Protocol of the Session on December 16, 2016

Damit ist der Tagesordnungspunkt 3 erledigt und wir werden einen kurzen Wechsel vornehmen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 4

Erste Beratung

Zunehmende Altersarmut stoppen - würdevolles Leben ermöglichen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/701

Einbringerin ist Frau Hohmann. Frau Hohmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion wird nicht müde, immer wieder auf die bestehenden Ungerechtigkeiten im Land aufmerksam zu machen, sei es bei der Kinder- oder Altersarmut, um politisches Handeln zu fordern.

(Beifall bei der LINKEN)

In unserem Antrag möchten wir erneut und zum wiederholten Male auf die derzeitige Rentensituation und die damit steigende Altersarmut in unserem Land eingehen. Die Zahl der von Armut bedrohten ab 65-Jährigen wächst seit Jahren kontinuierlich. Ein weiterer Anstieg des Altersarmutsrisikos besonders in den ostdeutschen Bundesländern innerhalb der nächsten zehn Jahre ist zu erwarten. Frauen, Alleinstehende, Geringqualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund sind besonders häufig von Altersarmut bedroht.

Wie sieht es derzeit in Sachsen- Anhalt aus? - Laut Statistik waren im Jahr 2010 13,5 % der Rentnerinnen und 9 % der Rentner von Altersarmut betroffen. Im Jahr 2015 stiegen diese Zahlen

auf 16,1 % bei den Rentnerinnen und 12,1 % bei den Rentnern an.

Wenn man sich dann noch die Zahlen der künftigen Rentnerinnen und Rentner anschaut, also die der 50- bis 64-Jährigen, die jetzt bereits in Armut leben - es sind in Sachsen-Anhalt 21,8 % -, dann kann man sich gut vorstellen, wie sich die Altersarmut in den nächsten Jahren auswirken wird.

Seit dem Jahr 2010 stieg ebenfalls landesweit die Anzahl der Betroffenen in der Grundsicherung von 6 620 auf 7 837. Dies ist der Stand vom 30. Juni 2016. Wenn wir bedenken, dass jetzt Dezember ist, dann möchte ich nicht wissen, wie sich diese Zahl entwickelt hat.

Dies sind nur die offiziellen Zahlen. Die Dunkelziffer ist weitaus höher. Nach Studien geht man von etwa 1,6 Millionen Betroffenen in Deutschland aus. Zwei Drittel davon sind Frauen. Oft schämen sich diese Menschen, scheuen sich, einen Antrag zu stellen, kennen ihren Anspruch nicht oder haben auch Ängste, stigmatisiert zu werden. Deshalb, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir unbedingt etwas tun und können das Problem nicht aussitzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zwar hat die große Koalition in Berlin den Versuch unternommen, mit einem Rentengipfel kurz vor Ende dieser Legislaturperiode noch etwas zu bewirken, doch die vorliegenden Ergebnisse sind eher dürftig. Sie ändern nichts an dem Zustand der zunehmenden Altersarmut. Auch das Herausstreichen von Passagen aus dem jüngst veröffentlichten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hilft an dieser Stelle nicht weiter.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Für viele Menschen wird nach langjähriger Erwerbsarbeit Altersarmut zur realen Gefahr. Wir fordern deshalb in unserem Antrag, das Rentenniveau wieder deutlich auf 53 % anzuheben. Damit sollen die heutigen Rentnerinnen und Rentner sowie die nächsten Generationen von ihrer Rente sorgenfrei leben.

Ich möchte an dieser Stelle kurz einige Fakten aufrufen, an denen deutlich wird, warum wir diese Forderung aufmachen. Vor dem Jahr 2000 musste man in Deutschland 24 Jahre zum Durchschnittsverdienst arbeiten, um eine Rente in Höhe der Grundsicherung im Alter zu erhalten. Diese beträgt heute durchschnittlich 799 €. Mittlerweile sind es schon 30 Jahre und im Jahr 2030 werden es, selbst mit Frau Nahles‘ Haltelinie von 46 % Rentenniveau, schon 33,5 Jahre sein. Daran kann man erkennen, dass es sehr wichtig ist, das Rentenniveau wieder auf 53 % anzuheben.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun werden sicherlich einige von Ihnen sagen, dann müsse man eben vorsorgen. Genau darauf zielt das viel beschworene Drei-Säulen-Modell ab. Dazu kann ich nur sagen: Riester und Betriebsrenten können für die große Mehrheit der Menschen die in die gesetzliche Rente gerissenen Löcher nicht stopfen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der AfD - Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

Gerade für die Menschen, die im Osten leben, ist dies sehr schwierig. Befristete Arbeitsverträge, Teilzeitjobs, Leiharbeit und prekäre Beschäftigung verhindern oft private Vorsorge.

Im April erklärte selbst CSU-Chef Horst Seehofer Riester für gescheitert. Auch die Grünen halten die Riester-Rente inzwischen für einen Fehlschlag. Zu selten werde sie in Anspruch genommen, zu gering seien die Renditen, zu hoch die Kosten - alles in der „Süddeutschen Zeitung“ nachzulesen. Auch die betriebliche Altersvorsorge fällt bei uns aufgrund der vorhandenen Strukturen im Land in der Wirtschaft eher marginal aus.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein zweiter Punkt in unserem Antrag beschäftigt sich mit der Regelaltersgrenze. Wir halten es für notwendig, die Erhöhung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zu revidieren

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der AfD)

und die Regelaltersrente mit 65 Jahren wieder einzuführen. Solange die Situation im Land noch so ist, dass Bauarbeiter durchschnittlich im Alter von 58 Jahren aus dem Beruf ausscheiden und Unternehmen kaum ältere Erwerbslose über 55 Jahre einstellen, ist und bleibt die Rente ab 67 Jahren eine Rentenkürzung für die meisten Menschen hier.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der AfD - Tobias Rausch, AfD. Richtig!)

Selbst im kürzlich erschienenen sechsten Alterssicherungsbericht stand, dass das sogenannte Rentenzugangsalter derzeit bei 64,0 Jahren liegt. Viele Menschen gehen also mit Abschlägen in Rente. Im Jahr 2015 war das jeder vierte Neurentner, der vor dem gesetzlich vorgegebenen Renteneintrittsalter in Rente ging. Die Mehrheit davon, nämlich 55,2 %, waren erneut Frauen. Im Schnitt verzichten sie auf knapp 80 € Rente im Monat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Bekämpfung der Altersarmut soll eine einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente in Höhe von 1 050 € netto im Monat eingeführt werden. Wir brauchen eine solidarische Mindestrente; denn ich finde, es hat niemand verdient, nach einem harten Arbeitsleben Zeitungen auszutragen

oder in Müllcontainern wühlen zu müssen, um die Flaschen dort einzusammeln.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Die geforderte Summe ist von uns nicht willkürlich gewählt worden, sondern orientiert sich an der offiziellen Armutsgefährdungsschwelle von 60 % des Medianeinkommens.

Um mehr Solidarität durch eine verbreiterte Beitragsgrundlage zu schaffen, soll der Kreis der in der gesetzlichen Rente Pflichtversicherten unter Beachtung des Bestandsschutzes sukzessive auf alle Erwerbstätigen ausgeweitet werden, so auch auf Ärztinnen, Politikerinnen, Beamtinnen oder Apothekerinnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem müssen die sogenannten neuen Selbstständigen, also die Ein-Personen-Unternehmen, deren Zahl im Zuge der digitalisierten Arbeitswelt zunehmen wird, rentenrechtlich abgesichert werden. Auch Ihnen muss die Möglichkeit eingeräumt werden, gesetzliche Vorsorge zu leisten.

Ob in Zukunft eine gute Rente für alle finanziert werden kann, hängt nicht von der Bevölkerungsentwicklung ab, wie uns immer wieder gesagt wird, sondern von einer fairen Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von André Poggenburg, AfD)

Dieser sollte nicht zwischen den Generationen stattfinden, sondern zwischen oben und unten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es macht daher keinen Sinn, Kinderarmut gegen Altersarmut auszuspielen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der AfD)

Um die Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren, sind ebenfalls die Anzahl der sozialversicherten Beschäftigten und deren Lohn zu erhöhen. Wer gute Renten will, sollte sich auch für gute Arbeit einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN - Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

Was ist zu tun? - Erstens. Das Leiharbeits- und Werkvertragsunwesen muss zurückgedrängt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Befristete Beschäftigungen darf es nur bei begründeten Ausnahmen geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Tarifverträge müssen gestärkt werden.

(Beifall bei der LINKEN)