Protocol of the Session on August 25, 2017

(Zuruf von Birke Bull-Bischoff, DIE LINKE)

Ein Eckpunkt: die Beitragsfreiheit für das zweite Kind einer Familie beim Besuch der Kita.

Frau Ministerin hat das eben selbst noch einmal überzeugend erklärt. Seitdem herrscht im politischen Raum dieses Landes zum Thema Kinderbetreuung ein nahezu babylonisches Sprachgewirr in Gestalt von Pressemitteilungen, Interviews und Twitter-Meldungen

(Eva Feußner, CDU: Wer hat das denn an- gefangen?)

aus allen politischen Lagern.

(Unruhe)

In der letzten Pressemitteilung der CDU vom 22. August 2017 heißt es unter anderem - ich zitiere -:

„Im Sinne der Bedarfsgerechtigkeit soll die Einführung unterschiedlicher Betreuungsansprüche für Erziehungsberechtigte, die einer Beschäftigung, einer Ausbildung oder einem Studium nachgehen, und denjenigen, die das nicht tun, geprüft werden.“

Das bedeutet, hierbei wird der Bedarf der Eltern über den Bedarf der Kinder gestellt. Gerade Kinder aus prekären, sozial schwierigen Verhältnissen bedürfen der Betreuung durch Fachkräfte in den Kitas und der sozialen Kontakte mit Gleichaltrigen, um voneinander zu lernen. Durch die vorschulische Bildung in diesem Umfeld wird ihnen ein besserer Start ins Schulleben eröffnet. Ansonsten haben einige von diesen Kindern schon am ersten Schultag Perspektiven verloren. - Wollen Sie das?

(Beifall bei der SPD - Eva Feußner, CDU: Das ist doch gar nicht erwiesen, was Sie da sagen!)

Einige hier im Raum erhoffen sich von der Kürzung des Ganztagsanspruchs eine finanzielle Entlastung gegenüber den derzeitigen Kosten. Diese wird aber nicht eintreten, wie wir wissen, da das jetzt konstatierte Kostenvolumen gerade eben eine Betreuung von 8,2 Stunden bis 8,4 Stunden abdeckt.

Dieser vermeintliche Einspareffekt tritt in einigen Fällen im Lebenslauf betroffener Kinder in Form von Erziehungshilfe, Sozialhilfe oder später in Form von Kosten der Unterkunft und ALG II wieder auf, nur an anderer Stelle, zum Beispiel bei den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, also in den Haushalten auch Ihrer Landräte. - Wollen Sie das?

(Beifall bei der SPD)

Am 19. August 2019 erschien die Pressemitteilung der GRÜNEN in der „Volksstimme“, dieses kurze Interview, dem ebenfalls zu entnehmen war, dass die Reduzierung des Ganztagsanspruchs betrieben wird, um gleichzeitig aber den höheren Betreuungsbedarf des überwiegenden Teils arbeitender Eltern zu betonen. - Sie hatten es aufgeführt.

Die über den Ganztagsanspruch hinausgehenden, dazuzukaufenden Stunden belasten aber gerade den Teil der werktätigen Bevölkerung, der den üblichen Kita-Betrag selbst finanziert und nun noch überproportional dazufinanzieren muss. - Wollen Sie das wirklich?

Elternbeiträge sozial zu staffeln ist seit Langem möglich und obliegt dem Satzungsrecht der Gemeinderäte.

(Zuruf von der CDU)

Das ist nichts Neues. Es hat seine Gründe, dass das nicht in Anspruch genommen wird, sondern nur in wenigen Ausnahmen erfolgt. Jedes Jahr mit der Einkommensteuererklärung oder jeden Monat mit dem Lohnzettel zur Gemeinde zu laufen, um einen erweiterten Betreuungsumfang zu beantragen oder einen gestaffelten Beitrag - wollen Sie das wirklich?

Wird das in das Gesetz aufgenommen, greift in Sachsen-Anhalt sofort die Konnexität. Die Gemeinden melden ihren nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand beim Land an und das Land muss zahlen, und zu Recht. - Schade um Geld für Verwaltungsaufwand.

Ich zitiere bezüglich unseres Vorschlages, Eltern von zwei Kindern zu entlasten, den besagten Artikel vom 19. August aus der „Volksstimme“ weiter. Darin heißt es, von der SPD-Regelung würden vor allem von Armut betroffene Alleinerziehende, die überdurchschnittlich oft nur ein Kind versorgen, nicht profitieren.

Sie sagten das selbst natürlich nicht, weil wir diese nicht von etwas entlasten können, was die örtlichen Träger der örtlichen Jugendhilfe ohnehin schon finanzieren.

Über den Gesetzentwurf der LINKEN haben wir schon im Juni debattiert. Meine Damen und Herren! Es ist der Vorteil der Opposition, Dinge vorzuschlagen, die sie nicht realisieren muss.

(Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

Kostenfreiheit in der Bildung für alle vom ersten Tag an. - Das ist eine richtige und von uns Sozialdemokraten schon lange gestellte Forderung. Aber wir sind eine Regierungsfraktion. Wir haben Verantwortung, wir haben Realitätsbewusstsein und wir sind hier im Parlament nicht die Wünscheerfüller, sondern Möglichkeitenfinder.

(Beifall bei der SPD)

Genau deshalb wissen wir, ohne die Übernahme von Verantwortung durch den Bund ist die kostenfreie frühkindliche Bildung nicht zu realisieren. Die Beitragsfreiheit für das zweite Kind, wie sie von Ministerin Grimm-Benne vorgeschlagen wurde, ist durch Sachsen-Anhalt selbst als erster Schritt realisierbar. Genau das wollen wir. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. Ich sehe keine Nachfragen. - Deswegen können wir nunmehr in der Debatte fortfahren. Abschließend spricht für die Fraktion DIE LINKE die Abg. Frau von Angern. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Frau Lüddemann, Ihrem Vorwurf, dass wir heute hier Bundestagswahlkampf machen, kann ich ganz gelassen entgegnen: Ich glaube, die Sozialministerin hat sechs Wochen vor der Bundestagswahl mit ihrem Vorstoß auch keinen Wahlkampf gemacht. Insofern gehen wir heute mit unserem Antrag ganz selbstbewusst um.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus der Opposition heraus schreiben wir keine Anträge, damit Sie uns lieb haben, sondern um deutlich zu machen, welche Unterschiede zwischen den Fraktionen bestehen. Wir hatten mit dem Vorstoß der Sozialministerin eine neue, eine andere Geschäftsgrundlage als die, die wir im Juni hatten, als wir unseren Gesetzentwurf eingebracht haben.

Wir wollten einfach allen Fraktionen im Hause die Möglichkeit geben, ihre Positionen klar darzustellen, um eben sämtliche Unterschiede hier deutlich zu machen. Ich sage es gleich vorweg: Wir sind tatsächlich dem Vorschlag der SPD-Fraktion bzw. der Sozialministerin am nächsten.

Ja, ich hätte gedacht, dass sozusagen zwei Wochen nach dem Vorschlag die Waffen schon ein Stück weit niedergelegt sind. Frau Feußner hat bewiesen, dass das Gemetzel noch ein Stück weitergeht.

(Eva Feußner, CDU: Das geht auch noch weiter!)

Wir werden natürlich interessiert weiter verfolgen, wie das hier weitergeht.

Für unsere Fraktion kann ich erklären, wir halten nach wie vor an dem Ganztagsbetreuungsanspruch für alle Kinder insofern fest, als wir sagen: Es darf keine Selektion, keine Unterschei

dung geben zwischen Kindern von Erwerbstätigen und von Nicht-Erwerbstätigen bzw. zwischen Kindern von Erwerbstätigen, die sich Randzeiten dazukaufen können, und von Erwerbstätigen, die sich das nicht leisten können.

Frau Lüddemann, das ist das Problem, wenn man so eine Debatte um die Randzeitenbetreuung aufmacht: Man öffnet die Tür für den Koalitionspartner, der ganz offen und deutlich erklärt, er würde auch vom Ganztagsbetreuungsanspruch abweichen. Das ist aber etwas, was wir ausdrücklich nicht wollen. Deswegen sehen wir Ihren Vorschlag zu Randbetreuungszeiten auch sehr skeptisch, halten ganz klar dagegen und sagen: Ganztagsbetreuungsanspruch für alle Kinder in der Zeit, die wir momentan vorgegeben haben.

Zu den Mehrkosten hat meine Kollegin Frau Hohmann schon etwas gesagt. Ich habe das einmal ausgerechnet. Wenn es wirklich darauf hinauslaufen würde, dass man die höchste Summe pro Stunde ansetzt und diese drei Stunden dazukaufen müsste, käme man sogar auf bis zu 1 500 €, wenn man das komplett öffnet. Das Problem ist, wir wissen nicht, was in der Koalition herauskommt, wenn Sie weiterhin so an Ihrem Vorschlag festhalten.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

- Ich habe verstanden, dass Ihr Vorschlag ein anderer ist. Aber was hinten rauskommt, wenn das von Ihnen vorgeschlagen wird, das wissen wir alle nicht. Insofern sind wir da äußerst skeptisch.

(Beifall bei der LINKEN - Cornelia Lüdde- mann, GRÜNE: Das ist aber nicht unser Vorschlag!)

Bei dem Ansatz, die Qualität in den Kindertageseinrichtungen zu verbessern, wissen Sie uns an Ihrer Seite. Dazu der ganz klare Hinweis auch an den Bildungsminister, genau hinzuschauen, wie die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern funktioniert und was dabei gegebenenfalls auch verbessert werden müsste.

Frau Ministerin sagte es heute hier: Der Ansatz, den wir durchaus auch teilen, besteht bei dem vorgeschlagenen Entwurf darin, die Eltern zu entlasten. Allerdings ist das nicht allein ein Ansatz der LINKEN. Wir sagen ganz klar: Bildung muss kostenfrei sein, Bildung gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge.

Und ganz ehrlich, Frau Dr. Späthe, mir gefällt das Wahlplakat der SPD - im Bund nicht in der Opposition, sondern in der Regierung -, auf dem es heißt: Bildung darf nichts kosten, außer ein bisschen Anstrengung. - Also, liebe SPD, strengen Sie sich ein bisschen an!

(Beifall bei der LINKEN)

Wagen Sie den Schritt in die komplette Kostenfreiheit! Ich kann Ihnen schon jetzt versprechen, die ersten Jastimmen bekommen Sie von unserer Fraktion.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke. Ich sehe keine Nachfragen. - Zwar hat die Einbringerin Frau Hohmann um eine Direktabstimmung gebeten. Aber ich habe trotzdem bei einer der Koalitionsfraktionen das Ansinnen auf Überweisung in den Sozialausschuss gehört.

(Tobias Krull, CDU: Federführend Soziales, mitberatend Finanzen!)

Also, zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss und zur Mitberatung in den Finanzausschuss.