Protocol of the Session on November 3, 2020

Dann los, Herr Gebhardt.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Borgwardt, Sie haben in Ihrer Rede noch einmal betont, wie die Koalition und auch Ihre Fraktion, deren Vorsitzender Sie sind, hinter den Maßnahmen der Landesregierung stehen und wie einmütig dieser Rückhalt für den Ministerpräsidenten an dieser Stelle ist.

(Siegfried Borgwardt, CDU, lacht)

Sie haben auch betont, dass jeder, der hier Aktionismus vorwirft, gefährlich handelt.

Das habe ich gar nicht gesagt.

Wenn man in der heutigen Ausgabe der „Mitteldeutschen Zeitung“ den Artikel über die CDU in Quedlinburg liest, dann kann einem schon der Verdacht kommen, dass sich die Opposition, die Sie eben noch einmal gegeißelt haben, in den eigenen Reihen befindet.

Die Frage ist jetzt: Wie eindeutig ist denn der Rückhalt in Ihrer Fraktion, deren Vorsitzender Sie sind? - Denn in der „Mitteldeutschen Zeitung“ steht auch, dass ein Abgeordneter Ihrer Fraktion den Brief an den Ministerpräsidenten mit unterzeichnet hat, worin dieser aufgefordert wird, die Maßnahmen zu überdenken, anders zu handeln und beispielsweise das Gaststättengewerbe offen zu lassen.

Ich könnte die Frage auch anders stellen, Herr Borgwardt. Kann es sein, dass es, wenn die eine oder andere Maßnahme von einem Gericht kassiert wird, hinterher wieder eine Pressemitteilung

von der CDU-Fraktion geben wird, in der stehen wird, dass Sie es ausdrücklich begrüßen, dass der Ministerpräsident eine Niederlage vor Gericht erlitten hat, und Sie sich politisch voll bestätigt fühlen? Wann ist es so weit, Herr Borgwardt?

Das sind jetzt mehrere Fragen, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich gehe einmal auf die eine ein. Ich habe mich gefragt, wann Sie auf den offenen Brief, den der Kollege Thomas mit unterzeichnet hat, zu sprechen kommen. Es wundert mich, dass das fast zum Schluss kommt. Natürlich haben wir das in der Fraktion besprochen. Eines ist auch klar: Sie werden nirgends von mir gehört haben, dass ich etwas von „vollumfänglich“ gesagt habe. Das habe ich nirgendwo getan.

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Ich gehe durchaus überlegt hier vorn an die Sache heran. Ich reklamiere für mich auch, dass ich das sehr verantwortungsbewusst mache. Das ist klar. Wir reklamieren für uns, die einzige verbliebene große Volkspartei zu sein. Daher ist es völlig klar, dass wir ein durchaus ambivalentes Herangehen an unterschiedliche Probleme haben.

(Unruhe)

Wir haben deswegen am letzten Donnerstag eine Sondersitzung der Fraktion abgehalten. Darin haben wir unserer Verfahren festgelegt und beschlossen. Das haben wir einstimmig so beschlossen. - Das dazu.

Was war die zweite Geschichte?

(Zuruf: Mit dem Gerichtsurteil!)

(Zuruf: Das Gerichtsurteil! - Eva von An- gern, DIE LINKE: Die Pressemitteilung nach dem Gerichtsurteil!)

- Ja. Ich meine, der große Vorteil ist gelegentlich, dass Ihre Fraktion auch diffizile Sachen enger zusammenhält als unsere. Das ist auch ein Problem. Aber ich rede diesbezüglich mit meiner auch sehr offen. Fakt ist eines und das kann ich Ihnen hier sagen, ohne aus dem Nähkästchen zu plaudern: Wir hätten das Urteil nicht abgewartet. Das haben wir auch deutlich gesagt.

(Zustimmung)

Wir haben aber großes Verständnis dafür gehabt. Die Begründungen waren durchaus nachvollziehbar. Denn für mich war klar, dass dieses Urteil auch bei uns dieselbe Wirkung entfaltet wie bei anderen, weil es nämlich nicht verhältnismäßig ist.

(Zurufe)

Insofern haben wir bei unserer Pressemitteilung gar nichts zu relativieren oder irgendwie zurückzunehmen. Das war bei uns immer so. Nur trage ich das nicht permanent nach außen, um nicht noch zusätzliche Kritikpunkte zu schaffen. Das wissen Sie aber doch sehr genau.

(Zustimmung)

Was gab es noch für eine Frage?

Wenn der Redner nicht noch einmal darauf besteht, war es wohl alles. - Jetzt gibt noch eine Frage von Herrn Siegmund. Wollen Sie diese beantworten?

Ja, natürlich.

Dann machen Sie mal.

Das ist dann der Letzte.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Herr Borgwardt, für die Chance. Ich möchte endlich mit dieser Mär aufräumen, die Sie mal wieder zum Thema Schweden erzählt haben. Das Thema Schweden und die Argumentation Schwedens sind nicht unsere. Wir übernehmen sie, und zwar von unzähligen Wissenschaftlern weltweit, übrigens auch von der SPD-Zeitung „Vorwärts“, die den schwedischen Sonderweg gelobt hat, und inzwischen auch von der WHO. Das müssten Sie vielleicht auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Unruhe)

Man kann es auch an ganz einfachen Fakten darlegen: Was ist für eine Epidemie eigentlich der entscheidende Indikator? - Die Todeszahl. Das haben Sie ganz richtig gesagt. Die Todeszahlen waren in Schweden Anfang des Jahres überdurchschnittlich hoch. Damit haben Sie völlig recht. Aber langfristig ist endscheidend, wie man mit einer Pandemie umgeht. Das ist in Schweden der erfolgreiche Weg. Das sieht man dann, wenn man die aktuellen Infektionszahlen in ein Verhältnis zu den Todeszahlen setzt, die nämlich seit Juni nahezu bei null liegen. Ganz aktuell sind es für den 1. November null und für den 2. November zwei Fälle. Auch Ende Oktober war keine Zahl bei den Todesfällen höher als zwei oder drei. Es gibt dort keine nennenswerten Todesfälle mehr. Die Epidemie ist dort vorbei. Das ist das Entschei

dende. Das ist nicht unsere Aussage. Das ist die Aussage von unzähligen Wissenschaftlern, nicht der AfD. Nehmen Sie das zur Kenntnis!

(Zustimmung - Unruhe)

Daher ist meine Frage: Warum prüfen Sie die Zahlen, die Ihre Referenten Ihnen aufschreiben, nicht vorher?

(Zustimmung - Zuruf)

Sie können antworten.

(Unruhe)

Hier irgendeine Bemerkung zu der Zeitung einer Partei abzugeben, würde ich mir gern schenken.

(Zuruf)

Ob das stimmt oder nicht; ich habe aus mehreren Gründen keine Lust, mich zum „Vorwärts“ zu äußern.

(Unruhe)

Das sage ich hier einmal deutlich. Es gibt vielleicht ein allgemeines Verständnis dafür.

(Zuruf)

Noch einmal zu der anderen Geschichte. Die Hauptargumentation, sehr geehrter Herr Siegmund, ist: Wenn es so ist, wie Sie es sagen, warum ergreift die schwedische Regierung dann genau dieselben Maßnahmen wie wir? Warum? Warum? Sind die alle irre oder was?

(Zurufe)

Nein; denn sie haben genau gesehen, dass das Experiment der Durchseuchung offensichtlich nicht den langfristigen Effekt bringt, den man sich erhofft.

(Zuruf)

- Nein. Dann hätten sie doch die Maßnahmen jetzt nicht ergreifen müssen. Sie bestreiten doch nicht, dass die Maßnahmen ergriffen werden, die ich gerade genannt habe. Das sind die aktuellen Maßnahmen, die Schweden ergreift.

(Zurufe)