Die AfD hat diesen Gesetzgebungsprozess geschmäht und versucht, mit Störern Bundestagsabgeordnete zu nötigen.
Es geht dabei nicht mehr um Ordnungswidrigkeiten. Es geht um Straftatbestände, und es sind Sie, die dieses Parlament, die dieses Land an den Rand einer Diktatur bringen wollen.
Noch ist bei der Parlamentsbeteiligung in der Pandemie nicht alles Notwendige erreicht worden, aber ein erster wichtiger Schritt zur Begrenzung der Maßnahmen wurde getan. Nun sollen auch die Länder folgen und nach dem Vorbild BadenWürttembergs die Macht der Exekutive begrenzende Infektionsschutzgesetze verabschieden.
Das Virus ist aber auch eine Zumutung für alle, die durch Maßnahmen zum Schutz aller in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit ebenso beschränkt werden wie in der Wahrnehmung gewichtiger Grundrechte, insbesondere des Grundrechts, sich frei und ohne Waffen zum Aufmerksammachen auf ein eigenes Anliegen zu treffen.
Man hört in diesen Tagen oft den Satz, dass die Demonstrationsfreiheit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Rechtsordnung konstitutiv sei. Dieser Satz ist richtig. Ohne Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ist eine moderne Demokratie nicht denkbar. Zugleich steht das Wahrnehmen dieses Freiheitsrechtes in einer Pandemie notwendigerweise im Widerspruch zur Aufforderung, sich im Interesse aller zu vereinzeln, Kontakte zu beschränken und, ja, Menschenmassen aus dem Weg zu gehen.
Die ersten Coronaverordnungen im Frühjahr dieses Jahres beinhalteten gravierende Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit. In manchen Ländern wurde das Recht zu demonstrieren kurzfristig und aus meiner Sicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise ausgesetzt. In SachsenAnhalt waren Versammlungen zwar weiterhin erlaubt, jedoch stark - womöglich zu stark - eingeschränkt.
Ein solcher Zustand konnte und durfte nicht aufrechterhalten bleiben. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich deshalb schon früh und auch erfolgreich für Lockerungen eingesetzt. Die Pandemie darf eben nicht in einen Dornröschenschlaf des demokratischen Lebens einmünden - weder in den Parlamenten noch auf der Straße.
Wer also in diesen Zeiten demonstrieren will, der soll und kann das tun, ganz gleich, welches Thema ihn bewegt oder welche Sorge ihn befallen hat. Er sollte und muss dies verantwortlich tun, weshalb die zuständigen Behörden ihm in der Pandemie Auflagen machen können, wenn es ihm an Anstand - in diesem Fall als Abstand verstan
den - fehlt. Jede und jeder, der seine Meinung auf die Marktplätze dieser Republik trägt, muss damit leben, dass sich diese Meinung im demokratischen Diskurs bewähren muss. Es gibt keine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch. Es gibt kein Recht darauf, beim Demonstrieren nicht von völlig entgegengesetzten Meinungen behelligt zu werden.
Schon gar nicht gibt es ein Recht darauf, von Fakten und wissenschaftlicher Erkenntnis unbehelligt zu bleiben, Herr Olenicak. Solange beim Querdenken nur Quark herauskommt, muss mit energischer Widerrede gerechnet werden.
- Herr Kirchner, ich entscheide das nicht, aber drei Viertel der Menschen in diesem Land sind der Meinung, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie angemessen sind. Es ist diese Mehrheit, es sind meine Wählerinnen und Wähler, für die ich hier an dieser Stelle stehe.
Diese stützen die demokratischen Maßnahmen, sie wollen solidarisch sein und sie wollen sich selbst einschränken, um die Freiheit nach der Pandemie für alle, auch für Sie, zu erhalten. Es mögen Tausende auf den „Querdenker“-Demos gewesen sein. Es sind Millionen Menschen in diesem Land, die einen anderen Kurs, einen Kurs der Verantwortung wollen.
Solidarität lässt sich nicht verordnen. Sie muss durch Empathie begründet und gelernt werden. Unter denjenigen, die in den letzten Wochen unter anderem in Leipzig und an diesem Mittwoch in Berlin auf die Straße gingen, gab es keine Solidarität, sondern nur Egoismus. Dieser Egoismus ging so weit, dass man seine eigenen Kinder vor den Wasserwerfer gestellt hat.
Dazu kommt auch Verachtung für diesen Staat, für unsere auf gemeinsame Werte gründende Gesellschaft und für die Demokratie. Das wirre Gebräu aus Verschwörungsmythologie und impfskeptischer Esoterik, das sich unter dem Label „Querdenken“ zusammengefunden hat, ist keine Querfront. Es ist eine Gruppe von Menschen, die sich in eine rational kaum noch zu durchdringende Mythologie zurückgezogen hat, die allenfalls vom Antisemitismus zusammengehalten wird. Wer Impfungen durch die Bank ablehnt und Deutschland zur Coronadiktatur erklärt, der argumentiert vernunftwidrig.
Wer sich als ein Opfer inszeniert, dem das gleiche Leid wie Jüdinnen und Juden während des Holocausts geschehe, dem ist rational kaum noch beizukommen.
Unsere Demokratie hält das bis zu einem gewissen Grade aus. Die Freiheit ist eben auch die Freiheit der gedanklich Fehlgehenden.
Eine ganz andere Qualität bekommen die Proteste gegen die Coronamaßnahmen durch eine Entwicklung, die immer deutlicher zutage getreten ist, nämlich die Unterwanderung und Steuerung der Proteste durch die extreme Rechte, unter anderem durch die AfD.
Seit den verheerenden Bildern von fahnenschwenkenden Neonazis und Reichsbürgern auf den Stufen des Reichstags müssen sich alle Teilnehmerinnen an den Protesten fragen lassen: Mit wem marschiert ihr da? Verantwortungsdiffusion geht dabei als Argument nicht an. Wer mit Nazis demonstriert, kann das nicht mit gemeinsamen Zielen rechtfertigen oder damit, man habe nichts davon gewusst. Wer es wissen wollte, der hat im Vorfeld der Leipziger Demonstration gewusst, dass ihm dort Nazis und Hooligans den Weg freiräumen würden. Wer keine klare Abgrenzung betreibt, der ist mitverantwortlich.
Das Gleiche gilt aber auch für die Polizei, die Versammlungsbehörden und die Innenministerien in Deutschland. Es empört mich, wenn ich sehe, wie im Nachgang der Ereignisse in Leipzig die Verantwortung wie eine heiße Kartoffel hin und her geworfen wird.
gilt beim polizeilichen Vorgehen gegen Demonstrationen. Aber einer Demonstration gewaltbereiter Rechtsradikaler, aus deren Reihen die Polizei massiven Angriffen ausgesetzt war, hätte niemals die Straße überlassen werden dürfen. An dieser Stelle wurde lange im Vorfeld und am Tag der Demonstration schwer versagt.
Dafür trägt der sächsische Innenminister Verantwortung. Die Bilder triumphierender Rechtsradikaler senden ein fatales Signal. Der Staat erlegt allen schwerwiegende Beschränkungen auf. Doch wer nur radikal genug gegen die Maßnahmen verstößt, der kommt ungeschoren davon. Hierbei muss eine klare Kante gelten. Punkt.
Berlin hat am Mittwoch gezeigt, dass Verbote mit Augenmaß durchgesetzt werden können. Verbotene Versammlungen wurden aufgelöst, gegen illegal Ausharrende kamen Wasserwerfer zum Einsatz, und wer nach Stunden immer noch illegal im Versammlungsraum unterwegs war, der wurde festgesetzt und mit einem Bußgeld belegt.
In Reaktion auf Gesetzesbrecher gilt es nun auch, nicht repressiv überzureagieren. Polizei und Verfassungsschutz müssen sich auf den Kampf gegen militante Rechtsradikale fokussieren und ihn entschlossen führen. Davon, die gesamte Szene der Coronaleugner durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, halte ich nichts. Mir scheint die Debatte angesichts der wiederholten schlimmen Bilder ein Stück weit auch von dem Bedürfnis nach einer schnellen, handfesten Lösung getragen.
Ich wünsche mir stattdessen entschlossenen Widerspruch und einen Gegendiskurs der demokratisch Gesinnten in diesem Land. Die Vernunft hat noch die Mehrheit in diesem Land. Aber diese Mehrheit scheint mir ein wenig debattenmüde zu sein und angesichts großer Unsicherheiten in der aktuellen Lage ist das Argumentieren oft auch schwer.
Die Grundsätze müssen aber klar sein: Wissenschaft geht vor Esoterik und Verschwörungsmythologie. Das beinhaltet eben auch Zweifel, Uneindeutigkeiten und Holzwege. Diese sind kein Ausdruck von Unwahrhaftigkeit.
Meine Damen und Herren! Es zeigt sich immer mehr, dass der Kampf gegen die Pandemie auch den andauernden Kampf um demokratische Werte verschärft. Diese müssen wir auch unter diesen Umständen bewahren. Ich hoffe, bei diesem Gedanken alle demokratischen Fraktionen in diesem Hohen Hause mit mir einverstanden zu wissen.
Vielen Dank, Herr Striegel. Ich habe zwei Meldungen zu einer Kurzintervention. - Zunächst Herr Farle.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Die Sache ist eigentlich ziemlich einfach. Die Regierung bricht die Verfassung. Sie versucht mit dem Durchpeitschen eines Gesetzes an einem einzigen Tag - das ist ein sehr seltenes Ereignis und dient dazu, dass eine öffentliche breite Debatte überhaupt
nicht zustande kommen kann - nachträglich die vielen verfassungswidrigen Dinge mit einem Gesetz zu ermöglichen,
die die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin ausgehandelt haben und die ganz tief in jede Familie eingeschnitten haben und die jetzt dabei sind, das Weihnachtsfest kaputt zu machen, Berufsgruppen kaputt zu machen, die Wirtschaftskrise anzutreiben und Hunderttausende Jobs zu vernichten.