Protocol of the Session on April 19, 2018

Der Feldhamster kann mit seiner Fortpflanzungsstrategie eine große Vermehrungsrate erreichen, wenn die Qualität seines Lebensraumes für ihn optimal ist. Sind die Bedingungen für die Hamster hinsichtlich Wohnbauten, Nahrungsquellen und Artgenossen sehr gut, kann sich die Population sehr schnell aufbauen. Wenn die Kapazitäten seines Lebensraumes erreicht sind und weiterhin gegeben sind, stabilisiert sich die Population.

Ebenso schnell kann aber eine Population mit unzureichenden Habitatqualitäten bis auf wenige Tiere zusammenbrechen. Dazu enthält die Antwort auf die Große Anfrage weitere Ausführungen.

Schutzmaßnahmen müssen sich daher langfristig an den für die Art erforderlichen und zu erhaltenden Lebensraumqualitäten ausrichten. In Sachsen-Anhalt orientieren sich Schutzmaßnahmen deshalb in erster Linie auf die Förderung hamstergerechter Bewirtschaftungsmaßnahmen in der Landwirtschaft. Damit können den Feldhamstern Lebens- und Vermehrungsstätten, Nahrung und die Möglichkeit, Wintervorräte einzutragen, eingeräumt werden.

Bei der artenschutzrechtlichen Bewältigung von Planungsvorhaben bzw. Eingriffen ist der Maßstab der Absenkung von Beeinträchtigungs- bzw. Tötungsrisiken anzulegen. Die Kapazität der Lebensräume muss dabei mindestens erhalten werden. Das ist schon deshalb notwendig, weil, wie gesagt, die Population bei mangelnder Habitatqualität in nur kurzer Zeit zusammenbrechen kann.

Die Antworten auf die Große Anfrage gehen umfassend auf den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Hamsterpopulation in Sachsen-Anhalt ein. Zu den davon in mehreren Abschnitten abgeleiteten Fragen, zu konkreten Einzelprojekten, zu eingriffsbezogenen Ausgleichsmaßnahmen sowie zu artenschutzrechtlichen Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen gibt die Landesregierung umfassend Antworten.

Der Abschnitt V der Großen Anfrage nimmt Bezug auf die Teilpopulation bei Sangerhausen. Diese war durch das Vorhaben eines Projektes mit Namen „Charlottes Garden“ zu Jahresbeginn 2017 in den Fokus geraten. Die artenschutzrechtliche Abarbeitung der Verfahren zu dem Projekt durch den Landkreis war aber offenbar mangelhaft. Der BUND als anerkannter Naturschutzverband hatte gegen erteilte Ausnahmegenehmigungen erfolgreich Rechtsmittel bis zum Oberverwaltungsgericht eingelegt.

Der Vorgang zeigt, dass die artenschutzrechtlichen Belange einen hohen Stellenwert bei allen Vorhaben einnehmen müssen, insbesondere

dann, wenn Konflikte von vornherein abzusehen sind und vermieden werden sollen. Nach meiner Kenntnis gibt es derzeit keinen neuen Sachstand zu dem Vorhaben im Bereich der Stadt Sangerhausen, die im Zusammenhang oder, um es besser zu sagen, im Konflikt mit der Feldhamsterpopulation stehen.

Bei einer Neu- oder Weiterentwicklung von Vorhaben in dem Bereich sind die artenschutzrechtlichen Belange und bisher getroffene Entscheidungen zur lokalen Hamsterpopulation bei Sangerhausen selbstverständlich zu berücksichtigen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe auch hierzu keine Nachfrage. - Somit steigen wir in die Aussprache zur Großen Anfrage ein. Der erste Redner hierzu ist der Abg. Herr Radke von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort, Herr Radke.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl ich eine Redezeit von zwölf Minuten habe, möchte ich mich doch sehr kurz fassen und mich auf das Wesentliche beschränken. Alle Reden werden ähnliche Inhalte haben.

Der Schutz des Feldhamsters scheint ein überaus umfangreiches und intensives Thema zu sein, wenn die AfD dazu eine Große Anfrage stellt. Es freut mich daher, dass Ihnen, liebe Mitglieder der AfD-Fraktion im Landtag von SachsenAnhalt, dieses kleine flauschige Tierchen so am Herzen liegt.

Die Anfrage lässt vermuten, dass es Ihnen in erster Linie um die Interessenkonflikte zwischen Wirtschaft und Tierschutz geht. Aber wir wollen uns keinen Spekulationen hingeben. Daher haben wir hier den Schutz des Feldhamsters zu diskutieren.

Noch in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Feldhamster als Schädlinge angesehen und bekämpft. Ihre Felle wurden zum Ausfüttern von Jacken und Mänteln benutzt. Das muss man sich einmal vorstellen; es ist schon irgendwie pietätlos.

Das bunteste Pelztier Europas ist allerdings ein Zugereister; er ist zugewandert. Der Feldhamster ist ursprünglich in den Steppen Osteuropas beheimatet. Nur durch die Intensivierung und Er

tragssteigerung der Landwirtschaft kam der Feldhamster nach Westeuropa. Zugegeben, das älteste gefundene Hamsterskelett ist gut 2 000 Jahre alt.

Mittlerweile gilt der Hamster, wie wir alle wissen, als eine vom Aussterben bedrohte Tierart. Dieser Status ist an sich auch unumstritten. Der Europäische Hamster, wie der Feldhamster auch genannt wird, steht somit im Anhang IV der FaunaFlora-Habitat-Richtlinie und er wird auch in der Berner Konvention im Anhang II gelistet. Irgendwie kommt einem das bekannt vor.

Dieser Schutzstatus führt dazu, dass die Planung, der Bau und/oder die Erschließung zum Beispiel von Gewerbegebieten und Straßen immer wieder verzögert werden. Frau Ministerin erwähnte die Verantwortung Sachsen-Anhalts, das Nagetier weiterhin zu schützen, da, ich zitiere, große Arealflächen der bundesdeutschen Verbreitung im Land liegen.

Wenn wir uns einmal die Verbreitung in Deutschland ansehen, so liegt laut des FFH-Berichtes des Bundesamtes für Naturschutz und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit aus dem Jahr 2013 das Hauptverbreitungsgebiet des Feldhamsters mit einem Anteil von 64 % der Verbreitungsfläche in Niedersachsen. In Sachsen-Anhalt befindet sich ein Anteil von 24 % der Verbreitungsfläche.

Meine Damen und Herren! Obwohl in SachsenAnhalt nur ein Viertel der gesamten Verbreitungsfläche Deutschlands liegt, machen genau diese Flächen im Land immer wieder Probleme. Die in der Großen Anfrage angesprochenen Umsiedlungsprojekte scheinen nicht besonders vielversprechend zu sein.

Ja, meine Damen und Herren, nun komme ich doch zurück zu dem Interessenkonflikt. Trotz allem kann das wirtschaftliche Allgemeinwohl nicht ausnahmslos unter den Schutzinteressen bezüglich des Feldhamsters stehen. Auch an dieser Stelle funktioniert der Artenschutz nur zusammen mit dem Verständnis der Menschen. Es bedarf der Aufklärung und der Mitnahme der betroffenen Menschen. Das gilt für den Hamster, aber erst recht für Natura 2000. Es gilt für alle Pflanzen und Tiere auf der sogenannten Roten Liste. - Ich danke.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Abg. Herr Radke. Auch hierzu sehe ich keine Anfragen. - Der nächste Redner ist der Abg. Herr Lange von der Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort, Herr Lange.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Erneut erreicht eine Große Anfrage zu einem unter Schutz gestellten Tier das Parlament. Die heutige Debatte richtet das Schlaglicht 70 Minuten lang auf den Feldhamster. Das sei ihm gegönnt, stand er doch in den letzten Jahren auch symbolisch für den Konflikt zwischen Artenschutz und Nutzungsinteresse durch den Menschen. Das Stichwort Sangerhausen ist bereits gefallen.

Ich habe bereits in der letzten Debatte betont, dass es für den Biologen interessant ist, auch einmal eine Art im Parlament zu besprechen. Und wenn eine Anfrage an die Landesregierung sogar die Fortpflanzungsstrategie einer Art thematisiert, erweitert sich auch der Blick der Nichtbiologen. Sielmann hätte seine Freude daran.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Antwort der Landesregierung dazu lautet:

„Der Feldhamster pflanzt sich geschlechtlich fort. Für Schutzmaßnahmen wäre es deshalb unabdingbar, dass sowohl männliche und weibliche Tiere vorkommen.“

Dieser Satz wird wohl noch lange im Kollektivbewusstsein des Landtages bleiben.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Er zeigt eine bestechende Logik.

Übrigens sind männliche Hamster Einzelgänger. Und das, was die Landesregierung so freundlich als artinterne Populationsmechanismen beschrieben hat, kann auch Kannibalismus bei Nahrungsmangel und Überpopulation bedeuten.

Neuere Forschungen deuten übrigens darauf hin, dass Vitamin-B3-Mangel durch einseitige Ernährung mit Mais auch Kannibalismus auslösen kann - ein Hinweis vielleicht darauf, dass Maismonokulturen auch den Feldhamster gefährden können. Zumindest sollte man dem einmal nachgehen;

(Beifall bei der LINKEN)

denn, meine Damen und Herren, Artenschutz bedeutet auch immer, den Lebensraum zu schützen. Wir kommen hiermit zum wesentlichen Kern, warum Debatten zu einzelnen Arten sicherlich ihre Berechtigung haben, jedoch oft zu kurz greifen.

Es muss um maßvollen Umgang mit der Natur und mit den natürlichen Ressourcen insgesamt gehen.

Der Mensch verursacht weltweit eines der größten Artensterben der Erdgeschichte. Wissenschaftler sprechen schon von einer sechsten Auslöschung.

Was bei einer Flaggschiffart - so sagt man dazu - wie dem Nördlichen Breitmaulnashorn zu einem weltweiten Aufschrei geführt hat, nämlich das physische Erleben des Aussterbens einer Art, wenn künstliche Befruchtung nicht noch funktionieren sollte, das passiert im Kleinen bei Insekten, bei Amphibien, bei Vögeln und Pflanzen täglich und oft auch unbemerkt.

Übrigens zeigt das Beispiel Breitmaulnashorn die Korrektheit des durchaus zum Schmunzeln anregenden Satzes der Landesregierung; denn es war das letzte verbliebene männliche Tier, das verstorben ist.

Übrigens, meine Damen und Herren von der AfD, Sie sind doch völlig unglaubwürdig, wenn es um Natur- und Artenschutz geht. Weder Kritik an der industriellen Landwirtschaft noch an der rücksichtslosen Ausbeutung natürlicher Ressourcen hört man von Ihnen,

(Ulrich Siegmund, AfD: Hä? Das war doch vorhin alles!)

bis hin zur Lobhudelei der deutschen Autoindustrie selbst beim Dieselskandal.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der AfD)

Ihre permanente Leugnung des menschengemachten Klimawandels ist nicht nur unwissenschaftlich und weltfremd, sie ist auch für die Belange des Naturschutzes geradezu gefährlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der AfD - Hannes Loth, AfD: Populismus!)

Davon können auch noch so viele Kleine und Große Anfragen nicht ablenken. Sie sind die Partei der anachronistischen Naturzerstörer.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der AfD - Daniel Roi, AfD: Das sagen Sie!)

Meine Damen und Herren! Zurück zum - -

(Daniel Roi, AfD: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

- Was regen Sie sich denn auf!