Protocol of the Session on November 19, 2020

Sie haben das Wort.

In den Gesundheitsministerkonferenz-Schalten bereden wir solche Punkte natürlich auch. Deswegen habe ich vorhin von den Gesunden und den Genesenen gesprochen. Wir wissen, dass ganz viele noch nicht wieder in den Arbeitsprozess zurückgekehrt sind, weil sie wegen der

Nachwirkungen, die sie aufgrund der Erkrankung haben, noch nicht arbeitsfähig sind. Deswegen ist es mir auch so wichtig, dass wir unser Personal in den Häusern nicht noch mit den Fällen belasten. Es ist klar, dass sich diejenigen, die in der Intensivmedizin tätig sind und die häufig mit Covid-19Patientientinnen und -Patienten zu tun haben, auch häufiger anstecken. Sie müssen nur nach Halle schauen: Das Universitätsklinikum hat im Augenblick sehr große Probleme durch den Ausfall von Personal und auch von Ärzten, die, weil auch sie nur Menschen sind, genauso von der Krankheit betroffen sind, auch wenn sie schon wieder genesen sind.

Zum Teil bleiben in der Tat chronische Erkrankungen zurück. Wie sich das auf Herz, Kreislauf und auf alle anderen wichtigen Funktionen im Körper auswirkt, wissen wir noch überhaupt nicht.

Danke, Frau Ministerin. - Wir können jetzt in die Debatte der Fraktionen einsteigen. Zunächst spricht die Vorsitzende der SPD-Fraktion, die Abg. Frau Dr. Pähle. Frau Dr. Pähle, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Im Umgang mit der Covid-19-Pandemie gibt es zwei grundlegend unterschiedliche Herangehensweisen. Man kann mit offenen Karten spielen und sagen: Wir gemeinsam - Regierung, Parlament, Wissenschaft und wir alle als Gesellschaft - haben keine Erfahrungen mit einer solchen Pandemie. Sie ist etwas vollkommen Neues, und wir müssen gemeinsam lernen, wie der Virus zu besiegen ist. Oder man kann den Leuten etwas vorgaukeln und so tun, als hätte man einen raffinierten Plan.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, Sie wissen, dass ich nicht zu denen gehöre, die immer wieder Verbindungen in die Vergangenheit ziehen. So etwas werden Sie von mir auch nicht hören. Aber ich finde schon, dass in Ihrem Antrag eine alte Vorstellung durchschlägt: Man könne alles im Leben in den Griff bekommen, wenn man es in eine langfristige Planung packt.

(Lachen)

Das können wir nämlich im Umgang mit der Pandemie nicht und das wollen wir auch nicht; denn mit allen Maßnahmen greifen wir zum Teil erheblich in die Grundrechte der Menschen ein. Diese Eingriffe dürfen nicht langfristig angelegt sein, sondern müssen - im Gegenteil - eng begrenzt und zeitlich auf das absolut Notwendigste befristet sein.

(Zustimmung)

Und sie müssen dem regionalen und lokalen Infektionsgeschehen angepasst sein. Das ist im Übrigen auch die Logik des veränderten Infektionsschutzgesetzes, das Bundestag und Bundesrat gestern beschlossen haben. Ich begrüße es sehr, dass Sachsen-Anhalt diesem modernen Infektionsschutzgesetz im Bundesrat zugestimmt hat.

(Zustimmung)

An Ihrem Antrag irritiert mich aber besonders, dass Sie unter Punkt 3 - Schwerpunkte der Handlungsstrategie, die Sie einfordern - eine Handlungsstrategie nicht erwähnen, nämlich die, dass es darauf ankommt, die Kontakte zu reduzieren. Bund und Länder haben sich gerade darauf verständigt, dass es Vorrang vor allen anderen Maßnahmen haben muss, Kontakte zu reduzieren. Dass Sie diesen Fakt einfach unter den Tisch fallen lassen, hat für mich ein leichtes Geschmäckle von „Ausstieg light“ aus der gemeinsamen Bekämpfung der Pandemie und auch aus den hier im Parlament im breiten Konsens diskutierten Maßnahmen.

Meine Damen und Herren! Auch wenn es schwerfällt - lassen Sie uns auch unter diesen schwierigen Bedingungen über Chancen reden. Wir haben die Chance, diese Krise durch Solidarität zu überwinden. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nehmen die gegenwärtigen Belastungen mit großer Disziplin auf.

Das aktuelle Ziel muss es sein, bei den Beratungen in der nächsten Woche einerseits die notwendigen Maßnahmen, regional differenziert, fortzuführen und andererseits über die Weihnachtszeit eine Entspannung zu erreichen. Ich setze darauf, dass Bund und Länder in dieser Frage beisammenbleiben. Profilierungskämpfe von Regionalfürsten und Bewerbern um den CDU-Vorsitz helfen niemandem weiter,

(Zustimmung)

vor allen Dingen nicht, weil beide Ministerpräsidenten einfach nicht in der Lage waren, das Infektionsgeschehen in ihren Ländern durch geeignete Maßnahmen rechtzeitig in den Griff zu bekommen.

(Zuruf)

Wir haben die Chance, das Virus durch eine effektive und solidarisch angelegte Impfstrategie zu überwinden. Die jüngsten großen Erfolge bei der Entwicklung von Impfstoffen machen Hoffnung. Auf die Gesundheitsbehörden kommt jetzt die allergrößte Verantwortung zu und auf unsere Ministerin Petra Grimm-Benne eine weitere große Aufgabe. Ich weiß, sie ist bei ihr in guten Händen.

Wir haben die Chance, den von der Krise besonders Betroffenen gezielt zu helfen. Dabei ist aus

schlaggebend, dass sich in der Bundesregierung die klare Haltung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz durchgesetzt hat, bei der Überbrückungshilfe nicht zu kleckern, sondern zu klotzen.

(Zustimmung)

Etwas von diesem mutigen Handeln wünschte ich mir auch von der Finanzpolitik in SachsenAnhalt. Aber dazu wird morgen mehr zu diskutieren sein.

Wir werden heute mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen die pandemische Lage nach § 161 Abs. 2 Satz 2 KVG bekannt geben, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, auch unter den pandemischen Bedingungen zu handeln. Ich hoffe sehr, dass die Verordnung des Innenministeriums rechtzeitig noch in diesem Jahr erlassen wird, die es den Kommunen auch erlaubt, haushalterisch unter den Bedingungen von Corona anders zu handeln, und dass wir nicht bis Ende des Jahres erleben müssen, wie die Kommunalaufsicht notwendige haushalterische Entscheidungen infrage stellt.

(Zustimmung)

Ich möchte an dieser Stelle auch deutlich machen - das haben wir heute gehört -, dass mit dieser Feststellung des KVG-Bezugs alle Verschwörungstheorien wieder Konjunktur haben - auch hier in den Landtagsdebatten.

Frau Dr. Pähle, kommen Sie zum Ende.

Nein, es geht nicht um die Vorbereitung einer landesweiten Briefwahl. Ich sage aber auch deutlich, dass wir in der Koalition noch einmal darüber sprechen müssen, wie wir auch in diesem Bezug eine regionale Differenzierung stattfinden lassen und möglicherweise - das habe ich von den Kollegen der CDU-Fraktion gehört - zeitlich auch einen anderen Vorlauf festlegen. Darüber werden wir diskutieren.

Meine Damen und Herren! Für die Bekämpfung der Pandemie

Frau Dr. Pähle!

- letzter Satz -

Ja, allerletzter.

brauchen wir einen langen Atem. Ich weiß, dass unsere Bürgerinnen und Bürger ihn haben, selbst wenn sie Maske tragen müssen. - Vielen Dank.

(Beifall)

Ich habe keine Fragen gesehen. Demzufolge ist dieser Debattenbeitrag jetzt zu Ende. Wir können in der Debatte fortfahren. Es spricht für die Fraktion BÜNIDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abg. Frau Lüddemann. Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Für mich zentral ist der Antrag der koalitionstragenden Fraktionen - nicht weil er von uns kommt, sondern weil er tatsächlich am konkretesten ist und den Kommunen sachgerechtes Handeln ermöglicht, so sie es denn wollen.

(Beifall)

Niemand wird gezwungen, alles ins Internet zu verlegen. Auch das muss vor Ort nach Kenntnis der Lage, nach Größe des Rates und nach den Gegebenheiten, wie sie sich räumlich darstellen, entschieden werden.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist in diesem Zusammenhang allerdings auch klar: Die Kommunen bilden das Land Sachsen-Anhalt. Wenn wir für die kommunale Ebene die pandemische Lage ausrufen, müssen wir im nächsten Schritt auch etwas zur Landesebene sagen.

Dazu erinnere ich an die Vorschläge, die ich bereits in der Sondersitzung machen durfte, dass wir nämlich davon ausgehen, dass es richtig und notwendig ist, das Parlament regelmäßig über die Verordnungen, über den Stand der Umsetzung der Verordnungen, über Fachverordnungen etc. hier in diesem Hohen Hause zu informieren. Die Fragestunde - das haben wir heute wieder erlebt - reicht dafür nicht aus; denn sobald das Thema Corona aufgerufen wird, ist jegliche Möglichkeit verstrichen, noch andere Fragen zu stellen.

Das heißt, wir brauchen einen regelmäßigen Tagesordnungspunkt, ob man das jetzt „Aktuelle Stunde Corona“, „Information“ oder wie auch immer nennt. Wir brauchen einen regelmäßigen Tagesordnungspunkt, der die Information und die Fragestellung seitens des Parlaments, des gewählten Souveräns, ermöglicht.

(Zustimmung)

Außerdem brauchen wir eine strukturierte Parlamentsbeteiligung. Wir haben es uns wahr

scheinlich alle im Frühjahr nicht vorstellen wollen, wie lange und intensiv uns dieses Virus begleitet, auch im nächsten Kalenderjahr. Wir gehen davon aus, dass es nicht sein kann, dass Grundrechtseinschränkungen über eine derart lange Dauer nur mittels Verordnungen stattfinden.

(Zustimmung)

In allen anderen ostdeutschen Bundesländern gibt es sehr konkrete Bestrebungen, über ein Parlamentsbeteiligungsgesetz eine Möglichkeit des detaillierten Widerspruchs einzuziehen. In Brandenburg wird das im Dezember im Parlament verhandelt werden. In Sachsen und in allen anderen Bundesländern gibt es dazu Gespräche. Bei uns ist es ein bisschen schleppend angelaufen, aber auch die Koalitionspartner haben sich jetzt bereit erklärt, darüber zu reden und mit uns über einen GRÜNEN-Entwurf für ein Parlamentsbeteiligungsgesetz in Austausch zu treten. Das begrüße ich ausdrücklich.

(Beifall)

Ich finde es auch richtig und notwendig, dass wir, um eine bessere Vorsorge für unser Verfassungsorgan in Zeiten von Pandemien, aber auch in Zeiten von anderen Katastrophenszenarien, die denkbar sind, zu treffen, über ein Notparlament - das hat sich als Arbeitsbegriff bei uns eingespielt - reden, über Regelungen, wie wir in solchen Zeiten sachgerecht tagen und als Parlament infektionsschutzmäßig Vorbild sind.

Wir sind bundesweit das einzige Parlament, das so tut, als ob nichts wäre, das genauso hier sitzt wie vor einem Jahr. Alle anderen tagen in Stadien, tagen mit 20 % Beteiligung etc. Ich glaube, auch hier müssen wir noch deutlich mehr tun und müssen deutlich besser werden.

(Zustimmung - Zuruf: 80 % ausschließen! Wunderbar!)

Ganz kurz zum Antrag der AfD-Fraktion. In Punkt 1 wird von einer mittelschweren Grippe gesprochen. Nach Punkt 2 soll es dann doch besondere Schutzkonzepte für betroffene Risikogruppen geben. Ich bin mir nicht sicher, was Sie wollen. Der Unterschied zwischen Infizierten und Erkrankten kommt in keiner Weise vor. Der Beitrag des Herrn Farle hat das Ganze auch nicht einfacher gemacht.