Es gab die unterschiedlichsten Informationsmöglichkeiten. Es gab eine ausgewogene Darstellung. Kevin Kühnert ist als Juso-Bundesvorsitzender quer durch die Republik getourt und hat Diskussionsforen angeboten. Man kann nicht unterstellen, dass dieses Votum einseitig konzipiert war.
Es ist keine Frage, sondern mehr eine Intervention bzw. ein Hinweis. Frau Pähle, Sie haben mich eingangs dafür kritisiert, dass ich mit den Worten Hin und Her und solchen Sachen Ihren Mitgliederentscheid infrage gestellt bzw. kritisiert habe. Das möchte ich hier gern richtigstellen. Das ist nicht so.
Ich meinte damit vielmehr diesen ganzen Vorgang der Regierungsbildung, den wir alle miterleben durften. Hier fielen gerade das Wort „Show“ und ähnliche Begriffe. Das möchte ich klarstellen bei der Sache; denn ich finde es ausdrücklich gut, dass Mitgliederentscheide stattfinden. Das würde ich in allen Parteien bevorzugen. Das muss ich ganz klar sagen. - Das dazu.
Ich danke Ihnen für die Klarstellung, Herr Höppner. Ich möchte aber an der Stelle hinsichtlich dessen, was Sie als Tamtam auch in Bezug auf
die Dauer beschrieben haben, um eine Differenzierung bitten. In der Zeit, in der SPD und CDU miteinander verhandelt hat, fanden, glaube ich, die kürzesten Koalitionsverhandlungen statt, die die Bundesrepublik jemals erlebt hat. Der ganze Prozess an sich lag nicht an uns. Es lag nicht an uns, dass sich das so lange hingezogen hat. - Vielen Dank.
Eine ganz kurze Ergänzung. Natürlich lag der Prozess auch an der SPD. Sie hatten nach der Wahl gleich festgelegt: Nein, wir gehen raus aus den Kartoffeln. Dann gingen sie wieder rein in die Kartoffeln. Das muss man auch mal klarstellen. Auch das hat natürlich Einfluss auf die Dauer gehabt.
Aber auch dazu sage ich Ihnen ganz deutlich: Am Wahlabend, wenn man als Partei erkannt hat, dass man die Mehrheit verloren hat, ist es das gute Recht, zu sagen, wir gehen in keine Regierung. Dass es eine andere Konstellation nicht geschafft hat, zu einem Bündnis zu kommen, zu einer Koalition, sorgt dann dafür, dass man auch als Partei noch einmal neu nachdenken muss. Das ist richtig. Das beinhalten auch die Prozesse in unserer Demokratie. Deshalb ist es auch gut so, wie es gelaufen ist. - Vielen Dank.
Danke. - Jetzt sind wir aber tatsächlich am Ende des Debattenbeitrags und wir kommen zum nächsten. Das ist von der AfD-Fraktion der Abg. Herr Poggenburg. Herr Poggenburg, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Verehrte Abgeordnete! Frei nach Deniz Yücel formulierte mein Parteikollege Dr. Gottfried Curio im Deut
schen Bundestag zuletzt Folgendes: Der baldige Abgang der SPD ist Parteiensterben von seiner schönsten Seite.
Spätestens mit der Entscheidung der SPD-Basis, also dem Ja zum vorgelegten Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vom 7. Februar, zementierten die Sozialdemokraten ihren sehnlichen Wunsch nach parteipolitischer Selbstabschaffung. Oder formulieren wir es einfach um: Wer hat sich selbst verraten? - Die Sozialdemokraten.
Die Wähler, meine sehr geehrten Damen und Herren, der SPD, aber auch der CDU, werden Ihr Verhalten entsprechend zu werten wissen.
Im Namen der AfD-Fraktion darf ich zunächst für Ihre Bemühungen danken, mit solchem Zickzackkurs, mit solchem Manöver die AfD voranzubringen und vor allem die AfD im Bundestag nun doch genau zu dem gemacht zu haben, was ihr gebührt und was von Beginn an dort auch unser Etappenziel war, nämlich zur Oppositionsführerin im Deutschen Bundestag. - Herzlichen Dank dafür.
Kommen wir nun zum Kern der vorliegenden Aktuellen Debatte und zu einem Thema, das tatsächlich bemerkenswert ist. Ich gehe davon aus, dass wir alle im Hohen Haus den Koalitionsvertrag, der zwischen CDU/CSU und SPD abgeschlossen wurde, wahrgenommen haben. Erlauben Sie mir ein paar Sätze zu diesem Vertrag im Allgemeinen.
Wie Sie beim Studieren der 177 Seiten umfassenden Lektüre feststellen können, enthält der Vertrag zwei grundsätzliche Formulierungsweisen, die sich durch den gesamten Text ziehen und den einzelnen Themen Prioritäten zuweisen. Als prioritär kennzeichneten die Koalitionspartner Vereinbarungen, indem sie ein „werden“ in die jeweilige Formulierung einbauten. Alle Abschnitte, in welchen wir ein „wollen“ finden, haben für die Bundesregierung dann tatsächlich weniger Priorität, und das sind ganz schön viele.
Darum sollten wir vorsichtig sein, wenn es darum geht, den Koalitionsvertrag zu bewerteten. Ein Vertragswerk, in dem sich mehrheitlich reine Absichtserklärungen finden wie im vorliegenden Fall, ist grundsätzlich nicht geeignet, schwere Krisen zu meistern, so wie wir sie gerade leider erleben.
Bleiben wir beim vorliegenden Debattengegenstand und schauen wir in das Kapital 9 Abs. 5 des Vertrages der zukünftigen Bundesregierung, dann finden wir dort Folgendes:
„Wir wollen, dass die Menschen in allen Regionen einen guten Zugang zu Leistungen der Daseinsvorsorge einschließlich der Bildung haben. Sie sollen am Aufbau neuer, moderner Infrastrukturen teilnehmen. Wir wollen, dass der Strukturwandel in den Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit gelingt und die wirtschaftlichen Unterschiede weiter abgebaut werden.“
Zweimal „wollen“ und einmal „sollen“ - leider nur weitere Absichtserklärungen ohne tatsächliche Priorität.
Somit können wir der antragstellenden Fraktion durchaus zustimmen, wenn diese eine strukturelle Missachtung der Bedürfnisse der neuen Bundesländer und der in ihnen lebenden Menschen feststellt.
Dass im Koalitionsvertrag grundlegend westlich gedacht und der Osten auch mit seinen eigenen Meinungen und Positionen tatsächlich stiefmütterlich ausgeblendet wird, sehen wir auch an Passagen wie dieser - ich zitiere -:
„Deshalb bedauern wir, dass Russlands Politik, einschließlich der Menschenrechtslage, einen erheblichen Rückschritt bedeutet. Russland verletzt durch seine völkerrechtswidrige Krim-Annexion und das Eingreifen im Osten der Ukraine die europäische Friedensordnung.“
Verehrte Abgeordnete! Das spiegelt garantiert nicht die Mehrheitsmeinung der Bürger Ost- und Mitteldeutschlands wider. Das ist eine völlig einseitige, westliche Betrachtungsweise dieses Themas, die überhaupt keinen Spielraum für andere Meinungen und Ansichten lässt. Dies ist eine ganz klare Verhöhnung des Ostens mit seinen Bedürfnissen nach Ausgleich mit Russland und mit seinen Wirtschaftseinbrüchen in speziellen Branchen von teils mehr als 40 % aufgrund der Russland-Sanktionen.
Ganz klar: Der Koalitionsvertrag ist aus der Sicht der Ostdeutschen in vielen Teilen nichts anderes als eine provokante Zumutung.
Nun könnte man versucht sein zu glauben, na ja, das war alles nicht so gemeint, das wird überbewertet und natürlich gehört der Osten gleichberechtigt dazu. Das wird an anderer Stelle bestimmt wieder kompensiert und verdeutlicht. Das
Ich habe mir dazu eine Stelle herausgesucht, die ganz zweifelsfrei als Indikator dafür angesehen werden kann, wie wichtig einem der Osten ist, nämlich die Kabinettsliste auf der letzten Seite des Koalitionsvertrages.
Wenn wir uns diese Liste, bisher erst aufgestellt durch die Union, anschauen, dann vermissen wir zuerst einmal einen völlig ausgewogenen Proporz zwischen West und Ost. Wir vermissen sogar einen unterproportionalen, aber doch zumindest vorhandenen Anteil des Ostens.
Verehrte Abgeordnete, wir vermissen sogar vollständig den Osten. Mit Verlaub: Das unterstreicht nicht nur dick und fett die im Koalitionsvertrag bereits ersichtliche Ostphobie, nein, es ist zudem eine Ohrfeige für das gesamte Generationenprojekt Wiedervereinigung.