Protocol of the Session on May 5, 2017

Unsere Polizistinnen und Polizisten setzen sich tagtäglich, oft unter Inkaufnahme von Gefahren und Bedrohung, für die Sicherheit von uns allen ein. Dafür gilt ihnen unser herzlicher Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Zutiefst skeptisch bin ich bei Rufen nach Gesetzesverschärfungen unmittelbar nach schlimmen Verbrechen, nach Anschlägen oder nach anderen Gewaltverbrechen. Von den üblichen Experten werden dann eilig Vorschläge für Gesetzesverschärfungen aus der Mottenkiste herausgeholt, die häufig nur bloße Scheinlösungen darstellen.

Zum Beispiel ist das Versprechen, mehr Abschiebungen krimineller Ausländer zu organisieren, dann fatal, wenn man es nicht einlösen kann. Ein Scheitern führt anschließend zu mehr Sorge über eine vermeintliche Schwäche unseres Staates bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Besser ist es, den Bürgern die Rechtslage ehrlich zu erklären und auch zu sagen, wo in der Praxis die Grenzen unseres Handelns sind.

(Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Ich sage es an diesem Pult immer wieder: Eine personell und sachlich ausreichend ausgestatte und motivierte Polizei ist der beste Garant für die innere Sicherheit.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Nun, meine Herren der AfD, zur Begründung Ihres Antrages. Der Herr Minister hat eben darauf hingewiesen, was die Kriminalitätsbelastung in Sachsen-Anhalt im Ländervergleich betrifft. Ich will das noch einmal erhärten. Eine Zahl in Ihrer Begründung ist richtig, wenn man akzeptiert, dass Sie aufgerundet haben: 257 Fälle von Gewaltkriminalität in 2016 in Sachsen-Anhalt auf 100 000 Einwohner. Der Rest aber ist falsch.

Sie werden das vermutlich nach Ihrem Idol im Weißen Haus als alternative Fakten benennen. Das Ranking der Flächenländer lautet nun einmal: Saarland 274, NRW 272,6 und unser Bundesland - zugegebenermaßen ein Platz, auf den wir nicht stolz sein können, aber es ist eben nicht der Spitzenplatz.

Herr Minister Stahlknecht hat uns auch gesagt, welche Schlussfolgerungen er daraus zieht. Gewiss ist für mich, dass wir in Ablauf und Organisation der Kriminalitätsbekämpfung besser werden können und müssen. Und, meine Herren von der AfD, ich hatte mich bei der Begründung des Antrages schon gefreut, dass jedenfalls in der Drucksache überhaupt kein ausländerfeindlicher Zungenschlag zu finden war. Aber der Redebeitrag von Herrn Poggenburg hat gezeigt, Sie sind sofort und gleich wieder auf der Linie Ihrer Anführer in Thüringen und Brandenburg, Gauland und Höcke.

Deshalb kurz zur Einordnung, das muss man vielleicht auch einmal erklären.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

Verglichen mit der deutschen Bevölkerung ist die Zahl der Straftäter unter Migranten tatsächlich höher. Doch solche Vergleiche ohne statistische Korrekturfaktoren sind nun einmal - das wissen Sie auch, Sie ignorieren es nur - wenig aussagekräftig.

Grundlage bei der deutschen Bevölkerung ist die Gesamtzahl. Darunter sind natürlich auch die älteren Frauen, die Rentner und die Kinder. Die Gruppe der Migranten besteht zum Großteil aus - Sie bemängeln es ja immer - jungen Männern. Diese bilden im Übrigen auch in der deutschen Bevölkerung die auffälligste Gruppe, was Straftaten betrifft. Vergleicht man in Bezug auf Alter, Geschlecht, Status ähnlich zusammengesetzte Gruppen, waren die Zahlen nahezu identisch. Der Herr Minister hat gleichfalls darauf hingewiesen.

Was ich an dieser Aktuellen Debatte so ermüdend finde, ist, dass bei Ihnen nicht einmal der Hauch einer Chance besteht, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit durch die AfD, sie ist unabhängig von der empirisch in der PKS abgebildeten Wirklichkeit. Die AfD guckt da außerhalb und pickt sich das heraus, was in ihr Weltbild passt. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Quade.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Frage der Seriosität der dieser Aktuellen Debatte zugrunde liegenden Behauptung, Sachsen-Anhalt hätte den traurigen ersten Platz bei den Gewalttaten, hat Herr Erben ausgeführt, der Herr Minister hat ausgeführt; dazu ist im Grunde nicht mehr zu sagen.

Jeder, der schon einmal eine Debatte hier im Landtag erlebt hat, hätte vorhersagen können, wie

ein Beitrag der AfD zu diesem Problemkreis aussieht. Er war heute ein bisschen müde - es war ja gleich nach der Mittagspause -, es war ein bisschen wenig Fahrt drin, aber ich bin mir sicher, wir werden im Laufe des Nachmittags noch mehr davon erleben. Es ist nicht so, dass ich das unbedingt möchte, aber es bleibt einem ja nicht erspart.

Es ist doch immer derselbe Mix: drei Teile Behauptungen zu Ausländerkriminalität, zwei Teile Behauptungen zu Linksextremismus, ein Teil Fabulieren über das Altparteienkartell, und dann geht es, je nach Tagesform, weiter mit einer Prise NS-Sprache oder mit anderen Provokationen, dann noch mit einer Messerspitze „alle anderen sind die wahren Faschisten“, zwei Prisen Beleidigtsein, wenn es Leute gibt, die darauf keine Lust haben und sich dem entziehen wollen, und zum Schluss zuallermeist noch ein großer Löffel Testosteron. - Das ist immer derselbe Mix, das ist langweilig, das ist hanebüchen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD - Lachen bei der AfD)

Und vor allem macht es eine ernsthafte Debatte, die gern kontrovers sein kann - es ist nicht so, dass wir diese hier nicht führen würden -, unmöglich.

Deswegen werde ich meinen Redebeitrag hier sehr kurz halten. Was aus der Sicht meiner Fraktion

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Bravo!)

zum Thema Sicherheit zu sagen ist, habe ich heute Morgen ausgeführt. Es lohnt schlichtweg nicht, Zeit darauf zu verschwenden, einen sinnvollen Redebeitrag zu einer von der AfD initiierten Debatte zum Themenkreis Sicherheit, Kriminalität, Ursachen von Kriminalität und Lösungsansätze zu überlegen. Es sind die Akteure der AfD, die maßgeblich zur Verrohung dieser Gesellschaft beitragen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie sind es, die ankündigen, „Lumpen“ aus dem Hochschulbetrieb zu entfernen und Arbeit zuzuführen. Sie sind es, die von „Wucherungen am Volkskörper“ schwadronieren. Sie sind es, die bewusst an Sprache und Ideen des Nationalsozialismus anknüpfen. Sie sind es, deren Mitarbeiter zur Konferenz einer rechtsextremen Organisation nach Italien fahren, die sich die Faschisten des dritten Jahrtausends nennen. Sie sind es, die Mühe haben,

(Unruhe bei der AfD)

denselben Mitarbeiter bei einer Veranstaltung an der Uni Magdeburg im Zaum zu halten, bei der Ihnen Leute nicht mehr sagen als: Wir haben keine Lust auf Sie und wir hören uns Ihr Zeug auch nicht an, die Mühe haben, diesen Mann zurückzuhalten, damit der nicht mit seinen Handschuhen auf die Leute losgeht.

Wem wollen Sie denn glaubhaft vermitteln, Sie wären ernsthaft um die Verrohung in dieser Gesellschaft bemüht?

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN - Zu- stimmung von Rüdiger Erben, SPD, von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Herr Farle, haben Sie eine Frage oder eine Intervention?

Ich habe eine Intervention.

Dann haben Sie jetzt das Wort.

Nein, ich will ganz ruhig bleiben. Ich will nur ganz kurz auf eines hinweisen. - Habe ich das Wort jetzt schon gehabt?

Ja.

Gut. Danke. - Ich will nur darauf hinweisen, dass Frau Quade anscheinend Ursache und Wirkung nicht auseinanderhalten kann. Wir haben tatsächlich eine Zunahme von Gewalt in der Gesellschaft. Wir haben in einem anderen Zusammenhang heute schon gehört, dass viele Menschen, und zwar insbesondere auch Frauen, Angst haben, abends allein noch über die Plätze in belebten Innenstädten zu gehen, und solche Dinge.

(Zuruf von Henriette Quade, DIE LINKE)

Wir erleben auch täglich, auch wenn Sie darüber lachen - - Ich habe vorhin auch Ihre Gesichter beobachtet, bei Frau von Angern usw. Sie alle haben ja ein bisschen über die Ausführungen von Herrn Poggenburg gelacht.

(Zurufe von der LINKEN - Sebastian Strie- gel, GRÜNE, lacht)

Da kann ich Ihnen aber nur sagen, diese Angst ist in der Bevölkerung real. Man hat früher nicht in den Zeitungen lesen müssen, dass ein Ehemann

seine Frau am Hals an eine Anhängerkupplung bindet und durch den halben Ort fährt und dann seine Frau umgebracht hat. Oder dass einer von hinten die Frau mit dem Messer vor seinen eigenen Kindern umbringt. Solch eine Kulturbereicherung hatten wir in der Vergangenheit noch nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Weil ich meine Zeit nicht überschreiten will, möchte ich nur sagen: Ursache und Wirkung bitte sauber auseinander halten! Die Ursache für diese zunehmende Verrohung und für die zunehmende Gewalt hat nicht die AfD gesetzt; denn als diese Prozesse begonnen haben, gab es uns überhaupt noch nicht. Die Realität ist vielmehr genau umgekehrt.

(Zuruf von Birke Bull-Bischoff, DIE LINKE)

Diese Gewaltzunahme erleben wir in einer Situation, wo in unserer Gesellschaft die Grenzen dessen, was in einem Rechtsstaat möglich ist und was nicht möglich ist, verwässert werden. Sie werden verwässert, wenn wir massenhaft Menschen in unseren Kulturbereich aufnehmen, die unsere Regeln nicht anerkennen.

(Beifall bei der AfD)

Und die Regeln bedeuten, dass die zwei Minuten um sind. Okay.