Protocol of the Session on November 20, 2020

(Zuruf)

Herr Büttner, ich werde Ihre Wortmeldung zurückstellen; dann haben Sie nachher noch die Möglichkeit, Ihre Frage zu stellen.

Wir kommen zu dem ersten Debattenredner. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Zimmer. Herr Zimmer, Sie können nach vorn kommen. Sie haben das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat uns heute einen Antrag vorgelegt, den man getrost als bereits erledigt betrachten kann: Nothilfen für Apotheken. Ja, es ist so, dass einer der größten Apothekendienstleister, der das Abrechnungswesen zwischen Apotheken und Krankenkassen regelt, aus unterschiedlichen Gründen leider in Insolvenz gegangen ist. Ja, er war auch einer der größten und ein systemrelevanter Dienstleister. Es wurde gesagt, wie viele Apothe

ken in Sachsen-Anhalt betroffen sind. Aber es wurde von der Ministerin auch dargelegt, welche Maßnahmen die Branche oder beispielsweise die Apothekerbank und andere schon aufgelegt haben, um zu helfen.

Zugegebenermaßen ist diese Situation gerade in Coronazeiten sehr misslich; denn wir brauchen die Apotheken gerade in den Städten und auf dem Land in dieser Pandemiezeit. Inzwischen gibt es, nach Angaben des zuständigen Insolvenzverwalters, eine erste Form der Entspannung. Denn es war eine Zeit lang unklar, was mit dem Geld der Apotheken auf den Treuhandkonten passiert. Darum drehte sich die gesamte Diskussion.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Apothekerkammer und der Ersatzkassen vom 7. Oktober 2020 wird mitgeteilt, dass die Kassen Abschlagszahlungen an die Apotheken zahlen. Dies gilt auch für erste Rückzahlungen von den Konten der Apotheken, die die AvP - das ist diese Organisation - treuhänderisch verwaltet.

Sicherlich gibt es für die betroffenen Apotheken noch zahlreiche Fragen in den kommenden Wochen und Monaten zu klären. Das ist aber kein Thema für uns, mit dem wir uns aktuell zu beschäftigen haben. Jetzt sind zunächst der Insolvenzverwalter und die BaFin als Aufsichtsbehörde gefragt - dazu sage ich aber auch: es wäre interessant, die Aktivitäten der BaFin, bevor es zur Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters gekommen ist, zu hinterfragen -, die Kassen und die berufsständischen Kammern.

Ich sage an der Stelle auch: Gottlob scheinen sich alle der Tragweite der Gesamtsituation bewusst zu sein.

Ich sage auch: Gottlob haben wir in diesem Hause eine Fraktion, die sich schon frühzeitig gekümmert hat, und eine Landesregierung, die schon frühzeitig gehandelt hat; denn bereits mit Schreiben vom 22. September dieses Jahres hat meine Fraktion die Landesregierung auf die Situation hinsichtlich des Abrechnungsdienstleisters und der Apotheken aufmerksam gemacht. Mit Schreiben von Anfang Oktober dieses Jahres wurde die Situation noch einmal an die Finanzämter herangetragen.

Bei den Apothekern ging es darum, dass sie gesagt haben: Wir wollen für Gelder, die wir quasi vereinnahmt haben, die aber nicht auf unserem Konto liegen, im Vorfeld nicht schon Steuern zahlen müssen. - Es ging darum, diese Dinge abzufedern.

Insofern, meine Damen und Herren, ist es mir ein Rätsel, wie Sie als Fraktion DIE LINKE so etwas quasi im Alleingang auf Landesebene fordern können. Ein Nothilfeprogramm einzurichten fällt

nicht einmal Ihren Kollegen in Thüringen ein. Da scheint Herr Ramelow ein bisschen mehr Weitblick und ein bisschen mehr Ausblick zu haben als Sie hier im Lande.

Deshalb lehnen wir diesen Antrag als nicht sachgerecht und als zwischenzeitlich überholt ab. - Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Zimmer. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. - Der nächste Debattenredner wird der Abg. Herr Wald sein. Sie haben das Wort, Herr Abg. Wald.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Nicht nur die großen Pharmaunternehmen, die sich ein Wettrennen um die Milliardenverträge für zukünftige Impfstoffe liefern, sondern auch die Internetapotheken gehören dieser Tage zu den Profiteuren der Krise. Im Zeitalter der erzwungenen zwischenmenschlichen Distanz und Isolation versorgt der Onlinehandel die Menschen mit Schmerzmitteln, pharmazeutischen Einschlafhilfen und Antidepressiva. Immer mehr Wirtschaftsabläufe verlagern sich in den virtuellen Raum des Internets. Immer mehr kleine Geschäfte und Einzelhändler bleiben dabei auf der Strecke.

Von dieser Entwicklung sind auch die Apotheken in Sachsen-Anhalt betroffen. Viele Befürworter dieser Verlagerung ins Digitale vergessen dabei: Internetapotheken haben keinen Notdienst. Wenn es wirklich dringend ist, hilft nicht die Expressbestellung, sondern nur der Notschalter vor Ort.

(Zustimmung - Zuruf: Jawohl!)

Schon bevor der Coronawahn im Februar 2020 losging, berichtete die „Mitteldeutsche Zeitung“ über den kontinuierlichen Rückgang der Zahl der Apotheken in unserem Bundesland. Besonders hart trifft es - wie so häufig - die Gebiete der ländlichen Peripherie. Für viele Kranke wird nicht nur der Weg zum nächsten Arzt, sondern auch zur nächsten Apotheke immer weiter. Kein Wunder also: Wo doch der Fokus der Politik noch immer auf den wachsenden Metropolregionen liegt, fallen die vielen kleinen Dörfer und Städte notwendigerweise hinten runter.

Bereits im vergangenen Jahr lag die Bundesrepublik mit 23 Apotheken je 100 000 Einwohner unter dem EU-Durchschnitt von 31 Filialen auf 100 000 Menschen. Wie sich dieser Trend bei der momentanen Krisenlage entwickelt, kann sich jeder von Ihnen selbst denken.

Die Pleite des Rechnungsdienstleisters AvP kann diese Lage dramatisch verschärfen. Die Bedrohung der Apotheken in Sachsen-Anhalt ist real da. Wie die Landesregierung mitteilte, sind allein elf der betroffenen Apotheken alleinverantwortlich für die Medikamentenversorgung ihrer Ortschaften. Wir haben es hierbei also mit einer echten Notlage zu tun, die sich vor unseren Augen zu entfalten droht.

Um die gesetzlich vorgeschriebene medizinische Infrastruktur zu gewährleisten, ist daher der Erhalt der Apotheken in unserem Bundesland unerlässlich. Hilfe muss erfolgen, aber sie muss mit Augenmaß geschehen.

Wir fordern daher eine Überweisung des Antrags zur federführenden Beratung in den Finanzausschuss sowie in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung und in den Arbeit für Arbeit, Soziales und Integration. - Danke.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Abg. Wald. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. - Es kann sich inzwischen schon Herr Dr. Schmidt - - Nein, nicht Herr Dr. Schmidt; Sie sind noch nicht dran. Herr Meister spricht. Ich hatte übersehen, dass ein kurzfristiger Wechsel erfolgen sollte. Es wäre schön, wenn Sie das vorher bitte ankündigen. - Herr Meister, Sie haben jetzt das Wort. Bitte.

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Insolvenz des Rezeptabrechners AvP ist so gravierend, wie es der wirtschaftliche Schaden für die Betroffenen und die unwiederbringlichen Verluste sind. Aus der Sicht der betroffenen Apothekerinnen und Apotheker ist das besonders bitter, da sie dafür keine unmittelbare Verantwortung tragen. Das Risiko in der Zusammenarbeit mit dem Rezeptabrechner AvP war eher abstrakt. Auf Bundesebene sind daher auch das Agieren der BaFin und die Frage der Treuhandkonten zu klären. Die BaFinFrage hatte Herr Zimmer schon angesprochen.

Wie jedoch jede wirtschaftliche Unternehmung sind auch Apotheken leider weder vor dem Missmanagement noch vor dem möglicherweise strafbarem Missbrauch Dritter gefeit.

72 der rund 580 Apotheken im Land, also 12,4 %, haben gegenüber dem Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt auf eine Umfrage hin mitgeteilt, dass sie Forderungen gegenüber der insolventen AvP haben. Die angegebene Gesamtschadenssumme - Frau Zoschke ist bereits darauf eingegangen - beträgt knapp 8 Millionen €, im Schnitt

also etwa 110 000 € je Apotheke. Das ist tatsächlich viel. Die gemeldeten Einzelschäden variieren dabei aber erheblich zwischen 1 500 € - Sie erwähnten es - und mehr als 1 Million €.

Die durch den Antrag aufgeworfene Frage ist letztlich, ob wir mit einem Extra-Landesprogramm helfend eingreifend müssen. Ich meine, dabei ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten. In der Wirtschaft kommt es selbstverständlich ständig zu entsprechenden Forderungsausfällen, die seitens der Gläubiger unverschuldet sind. Da jetzt mit öffentlichen Mitteln hineinzugehen, also privatwirtschaftliche Risiken zu sozialisieren, ist die klassische Sozialisierung von Verlusten. Das sollten wir nicht bzw. nur dann tun, wenn es ein übergeordnetes öffentliches Interesse gibt. Bei einer Gefährdung der Apothekenversorgung im Land - darin haben Sie recht, Frau Zoschke - wäre eine solche Situation tatsächlich gegeben, weil die Apotheken eine andere Stellung haben als beispielsweise Sonnenstudios.

Die uns bekannte Situation - wie ich sagte, sind nur 12,4 % der Apotheken und davon auch nur ein Teil ernsthaft betroffen - spricht aber gegen eine solche Vermutung. Es sollten daher die üblichen wirtschaftlichen Instrumente genügen, um auf diese Problematik zu reagieren. Erfreulich ist die Bereitschaft verschiedener Akteure des Pharma- und Apothekenbereichs, dafür Finanzierungsangebote bereitzustellen.

Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank hat als genossenschaftliche Bank der Heilberufe ihre Bereitschaft erklärt. Auch von einem großen Abrechnungsdienstleister wurde ein Hilfsprogramm für Finanzierungen in Höhe von 250 Millionen € angekündigt. Darüber hinaus sind auch Betriebsmitteldarlehen der Investitionsbank unseres Landes oder Bürgschaften der Bürgschaftsbank für Betriebsmittelfinanzierungen möglich.

Wir hoffen, dass diese Angebote greifen und den betroffenen Apotheken die Existenz sichern.

Aufgabe des zuständigen Fachministeriums in Zusammenarbeit mit dem Landesapothekerverband und der Apothekerkammer wird es sein, die weitere Entwicklung zu verfolgen und gegebenenfalls im Einzelfall bei Problemen Lösungen vor Ort zu suchen. - Danke schön.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Herr Meister. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. - Der nächste Debattenredner ist Herr Dr. Schmidt für die SPD-Fraktion. - Kurze Abstimmung. Herr Dr. Schmidt weiß jetzt, wo es langgeht. Sie haben jetzt das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ja, Herr

Dr. Schmidt weiß jetzt, wo die Koalition mit diesem Antrag hinwill.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Firma AvP ist eine ganz altehrwürdige, im Jahr 1947 gegründet. Für viele Apothekerinnen und Apotheker war sie ganz selbstverständlich wie ein Tresor: sicher, stark, verlässlich. Dahinter existierte in Wirklichkeit eine schlecht, kriminell gemanagte Firma, deren Gesellschafter Geld aus der Firma für private Zwecke entnahmen, die Managementfehler begingen, Falschabrechnungen tätigten und die noch kurz vor der Insolvenz Mittel aus der Firma hinausführten.

Der Verkauf, der jetzt aus der Insolvenzmasse an Noventi passiert, nach dem die nicht übernommenen Kolleginnen und Kollegen dieser Firma dann aus der Insolvenzmasse bezahlt werden, ist mindestens genauso skandalös. Das ist eine Methode der Insolvenzverwertung, die einen doch staunen lässt.

Aber, sehr geehrte Damen und Herren, das ist gar nicht der eigentliche Skandal. Der eigentliche Skandal liegt darin, dass hier ein gewinnorientierter Abrechner an einer Stelle zwischengeschaltet war, an der das gar nicht nötig ist,

(Zustimmung)

an der man bezüglich der Leistungen, die zum Beispiel die Kassenärztliche Vereinigung mit den Kassen abrechnet, ohne eine solche Firma auskommt. Es ist ein Skandal, dass diese Firma weder in der Trägerschaft der Apothekerverbände noch der Kassen war, sondern ganz für sich allein existierte.

Der Skandal liegt weiterhin darin, dass der Geldfluss so gestellt war, dass es eben nicht um treuhänderisch verwaltetes Geld ging, sondern dass das Geld - wir sprechen hier von 7 Milliarden € Umsatz pro Jahr - Teil des Cashflows der AvP und jetzt eben Teil der Insolvenzmasse ist, sodass die Apotheker nicht ohne Weiteres darauf zugreifen können.

Hierin liegt das eigentliche Problem begründet. Hier muss sich etwas ändern - offensichtlich auch in der Haltung der Apothekerverbände, die die Einschaltung eines Privaten an dieser Stelle bisher begrüßt haben. Ich könnte mir sehr viel besser vorstellen, dass die Kassen das selbst mit einer eigenen, sich in ihrer Trägerschaft befindlichen Abrechnungsfirma regeln. Dann ist nämlich diese ganze Frage nach dem Insolvenzrisiko, nach der Begleichung von Fehlabrechnungen usw. aus der Welt.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE läuft an dieser Frage merkwürdigerweise vorbei - das hat mich

ein wenig gewundert - und zielt auf die Apotheken ab. Dazu ist zu sagen, dass die von Frau Zoschke befürchtete Masseninsolvenz von Apotheken und der Versorgungsengpass in Beratungen in Wirklichkeit nicht drohen. Das hat die Landesregierung Sachsen-Anhalts - ich bin sehr dankbar dafür, dass die Frau Ministerin erklärt hat, sie, der Ministerpräsident, Herr Richter und Prof. Willingmann hätten sich mit den Apotheken zusammengesetzt - geklärt. Dass es Einzelfallhilfe für diejenigen gibt, die individuell in Schwierigkeiten geraten sind, ist umso mehr zu begrüßen.

Herr Dr. Schmidt, bitte formulieren Sie den letzten Satz.

Wir lehnen aus diesem Grund, nämlich weil er einfach nicht nötig ist, den Antrag ab. - Vielen Dank.

(Zustimmung)