Protocol of the Session on November 20, 2020

können sie das bei mir anmelden. Ich versuche, bis dahin herauszufinden, wie lang der sein darf.

Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt die Abg. Frau von Angern. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Ministerpräsident, wir befinden uns seit März dieses Jahres in der Situation, mit der Pandemie umzugehen, und da finde ich es aberwitzig, wenn wir hier Maßnahmen einfordern, davon zu reden, dass das Schnellschüsse seien.

(Beifall)

Aber ich werde mich bemühen, leise zu reden, damit Sie den Saal nicht verlassen müssen.

Ich lasse an dieser Stelle all die in der gestrigen Debatte gefallenen kruden, abwertenden und von Missachtung geprägten Worte von Rechtsaußen gegenüber der Kultur unseres Landes bewusst außen vor. Wir haben in unserem Land sehr viele selbst denkende Menschen, die das selbst bewerten können.

Für uns als LINKE, für mich als Parlamentarierin ist die in Artikel 5 des Grundgesetzes als Grundrecht geschützte Freiheit der Kunst ein wesentliches Moment, ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie. In ihrer Vielfalt bereichert Kultur unser Leben. Sie prägt in vielerlei Hinsicht auch unsere Identität. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag zu unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie zur Integration.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, Sie alle haben erlebt, welch unfassbarer Vorgang sich in dieser Woche im Bundestag abgespielt hat. Durch Gäste der AfD wurden vom Volk frei gewählte Mandatsträgerinnen bedrängt, auch ein Mitglied der Bundesregierung. Es wurde Druck ausgeübt. Bisher hat es den Anschein, dass wir Abgeordnete allein darin stehen, unser Recht auf das freie Mandat zu verteidigen. Es geht aber nicht allein um unser Recht, es geht um unser aller Demokratie, die es gegen solche Angriffe zu verteidigen gilt.

(Beifall)

Warum sage ich das an dieser Stelle? - Weil Kunst und Kultur immer auch Freiräume für kritischen Diskurs bieten. Ich bin mir sicher, dass genau diese Kunst- und Kulturschaffenden, auch wenn sie derzeit im Hungerhemd dastehen, unsere Freiheitsrechte und unsere Demokratie stets verteidigen werden.

(Beifall)

Wir alle wissen, sie sind dabei nicht selten unbequem. Doch wir brauchen dringend genau dieses

kritische Korrektiv, um eine lebendige, eine wehrhafte Demokratie, um uns vor Lethargie und auch vor totalitären Anwandlungen zu bewahren.

(Beifall)

Sie werden uns nicht im Stich lassen. Deswegen sollten wir sie jetzt auch nicht im Stich lassen.

(Beifall)

Vor dem Landtag standen heute Morgen Kulturschaffende und Vertreter der Veranstaltungsbranche,

(Zuruf)

um uns als Abgeordnete des Landtages von Sachsen-Anhalt auf ihre und eigentlich auf unser aller Situation aufmerksam zu machen. Dort stehen weder George Clooney noch Benedict Cumberbatch, die - um mit den Worten des Kultusministers zu sprechen - sich möglicherweise über einen Monat Urlaub freuen könnten, weil sie es finanziell wegtragen können. Dort stehen all jene, die sich in einer existenziellen Notlage befinden.

Liebe Kolleginnen, ich weiß, dass viele von Ihnen bereits mit ihnen geredet haben und ihr Verständnis und ihre Solidarität gezeigt haben. Und das ist auch gut so. Das ist Wertschätzung. Aber schätzen Sie sie doch bitte auch tatsächlich wert, indem wir sie finanziell unterstützen, indem wir sie auch langfristig für unser Land erhalten.

„Der Vorhang zu, die Tore weit geschlossen - was in bisherigen Jahren stets eine Hochsaison der Spielzeit war, bleibt in diesem November Leerstelle.“ - So beginnt der Bundesverband Deutscher Amateurtheater sein öffentliches Statement zum Novemberlockdown. Es ist nicht abzusehen, wie langfristig und tiefgreifend die Auswirkungen auf die Kunst- und Kulturszene, auf die Klubs und Diskotheken im Land und auf die Gesellschaft sein werden. Aber es ist schon jetzt abzusehen, dass die Vielfalt unserer Kunst- und Kulturszene auf der Kippe steht.

Das genannte Statement macht die dramatischen Auswirkungen, die der November 2020 auf die Fülle der Kunst- und Kulturszene hat, nur noch deutlicher. Zur kulturellen Vielfalt gehören die Soziokultur, die Freizeit- und Amateurverbände, die Kabarettistinnen, die Soloselbstständigen der Kulturbranche, die Vertreter und Vertreterinnen der Veranstaltungsbranche und ja, auch die Klubs und Diskothekenbesitzerinnen.

Erinnern Sie sich doch bitte an Ihre Jugend. Wie sehr haben wir den 14. Geburtstag herbeigesehnt, um endlich zu den Großen zu gehören und in die Disko gehen zu können. Das ist Jugend. Ja, das ist Jugendkultur.

(Zustimmung)

Mit dem vorliegenden Antrag zielen wir genau auf diese wunderbare Vielfalt der Kunst- und Kulturszene in Sachsen-Anhalt ab. Wir wollen diejenigen unterstützen, die im ersten Lockdown äußerst kreativ und engagiert waren und auch nicht selten nicht wenig Geld investiert haben, um Hygienekonzepte zu erstellen und sie auch tatsächlich umzusetzen.

Erinnern wir uns doch einmal an den Sommer. Es gab Open-Air-Bühnen, es gab Drive-in-Theater, neue Schauplätze, digitale Spielorte, Zoom-Performances, Streamings mit Livechats, TelegramMitmachspiele und noch vieles mehr. Das waren - das muss man ehrlicherweise sagen - in den meisten Fällen künstlerische Formate, die uns als Gesellschaft sehr bereichert haben, von denen man aber nicht leben kann. Das gehört auch einmal anerkannt. - Also herzlichen Dank all jenen, die sich in dieser Art und Weise kreativ gezeigt haben, die Sorge dafür getragen haben, dass wir mit unserer kulturellen Vielfalt auch weiterhin nach außen strahlen können, dass wir kulturelle Vielfalt im wahrsten Sinne erhalten, erlebbar und spürbar gemacht bekommen haben.

(Beifall)

Wir sind im Vergleich zum Frühjahr im Umgang mit der Pandemie erkenntnisreicher. Es liegen inzwischen zahlreiche Studien und Kenntnisse zur Verbreitung des Virus vor. Eine Gefahrenabschätzung ist möglich. Wir plädieren daher voller Überzeugung für eine Öffnung der Kunst- und Kulturveranstaltungen unter Einhaltung ausdifferenzierter Hygienekonzepte, die selbstverständlich mit den Gesundheitsämtern abzustimmen sind.

Ich möchte daran erinnern, dass am 22. August 2020 im Rahmen der sogenannten Restart-19Studie von Medizinerinnen der MLU ein Konzert mit Tim Bendzko in Leipzig veranstaltet wurde. Es war ein Experiment, das Ansteckungsrisiken bei Großveranstaltungen untersuchen sollte. Das Ergebnis der Studie war: Entscheidend für die Risiken sind das Hygienekonzept und eine gute Belüftung in der jeweiligen Veranstaltungsstätte. Auf dieser Grundlage haben die Forscherinnen Empfehlungen abgegeben, die sich auf eine Belüftungstechnik, auf Maskenpflicht, auf reduzierte Bestuhlung und natürlich auf die Lenkung des Besucherstromes konzentrieren.

Hierzu liegt uns also eine medizinische Studie vor. Es sind Zahlen, schwarz auf weiß, die eine Öffnung durchaus zulassen und auch empfehlen, und nach denen wir als Politik guten Gewissens gemeinsam mit der Kulturszene Hygienekonzepte entwickeln können, um verantwortungsvoll kulturelle Veranstaltungen stattfinden lassen zu können.

(Beifall)

Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Klubs und Diskotheken im Land stellt sich die Situation sicherlich anders dar. Eine Öffnung ist aus unserer Sicht derzeit nicht vertretbar. Während bereits in den Sommermonaten gezeigt wurde, dass Kulturveranstaltungen durchaus wieder stattfinden können, blieben bei den Klubs und Diskotheken - das muss man ganz deutlich sagen - seit März dieses Jahres die Türen zu. Für diese Szene ist seit Monaten der wirtschaftliche Totalausfall angeordnet. Ein Ende - das müssen wir ehrlicherweise sagen - ist nicht in Sicht. Daher brauchen wir tatsächlich unbürokratische und schnelle finanzielle Hilfen, die den tatsächlichen Bedarfen dieser Szene entsprechen und ihnen die Möglichkeit bieten, den Betrieb nach der verordneten Schließung wieder aufzunehmen.

Ich sage es ganz kurz: Ich will, dass es nach der Pandemie diese Klubs, diese Diskotheken noch immer gibt. Die müssen wir erhalten.

(Beifall)

Nun verweisen die Landesregierung und der Ministerpräsident heute wieder gern auf die Bundeshilfen. Dazu kann ich nur sagen: Typisch Sachsen-Anhalt, wir warten auf den Bund. Ob, wann und wie das Geld kommt - das müssen wir doch sagen -, weiß kein Mensch von uns. Wenn wir es nicht wissen, wissen es doch die Betroffenen erst recht nicht.

Dann gibt es mal einen kreativen Landesminister - insofern vielen Dank an Prof. Willingmann; nehmen Sie das bitte mit -, der Vorschläge für Landeshilfen auf den Tisch packt. Und was passiert? - Er wird vom Finanzminister abgebügelt.

(Zuruf)

Dazu kann ich nur sagen: Nur weil Sie, Herr Minister Richter, nichts mit Kunst und Kultur sowie Klubszene anfangen können, darf das nicht unser Maßstab sein.

(Beifall - Zurufe)

Ich habe gestern auch mit Interesse der Abschiedsrede des Kulturministers Herrn Robra gelauscht. Aber da schlage ich doch einfach vor: Lassen Sie jetzt doch bitte diejenigen Kulturpolitik machen, die ein Interesse an der Zukunft dieser in Sachsen-Anhalt haben.

(Beifall - Zurufe)

Das Abwarten auf die Bundeshilfen verschärft die existenzielle Notlage der vom Berufsverbot betroffenen Einrichtungen erheblich. Die mögliche Beantragung ist bei der sogenannten Novemberhilfe jetzt auf den 25. November 2020 datiert worden. Erste Auszahlungen sollen nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums möglicherweise

noch in diesem Monat stattfinden. Dem steht die

Aussage des Bundesfinanzministers entgegen, der ganz klar und ehrlich gesagt hat: frühestens im nächsten Jahr. Es glaubt doch niemand ernsthaft, dass in diesem Jahr in diesem Bereich tatsächlich noch Gelder ankommen, SMS-Verkehr hin oder her.

Ein Landesvorschuss ist deswegen der richtige Weg. Es ist ein wichtiges Mittel, ein wichtiges Signal auch in die Szene hier in Sachsen-Anhalt hinein. Wir fordern mit unserem Antrag, sowohl für Investitionen als auch für die privatwirtschaftlichen Einbußen Ausgleichszahlungen aus Landesmittel zu tätigen.

(Beifall)

Wir brauchen ein Subventionsprogramm für Kunst- und Kulturveranstaltungen, um tatsächlich gemeinsam durch diese schwierige Zeit der Pandemie zu kommen. Einmal zerstörte kulturelle Vielfalt kann nicht einfach ersetzt werden. In einem sind wir uns in den demokratischen Fraktionen, glaube ich, einig: Ohne Kunst und Kultur wird es still

(Zurufe)

und düster. Und der Winter steht uns erst bevor.

Ich habe natürlich mit Interesse den medialen Schlagabtausch inklusive der sehr herben Wortwahl von Herrn Dr. Schmidt und Herrn Steppuhn gegenüber dem Finanzminister zur Kenntnis genommen - und ich habe Verständnis dafür. Sehr geehrte Kolleginnen der SPD-Fraktion, bleiben Sie stark, halten Sie durch.

Ich möchte am Ende gern einen Gedanken von Herrn Hövelmann aufgreifen: kein Licht ohne Schatten. Wenn es uns gelingt, durch unsere Hilfsmaßnahmen, durch die Hilfsmaßnahmen des Landes, unsere Kultur vollständig zum Erleuchten zu bringen, müssen wir keine Angst vor dem Schatten haben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.