Mindeststandards entspricht oder gar Gesundheitsgefahren drohen, können die Gemeinden mithilfe dieses Gesetzes den Vermieter zur Instandsetzung verpflichten.

Ich verzichte jetzt auf einiges, was es hierzu noch zu sagen gäbe. Wichtig ist nur - darauf werden wir in den künftigen Beratungen im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr nochmals hinweisen -, dass mit diesem Gesetz keine weiteren Pflichtaufgaben für Kommunen konstituiert werden. Das werden wir so im Gesetz auch noch einmal verstetigen.

Die Gemeinden handeln hier in ihrem eigenen Ermessen. Jedoch liegt hierin auch die Crux des

Gesetzentwurfes. Solange die Gemeinde nicht handelt, passiert auch nichts. Darum muss an dieser Stelle an die Kommunen appelliert werden, diese Chance zu nutzen, die dann mit diesem Gesetz bestehen wird.

Generalfeldmarschall Graf Helmuth von Moltke sagte einmal: „Wir wünschen alle aufrichtig, dass die Gesetze gehalten werden; der beste Weg dazu ist, die Gesetze so zu geben, dass sie gehalten werden können.“ - Das fiel mir besonders auf, als die Opposition hier das Wort ergriff.

Sie haben das alles sehr kultiviert herübergebracht, sehr geehrter Herr Henke, und wir werden uns das auch noch einmal genau ansehen - Ihre Hinweise sind gut -; denn wir wollen eines nicht: Wir wollen keine hohlen Zähne fabrizieren, sondern wir wollen handhabbare Gesetze auf den Weg bringen, die für unsere Menschen eine Verbesserung der Lebensbedingungen auch in ihrem Wohnumfeld bringen sollen.

Und ja, natürlich kann man jetzt - dann, wenn das Gesetz durchkommt - auch der Besetzung von Immobilien zu Leibe rücken, und das ist auch gut so;

(Zuruf von der AfD: Genau!)

denn für Wohnungsbesetzungen und Hausbesetzungen habe ich in meinem Leben nie etwas übrig gehabt. Dafür habe ich auch schon einmal einen brennenden Pkw in Kauf genommen. Dazu stehe ich, und das ist auch Sinn und Zweck. Da ist es mir völlig egal, wer diese Immobilien herunterreißt, völlig unabhängig von Nationalität, Hautfarbe und Geschlecht. Eine Wohnung ist ein ganz wichtiges soziales Gut. Dem entsprechen wir mannigfach durch viele Gesetzlichkeiten, durch Entwicklungspläne, durch Stadtsanierungssat

zungen und durch Gesetze. Das lassen wir uns nicht von Einzelnen kaputt machen. - Frau Präsidentin, ich habe es gehört.

Wir als Koalitionsfraktionen wünschen uns eine Beratung in zwei Ausschüssen. Das sind zum einen der Sozialausschuss und zum anderen der LEV-Ausschuss. Auf eine Anhörung können wir verzichten.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)