Protocol of the Session on March 2, 2017

(Volker Olenicak, AfD: Das kommt offenbar nicht an!)

aber diese Nachfrage zeigt mir wieder, wie wichtig es ist, immer wieder diese Fragen in den Vordergrund zu stellen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und von der Regierungsbank - Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Vielen Dank, Frau Kolb-Janssen. - Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Keding. Sie haben das Wort, Frau Ministerin.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Am 8. März ist der Internationale Frauentag. Wir haben gestern die zentrale Frauentagsveranstaltung in Eisleben für das Land Sachsen-Anhalt unter Beteiligung von 150 Frauen, sehr vielen Akteuren aus allen Bereichen, durchgeführt: kommunale Gleichstellungsbeauftragte, Frauen aus der Kirche, Frauen aus dem Kultur- und Bildungsbereich in verschiedenen Arbeitskreisen.

Dabei hat sich unter dem Motto „Mutig und engagiert - Frauen in der Reformation und in der Gegenwart“ gezeigt, dass uns mit den Frauen zur Zeit der Reformation mehr verbindet, als man auf den ersten Blick glauben mag, aber dass es auch einen großen Unterschied gibt. Auf diesen hat Frau Dr. Kolb-Janssen eben schon Bezug genommen, und zwar dass die rechtliche Gleichstellung, die Gleichberechtigung rechtlich verwirklicht ist.

Für uns Frauen ist es eben nicht mehr von einem Testament abhängig, ob wir unsere eigenen Rechte wahrnehmen können, ob wir unsere eigenen Finanzen verwalten können. Das hängt nicht von der Anerkennung dieses Testaments in der Gesellschaft ab, wie das so schön in dem Film „Katharina von Bora“ gezeigt worden ist.

Das eine ist die rechtliche Gleichstellung - die Gleichberechtigung - und das andere ist die tatsächliche Gleichstellung. Insoweit ist das hier vorgetragen worden. Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit. Frauen übernehmen fast immer die Sorgearbeit in der Familie, sei es für Kinder, sei es für Pflegebedürftige. Männer werden seltener Erzieher, seltener Grundschullehrer, seltener Logopäden.

Über viele Dinge wird eher diskutiert und geredet als über das, was solche Berufswahlen und Berufskarrieren dann auch im Geldbeutel ausmachen. Wir haben es auf Bundesebene mit einer unbereinigten Lohnlücke - wenn man nur die Gehaltszettel nebeneinander legt - von 21 % zu tun, bereinigt von 7 %, wenn man wirklich gleiche Qualifikationen, gleiche Erfahrungen, gleiches individuelles Vermögen nebeneinander legt.

Aber in Sachsen-Anhalt ist diese unbereinigte Lohnlücke bereits mit nur 6 % ausgewiesen. Das heißt, in Sachsen-Anhalt sind wir in diesem Bereich wirklich in einer vorbildlichen Situation. Wir haben eine ganze Reihe von Daten - schon zum dritten Mal - in dem „Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland“ zusammengetragen, der ein sehr differenziertes Bild über die tatsächliche Gleichstellung in Deutschland zeichnet. Sachsen-Anhalt ist dort manchmal sehr weit vorne wie hier mit den 6 %. Wir sind nicht nur bei diesem einen Indikator gut. Wir haben 24 % Männer in nichtakademischen medizinischen Gesundheitsberufen. Wir sind damit fast an der Spitze aller Bundesländer.

Auf der anderen Seite gibt es nur 10 % Mädchen in technischen Ausbildungsberufen, ein eher niedriger Anteil im Bundesländervergleich. Der Anteil von 22 % der Frauen in den Ingenieurwissenschaften ist wiederum hoch. 47 % der Frauen sind in der Promotion, aber nur 19 % habilitieren sich dann. Das ist ein sehr niedriger Anteil.

(Zuruf von Eva Feußner, CDU)

Von daher ist ein differenziertes Bild zu zeichnen. Wir haben in vielen Bereichen Handlungsbedarfe landesspezifisch und entsprechend für den einzelnen Bereich zu organisieren und auch darauf zu reagieren.

Der Punkt: Wir haben uns eine Gleichstellungsagenda vorgenommen: Wie können wir diese gerechte Teilhabe von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesellschaft umsetzen? - Die Koalitionsfraktionen haben sich zu einem breiten Strauß von Maßnahmen verabredet.

Zuallererst: Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe. Ich habe eben darauf hingewiesen, dass wir im Bereich Wirtschaft einen hohen Frauenanteil in den Führungspositionen haben. Es er

staunt einen selbst, wenn man liest, dass der Anteil auf der obersten Führungsebene bei 32 % liegt und bereits bei 47 % auf der zweiten Ebene.

Auf der anderen Seite lag der Frauenanteil 2015 bei 10 % in der Regierungsmannschaft. Das ist mit dem Kabinett 2016 auf 30 % gesteigert worden.

(Eva Feußner, CDU: 30 %?)

- Ja, drei von zehn sind 30 %.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Das ist Ma- thematik!)

- Das ist Mathematik. - Wir haben tatsächlich einen Anteil von knapp 24 % in den Aufsichtsgremien. Wir haben uns angeguckt, wie das zustande kommt. Ist das nur böser Wille oder Nichtbeachtung von Frauen? - Es gibt eine ganze Reihe von Satzungen, von Gesellschaftsverträgen, die sich das Land selbst gegeben hat und wo es auch selbst entscheiden kann, in denen Aufsichtsratsmandate an die Funktion gebunden werden. Dafür brauchen wir kein Gesetz, um das zu ändern, dafür müssen wir diese Satzungen ändern.

Genau darauf habe ich im Dezember des letzten Jahres bereits die Ressortkollegen hingewiesen, dass wir uns nicht nur auf diese freien Mandate - die frei besetzt sind - fokussieren, sondern dass wir uns auch um die funktionsbezogenen Mandate kümmern. Und dass wir uns auch darum kümmern müssen, wenn wir Verbänden, wenn wir Dritten aus der Wirtschaft Besetzungsrechte in den Aufsichtsräten, in unseren eigenen Aufsichtsräten einräumen - was ich sehr begrüße, weil ich denke, dass wir damit auch den Sachverstand und den spezifischen Fachverstand in die Unternehmen einbinden können -, dass wir dort ein Element einfügen müssen oder können, das auch dazu dient, dass Frauen mit benannt werden von Dritten. Das ist in jedem Gesellschaftsvertrag gesondert auch immer in Ansehung des Gesellschaftszwecks und der Aufgaben zu regeln.

Wir haben einen Anteil von Frauen in Führungspositionen in der gesamten Landesverwaltung von 34,2 %. Auch dort hat sich der Koalitionsvertrag vorgenommen, dieses wesentlich zu steigern. Dazu wollen wir das Frauenfördergesetz in ein Chancengleichheitsgesetz überführen.

In diesen Tagen geht die Einladung an die Verbände heraus, um über das Arbeitspapier - das Eckpunktepapier steht, daraus ist ein Arbeitsentwurf gefertigt worden - mit den Verbänden und Beteiligten zu diskutieren, zu sehen: Wie steht es mit der Rolle der Gleichstellungsbeauftragten? Ist es noch richtig, dort eine Teilung in Ehrenamtliche und Hauptamtliche vorzunehmen? - Wir sind das

einzige Land in der Bundesrepublik, das so vorgeht. Wie steht es mit den Rechten dieser Gleichstellungsbeauftragten, und wie steht es mit Anreizsystemen, um diese Ziele besser umsetzen zu können?

Wir haben eine Reihe von Förderprogrammen für unsere spezifischen Probleme. Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass wir nach dem Gleichstellungsatlas durchaus Handlungsbedarf haben bei der Berufswahl von Mädchen, aber auch bei der wissenschaftlichen Ausbildung und bei der Beteiligung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb.

Ich freue mich sehr, dass wir dort gleich mehrere Förderprogramme haben. Zum einen richtet sich das an Männer und Frauen, die bereits Kinder haben, aber keine Erstausbildung durchlaufen haben.

Wir haben ein Förderprogramm für die Berufswahl, um den Blick zu weiten auch auf die naturwissenschaftlichen, ingenieurtechnischen und mathematischen Berufe, gerade auch von jungen Mädchen und jungen Frauen.

In einem weiteren Förderprogramm befördern wir auch die wissenschaftliche Karriere von Frauen an den Hochschulen.

Von daher haben wir eine ganze Reihe von differenzierten Projekten. Wir haben auch eine differenzierte Lage in Sachsen-Anhalt. Wir können nicht einfach sagen: Das ist im Bundesgebiet so, dann wird es in Sachsen-Anhalt ähnlich sein. Nein, wir haben aufgrund unserer Geschichte, auch aufgrund von 40 Jahren anderer Erwerbsbiografien in der DDR, anderer Sozialisation andere Fragestellungen als der Westen der Republik. In anderen Bereichen wiederum unterscheidet sich das mehr nach dem Norden und nach dem Süden. Von daher ist jeweils der individuelle Blick darauf zu richten.

Ich denke, wenn wir an der Gleichstellung weiterhin als Querschnittsaufgabe arbeiten - dass das für alle Ressorts gleichermaßen ein Thema sein muss, ist immer wieder zu beachten -, dann wird es uns gelingen, die Arbeit von Frauen und die Stellung von Frauen sichtbar zu machen und ihren unverzichtbaren Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft zu zeigen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich sehe keine Anfrage. Somit steigen wir in die Debatte der Fraktionen ein. Als erste Debattenrednerin spricht für die AfD-Fraktion die Abg. Frau Funke. Sie haben das Wort, bitte.

Danke sehr. - Werte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Abgeordnete! Die ersten Assoziationen, die sich unweigerlich heutzutage mit dem Internationalen Frauentag verbinden, scheinen geprägt von den Schlagworten einer verfehlten Politik zu sein.

Genderisierung, Sexismus-Debatte, Femen-Aktivismus und schließlich die Frauenquote - Begrifflichkeiten, die den Grundzügen der Frauenbewegung nicht einmal im Ansatz gerecht werden können und die historische Bedeutung des Tages überspitzt zu interpretieren versuchen.

Einem Tag, der zuweilen als Kampftag der Frauen heroisiert wird, obwohl jegliche Art der Übertreibung unvernünftig erscheint, wenn man in der Lage ist, das Recht der Frauen dort zu verorten, wo es geboren ist: in der Mitte der Gesellschaft.

(Beifall bei der AfD)

Besinnen wir uns zurück. Bereits 1910 rief die Kommunistin Clara Zetkin die Bedeutung des Gedenktages aus; ich zitiere: Im Einvernehmen mit den klassenbewussten und politischen Organisationen der Arbeiterschaft in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient.

Die Geschichte lehrte uns, dass das Frauenwahlrecht in Deutschland aber erst ab dem 19. Januar 1919 erstritten werden konnte. Vorangegangen war die Gleichberechtigung der Geschlechter. Denn obgleich bereits im Vorfeld proklamiert, Etablierung und Wertschätzung erfuhr die Gleichberechtigung von Frau und Mann dieser Tage - so die traurige Wahrheit - erst in den europäischen Rüstungsfabriken des Ersten Weltkrieges.

Doch wie kann man in Anbetracht jenes europäischen Geburtsfehlers, des Ersten Weltkrieges, die Gleichberechtigung und damit die Stärkung der Frauenrechte etablieren, wenn sie doch scheinbar aus der Not geboren war? - Die Antwort ist denkbar einfach: Indem man kein Geschlecht zu überhöhen versucht und um Ausgleich bemüht ist.

(Beifall bei der AfD - Frau Lüddemann, GRÜNE: Genau das ist die Idee!)

Meine Damen und Herren, dies ist in der Zeit beider deutschen Staaten seitens der BRD sträflich vernachlässigt worden. Im Grunde bedarf es keines heutigen Frauenkampftages um Gleichberechtigung, hätte man die Geschlechterrollen damals ab Anfang der 50er-Jahre in ihrem Kontext zueinander als Einheit gestärkt.

Hier erweist sich der Blick in die Geschichte, der Blick abseits der damaligen Bundesrepublik Deutschland als aufschlussreicher Seitenhieb. Dabei geht es um das Frauenbild in der ehe

maligen DDR und um die Frauenpolitik mit allen ihren Implikationen von der geschlechtergerechten Erziehung über die Mutterschaft bis zur Rolle der Frau im Wirtschaftsleben.

Die ostdeutsche Frau war und ist Avantgarde. Es gibt einen nahezu unhinterfragten, mittlerweile gesamtdeutschen Wunsch, zu diesem Ideal aufzuschließen. Niemand hat dieses Leitbild öffentlich zur Ikone erhoben. Wertverschiebung und Rollenwechsel geschahen so subkutan wie sukzessiv.

(Beifall bei der AfD)

Wer Avantgarde ist, ist viel mehr als ein Trendsetter. Moden können jäh in ihr Gegenteil umschlagen. Die Avantgarde hingegen gibt die Richtung an, die fortan beschritten wird. Es gibt ungezählte Punkte im Bereich der Frauen- und Familienpolitik, in denen der Westen der Ostzone hinterherhinkte. Die heute populären Idealvorstellungen vom Frauendasein, ob als Arbeitstätige oder als Konsumentin oder als Mutter, sind im Osten gelebte Wirklichkeit.

(Zustimmung bei der AfD)

Fast alles, was wir heute an frauenpolitischen Bestrebungen und Leitbildern vorfinden, hatte die DDR mustergültig vorexerziert. Ohne Skandaldebatten, ohne Genderinstitute, ohne entblößte Brüste, ja überhaupt ohne Feminismus.

(Beifall bei der AfD)

Weggefallen ist in der vergrößerten BRD der Rahmen, in den die Frauenpolitik des Ostteils eingespannt war und der Werte und Leitmotive stramm zurrte, die heute scheinbar obsolet sind, nämlich Patriotismus, Bevölkerungspolitik und ein gesundes Bewusstsein für die Familie.