Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Bundestagsfraktion hat dem Infektionsschutzgesetz nicht zugestimmt,
weil ein großer Teil davon eben nicht zu der von den Gerichten geforderten klaren gesetzlichen Grundlage führt. Die Maßnahmen und ihre Voraussetzungen bleiben weiter unbestimmt. Die Entscheidungsmacht konzentriert sich weiter bei der Regierung. Die Parlamente bleiben weiter außen vor.
Kurz gesagt: Wir und auch unsere Bevölkerung wissen immer noch nicht, wer wann warum welche Maßnahme anordnen darf.
Es sind mit dem Gesetz zwar Verbesserungen zu verzeichnen - das will ich einräumen -, aber jeder Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte bedarf einer Debatte im Parlament, jeder Eingriff in die Grundrechte muss ausschließlich durch das Parlament beschlossen werden.
Das Gesetz verkörpert eben nicht eine Stärkung der demokratischen Mitbestimmung in der Coronakrise, die dringend notwendig wäre, um
Es hat den Anschein, dass wir den Bedarf an Kommunikation für mehr Akzeptanz unterschiedlich einschätzen. Das besorgt mich erheblich. Damit sind wir thematisch mitten in unserem Antrag.
Nachdem die Sondersitzung des Landtages am 3. November deutlich gemacht hat, dass der Bedarf im Hinblick auf ein Mehr an parlamentarischer Beteiligung hier im Hause sehr unterschiedlich eingeschätzt worden ist - wir sahen uns da sehr nahe bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder dieses bei uns -, haben wir uns in unserer Fraktion zu dem heute zu beratenden Antrag veranlasst gesehen.
Bei allen noch offenen Fragen zum Umgang mit der Pandemie, die auch wir haben, bleibt meine Fraktion dabei: Wir wollen hier im Parlament die öffentliche Debatte über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie führen, um deren Sinnhaftigkeit zu diskutieren und damit auch die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen; denn - das ist ganz deutlich zu sagen - die öffentliche Debatte und die Akzeptanz stehen für uns keinesfalls im Widerspruch.
Klar ist: Wir sind noch lange nicht am Ende der Pandemie. Das müssen wir auch so ehrlich kommunizieren, auch wenn wir alle dafür keine Beifallsstürme erhalten. Und wir dürfen uns nicht zur Familienzusammenkunft anlässlich von Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten oder über die Sommer- und Herbstferien zum Weihnachtsfest und Silvester mittels Aktionismus hangeln. Es bedarf langfristiger, vor allem greifender Maßnahmen von breiter Akzeptanz.
Ja, im März und im April waren wir in höchstem Maße überrascht; wir waren planlos. Mich irritiert jedoch, dass auch hier im Land im Jahr 2020 auf den ewigen Sommer gehofft wurde, ohne die Experten der Leopoldina ernst zu nehmen, die schon frühzeitig gesagt haben, dass nach einem Sommer ein schwieriger Herbst folgen wird.
Es gibt weder im Bund noch in unserem Land einen wirklichen Plan. Der sogenannte SachsenAnhalt-Weg ist vor allem eines: eine Monstranz, die Sie vor sich hertragen. Ich nehme auch keinen Druck unseres Ministerpräsidenten gegenüber der Kanzlerin in diese Richtung wahr. Herr Haseloff soll jetzt - verstehen Sie mich bitte nicht falsch - nicht den Söder machen. Aber ich erwarte, dass er einen Plan vorlegt, wie es in Sachsen-Anhalt weitergeht, dass er Druck bei der Kanzlerin macht, dass die Maßnahmen im breiten demokratischen Konsens beschlossen werden und
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Bund wurden mehr als 200 Milliarden € Hilfsgelder für dieses Jahr beschlossen. Für das nächste Jahr ist die Rede von beinahe 100 Milliarden €.
Ich frage Sie: Haben Sie schon irgendwo einen Antrag auf die Novemberhilfen gesehen? - Wir werden darüber sicherlich morgen debattieren. Ich habe keinen gesehen. Wir haben heute den 19. November; das mit der Auszahlung könnte knapp werden.
Wir brauchen eine langfristige Strategie, eingebettet in eine ehrliche, eine transparente Debatte; denn Ehrlichkeit und Transparenz schaffen Vertrauen. Mit Transparenz meine ich nicht das Livetickern aus einer Ministerpräsidentenrunde mit der Kanzlerin. Die „Bild“-Zeitung darf nicht vor den Parlamenten in Kenntnis gesetzt werden. Das verspielt eher Vertrauen. Daher verstehe ich ausdrücklich auch die heute in der „Volksstimme“ zu lesende Kritik unseres Ministerpräsidenten. Als LINKE meinen wir die Transparenz in der Debatte um den sinnvollsten Umgang mit der Pandemie.
Mir konnte bisher niemand die Frage beantworten, warum ausreichend Tests für elf plus elf Fußballspieler zuzüglich des kompletten Stabs vorhanden sind, um durch halb Europa zu fliegen, warum Profisportlerinnen und in Sachsen-Anhalt Ballettschulen trainieren dürfen, aber der Breitensport untersagt ist.
Mir konnte bisher auch noch niemand die Frage beantworten, warum Kinder bis Hortschluss gemeinsam mit 20 anderen Kindern spielen dürfen, sie sich aber zu Hause nur mit einem Freund oder einer Freundin treffen dürfen. Mir ist schon klar, dass das Verbot des Profisports finanzielle Folgen hat. Aber die Folgen für die Kinder sind eben auch nicht unerheblich, sie sind nur leider nicht sofort messbar.
Ich möchte an dieser Stelle den Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes Heinz Hilgers zitieren, der sich gestern - im Übrigen einen Tag nach dem Autogipfel - zu Wort gemeldet hat. Er äußerte sich wie folgt:
Es ist furchtbar für das Kind, das sich zwischen seinen Freunden entscheiden soll, und es ist furchtbar für jenes Kind, das im Zuge einer solchen Entscheidung vielleicht abgewiesen werden musste. Eine solche Entscheidung, die mit so viel Potenzial für Zurückweisungen und Tränen verbunden ist, sollte Kindern nicht auferlegt werden. In den jüngsten Vorschlägen für Kontaktbeschränkungen stehen vor allem Kinder und Jugendliche
im Zentrum, gleichzeitig läuft in den Bürohäusern deutscher Innenstädte ein völlig ungeregelter Präsenzbetrieb weiter. Diese Jobs könnten Angestellte genauso gut und vor allem sicher von zu Hause erledigen. - So Heinz Hilgers. Recht hat er.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme wieder zu unserem Antrag zurück. Es gibt Bereiche, in denen die Betroffenen ihre Hausaufgaben gemacht haben, und es gibt Bereiche, in denen noch einiges zu tun ist.
Komme ich zu Ersterem, fallen mir die kulturellen Einrichtungen, das Gast- und Beherbergungsgewerbe ein. Diese haben die letzten Monate dafür genutzt, um Hygienekonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Sie haben sehr viel Zeit, Energie und - das muss man ehrlicherweise sagen - auch viel Geld investiert; denn natürlich wollen sie ihre Einrichtungen offenhalten und natürlich wollen sie sich und auch ihre Gäste schützen. Sie gehören - darin sind wir uns, denke ich, einig - zum öffentlichen Leben dazu. Dieses öffentliche Leben wurde nun für den November abgeschaltet.
Aber ich will nicht nur über die letzten Wochen reden. Das ist Geschichte. Die entscheidende Frage, die wir für die Zukunft beantworten müssen, ist: Wie oft können wir solche Schließungen noch veranlassen, ohne erheblichen Schaden in diesen Bereichen zu verursachen? Und ist eine derartige pauschale Schließung der jetzigen Situation überhaupt angemessen?
Ja, vom Bundestag wurden umfangreiche Hilfen beschlossen. Doch Tatsache ist auch, dass diese Hilfen bei den Betroffenen noch nicht angekommen sind und dass sie nicht ausreichend sind.
Der Bundesfinanzminister sagte am Wochenende selbst sehr deutlich und auch nachvollziehbar: Zunächst muss es um die Finanzierung der Forschung für die Impfpräparate gehen und dann kommen Hilfsleistungen an die Wirtschaft. Er sprach selbst davon, dass das frühstens im nächsten Jahr erfolgen wird.
Es macht nun wenig Sinn, die Forschung gegen die Wirtschaft auszuspielen. Deswegen werde ich das an dieser Stelle auch nicht tun.
Für uns alle ist die Frage entscheidend: Was bedeutet es für Sachsen-Anhalt, dass wir dieses Wissen haben? - Wenn wir nicht wollen, dass unter unseren Augen, also sehendes Auges, das gesellschaftliche Leben kaputtgeht, dann müssen wir handeln. Dann müssen wir unverzüglich handeln und dann müssen wir als Land SachsenAnhalt ohne Wenn und Aber und tatsächlich mit wenig bürokratischem Aufwand für die Betroffenen in Vorleistung gehen.
Zur Situation der Künstlerinnen und Künstler wird mein Kollege Gebhardt nachher im Rahmen der Aussprache zur Regierungserklärung noch etwas sagen, und wir werden uns, denke ich, auch morgen im Rahmen der von der SPD beantragten Aktuellen Debatte darüber austauschen.
Oberste Priorität muss bei allen Maßnahmen selbstverständlich die Prävention haben. Zu den bestehenden Hygienekonzepten im Gastgewerbe habe ich bereits etwas gesagt.
Individuell, aber auch generalpräventiv wirken meines Erachtens selbstverständlich das Bußgeld für Maskenverweigerer und dessen tatsächlicher Vollzug. Neben dem Abstand, den wir alle wahren sollen, ist dies ein Beitrag, den jeder und jede von uns leisten kann, sofern keine gesundheitlichen Gründe dagegensprechen.
Eine weitere präventive Maßnahme ist die Teststrategie für Beschäftigte in Schulen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Ich halte es für hochproblematisch, wenn pauschal keine Testung mehr für Schulkinder erfolgt, die Kontakt mit positiv getesteten Mitschülerinnen hatten, und sie lediglich in Quarantäne geschickt werden, ohne dass man weiß, ob sie bereits Überträger gewesen sein können. Ich erinnere noch einmal an den Profifußball. Dort geht das ganz schnell und dort ist selbstverständlich eine Testung möglich.
Ich habe null Verständnis dafür, dass für den Autogipfel in dieser Woche 3 Milliarden € lockergemacht werden konnten, aber wir immer noch darüber diskutieren, dass 1 Milliarde € für die Luftfilteranlagen in Schulen in Deutschland nicht vorhanden sein sollen.
Ich halte es auch für Augenwischerei, dass das Projekt damit abgewiegelt wird, dass es nicht innerhalb kurzer Zeit umsetzbar sei. Natürlich ist es das nicht. Wir brauchen diese Luftfilteranlagen aber mittel- und langfristig und müssen zügig mit dem Einbau gerade in sensiblen öffentlichen Einrichtungen beginnen und nach und nach alle Kitas und Schulen damit ausstatten.
Wir können gern wieder Zeit verstreichen lassen. Erinnern Sie sich daran, wie wir im Frühjahr monatelang darüber diskutiert haben, ob der MundNasen-Schutz sinnvoll ist oder nicht. Damals ist wertvolle Zeit verlorengegangen. Das sollten wir in diesem Fall nicht noch einmal akzeptieren.
Zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen werden wir uns der Stimme enthalten. Hierzu verweise ich auf den Redebeitrag meiner geschätzten Kollegin Buchheim in der Debatte zur Änderung des KVG des Landes Sachsen-Anhalt und im Übrigen auf meine Ausführungen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau von Angern, es gibt zwei Fragen, nämlich von Herrn Farle und von Herrn Raue. Wollen Sie sie beantworten? - Nein. Dann sind wir am Ende des Redebeitrages angelangt.
Als Nächster spricht der Abg. Herr Farle. Er bringt den Antrag in der Drs. 7/6820 - Tagesordnungspunkt 2 b - ein. Herr Farle, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In meiner letzten Rede habe ich auf folgende Feststellungen hingewiesen:
Erstens. Ein positives PCR-Testergebnis beweist keine Infektion und gibt lediglich Auskunft über das Vorhandensein minimalster Teile des Erbguts eines SARS-CoV-2 im Körper.
Die Gleichsetzung von positiven Testergebnissen mit einer Infektion oder einer Erkrankung ist nach dem Infektionsschutzgesetz nicht zulässig und darüber hinaus wissenschaftlich falsch. Wer keine Krankheitssymptome hat, der ist auch nicht krank und darf daher nicht automatisch in die Statistik der Fallzahlen der Neuinfektionen eingehen.