Protocol of the Session on October 16, 2020

(Zustimmung)

Menschen kommen zu konkreten Fragestellungen, die ihr Leben betreffen, zusammen. Dabei kann es um die Gestaltung der Umwelt, um Bauvorhaben, um die Ausgestaltung der direkten Demokratie gehen. In einem strukturierten Prozess werden sie einbezogen. Es gibt ein Losverfahren, sodass sich ein repräsentativer Ausschnitt der Bevölkerung an diesem Verfahren beteiligt.

Entscheidend ist dann, wie verbindlich diese Ergebnisse sind. Müssen, sollen oder können die hauptamtlichen Politiker diese Empfehlungen annehmen? - Ich denke, es muss eine festgelegte Frist geben, in der sich die hauptamtliche Politik damit beschäftigen muss; denn es ist entscheidend, dass Bürgerinnen und Bürger erleben, dass es sich lohnt, sich zu engagieren, dass es sich lohnt, sich einzubringen.

Genauso kann man das auf kommunaler Ebene machen. Verbunden mit einem festen Budget, das

die Umsetzung garantiert, ist es wirklich das unersetzbare Empfinden, dass sich einmischen und beteiligen lohnen.

(Zustimmung)

Aus dieser Verbundenheit erwächst Heimatgefühl. Aus Heimatgefühl erwächst Verantwortung für mehr als den eigenen Hinterhof.

(Zurufe)

Erst wenn noch mehr Menschen Sachsen-Anhalt tatsächlich als ihre Heimat begreifen, werden wir die Potenziale des Landes, das 1989 aus Mut geboren wurde, tatsächlich heben können.

Heute, meine Damen und Herren, brauchen wir wieder diesen Mut für den Klimaschutz. Hier ist sehr deutlich zu sehen, was unser Land in den letzten 30 Jahren geleistet hat, was die Menschen geleistet haben und wie wir vorangekommen sind.

Ich selbst bin mit dem Anblick einer von weißen Schaumkronen gekrönten Mulde aufgewachsen. Das hört sich jetzt vielleicht schön an, aber das war ziemlich dramatisch, und es hat tatsächlich gestunken. Der Herr Ministerpräsident hat es vorhin sehr anschaulich eingeführt.

Das Heu von diesen Mulde-Wiesen darf heute noch nicht verfüttert werden, weil es immer noch als Sondermüll gilt. Heute ist der erste Lachs wieder in der Mulde gesichtet worden. Das Wasser hat Badequalität, und das ist ein ermutigendes Zeichen, dass wir noch mehr schaffen können, wenn wir wieder die Lust an Veränderungen, wenn wir wieder den Mut zur Veränderung aufbringen, den wir vor 30 Jahren in diesem Land hatten, wenn wir dieses Gefühl wieder aktivieren, wenn wir uns daran erinnern, was schon einmal möglich war.

Das kann, um im Bereich des Klimaschutzes zu bleiben, ganze positive Erfahrungen für Menschen und Natur in Sachsen-Anhalt bringen, wenn wir die Weichen richtig stellen.

Vor etwas mehr als zwei Wochen hatte meine Fraktion eine Klimawerkstatt zum Thema Wirtschaft. Es war beeindruckend, von Tesvolt, Farasis und Meyer Burger zu hören, dass sie in den nächsten Monaten 1 Milliarde € in Green Economy investieren, hier bei uns in Sachsen-Anhalt. Unternehmen, die trotz Corona Personal einstellen, einen Technologievorsprung in der Fotovoltaik marktreif einführen und eine CO2-neutrale Fabrik errichten.

Die wichtigste Rahmenbedingung, die sie uns nannten, um die Wertschöpfung in SachsenAnhalt zu steigern, war das EEG auf Bundesebene. Unsere Energieministerin setzt sich bereits mit voller Kraft für die richtigen Stellschrauben ein.

Aber wir haben zurzeit eine Bundesregierung, die nicht voll auf Zukunft setzt.

(Zustimmung)

Die Zukunft sind die erneuerbaren Energien. Dann werden auch in Sachsen-Anhalt weitere hochwertige Energiearbeitsplätze entstehen, wie eben genannt im Solar Valley oder bei InfraLeuna.

Wenn wir auch in den nächsten 30 Jahren eine gute Zukunft haben wollen, müssen wir heute voll auf Zukunft setzen. Die Ausbauziele für erneuerbare Energien müssen deutlich erhöht werden. Der Eigenverbrauch darf nicht gegängelt werden.

Die Nutzung von Dachflächen muss intensiviert statt ausgebremst werden. Ich will, dass jedes Dach auf einer Landesimmobilie eine Fotovoltaikanlage hat.

(Zuruf: Das geht doch gar nicht!)

Mehr Flächen für erneuerbare Energien -

(Beifall - Zurufe)

dieser Forderung der Wirtschaft schließe ich mich gerne an.

(Zurufe)

Wir werden die unbestreitbar noch vorhandene Lücke in der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft nur schließen, wenn wir konsequent auf Zukunft setzen. Derzeit bieten sich mit den Milliarden für den Strukturwandel und den Konjunkturpaketen wegen Corona außergewöhnliche Möglichkeiten.

(Zurufe)

Lassen Sie uns diese für Menschen und Natur in Sachsen-Anhalt konsequent und mit Mut nutzen. Ich weiß - damit komme ich zum Ende -, die anstehenden Veränderungen machen Angst. Veränderungen sind schwierig und unbequem. Nicht jeder mag sie und nicht jeder freut sich darauf.

Aber wir sind in einer ähnlichen Situation wie vor 30 Jahren und es gibt keine Alternative dazu. Wir müssen uns etwas trauen, wir müssen mutig sein, um eine Zukunft für unsere Kinder und Kindeskinder zu erkämpfen. Wir müssen also Demokratie beleben, Bürgerräte und Bürgerbeauftragte schaffen, Natur für die Menschen schützen und daraus wirtschaftliche Vorteile ziehen, Stichwort: Green Economy. Das ist die Zukunft Sachsen-Anhalts.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldungen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Jetzt darf ein fraktionsloser Abgeordneter sprechen. Das habe ich vorhin angekündigt. Herr Poggenburg bekommt gleich das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich habe Ihrer Rede zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit aufmerksam zugehört. Sie haben ein relativ positives Bild gezeichnet. Dem kann ich zum großen Teil folgen. Es fehlen nur einige Dinge, die ergänzt werden sollten.

Ganz klar ist: Die deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1990 war ein welthistorisches und längst überfälliges Ereignis. Ich denke, darüber sind wir uns im Hohen Haus einig. Aber es wurden in diesem Zuge auch einige historische Gelegenheiten verpasst. Das sollte heute nicht unerwähnt bleiben.

Ja, damals hätten wir die Chance gehabt, eine gesamtdeutsche, aus dem gesamtdeutschen Volk heraus geborene Verfassung zu generieren, wie es übrigens im Grundgesetz vorgesehen ist. Diese Chance wurde entweder verpasst oder willentlich vertan.

Es gibt eine zweite historische Chance, die wir verpasst haben, nämlich: Damals gab es die Möglichkeit, ernsthaft in Gespräche über eine friedliche gesamtdeutsche Wiedervereinigung einzutreten. Auch das wäre damals möglich gewesen. Auch diese Chance wurde verpasst.

Nicht umsonst wird Mitteldeutschland als Mitteldeutschland bezeichnet. Da fehlt eben etwas. Die Verantwortlichen, die damals die Chance einer friedlichen gesamtdeutschen Wiedervereinigung vertan haben, haben sich am deutschen Land und am deutschen Volk schuldig gemacht. Das ist ganz klar und ohne irgendwelche Diskussionen.

(Zurufe)

Die Menschen, die 1989 auf die Straße gegangen sind, voller Hoffnungen natürlich, haben viele ihrer Hoffnungen erfüllt und viele nicht erfüllt gesehen. Ich glaube, wer damals, im Jahr 1989, auf die Straße gegangen ist, hat sich nicht denken können, dass es nach 30 Jahren deutscher Einheit in unserem Land doch Armutsspeisung und Tafeln gibt.

Wer damals auf die Straße gegangen ist, hat sich nicht denken können, dass er in Verheißung einer goldenen sozialen Marktwirtschaft 30 Jahre später Zustände vorfindet, vor denen damals in der DDR tatsächlich gewarnt wurde, nämlich Obdachlose auf der Straße, Menschen, die um ihre wirtschaftliche Existenz bangen müssen. Auch das ist ein Fakt nach 30 Jahren deutscher Wiedervereinigung.

Die Menschen, die damals, im Jahr 1989, auf die Straße gegangen sind, die den neuen gesamtdeutschen Rechtsstaat wollten, haben sich nicht vorstellen können, 30 Jahre später so langsam

doch wieder in einen Links-Staat abzuschlittern. Das hat sich keiner vorstellen können.

Die Menschen 1989 auf der Straße haben sich nicht vorstellen können, 30 Jahre später doch wieder rotes Meinungs- und Sprachdiktat zu erleben und sich doch in gewisser Weise wieder einer linken, roten politischen Korrektheit unterordnen zu müssen. Auch das hat damals wahrscheinlich - ich gehe einmal davon aus - keiner für möglich gehalten.

Auch diese Dinge müssen benannt werden. Eines der größten Probleme - und das wird zu wenig angegangen - ist die nicht vollendete Vereinigung und Wiedervereinigung in den Köpfen der Menschen in Deutschland.

Fakt ist, dass wir uns heute in einer Zeit befinden, in der wieder eine Trennung des deutschen Volkes vonstattengeht, eine ideologische Trennung, aber auch eine existenzielle, eine wirtschaftliche Trennung.

Vor allem die politisch-ideologische Trennung möchte ich erwähnen. Es sind nun einmal neue linke Gesellschafts- und Bildungsexperimente, die gerade in den neuen Bundesländern für Empörung sorgen. Deswegen ist hier der Widerstand am größten; das ist doch klar. Es sind nun einmal diejenigen, die diese neuen linken Gesellschafts- und Bildungsexperimente heraufbeschwören, die das Volk spalten. Nicht diejenigen, die konservativ sind, nicht diejenigen, die an Altem, Bewährtem festhalten möchten - egal wie gut oder schlecht das sein mag -, sind die Spalter, sondern diejenigen, die mit diktierten neuen Methoden und Experimenten daherkommen.

So gibt es eben eine neue Spaltung zwischen Ost und West, aber auch eine neue Spaltung quer durch die Gesellschaft, quer durch Familien, quer durch Freundeskreise, quer durch Bekanntenkreise, und das in einem Ausmaß, das vor 30 Jahren wahrscheinlich niemand für möglich gehalten hätte.

Hier wird also die Verantwortung gegenüber der deutschen Wiedervereinigung gerade von der linken Seite nicht wahrgenommen. Auch das gehört natürlich dazu.

Vor dem Hintergrund der Fakten sehe ich am Horizont noch kein positives Licht einer deutschen Wiedervereinigung.

Herr Poggenburg, ich muss Sie - -

Mein letzter Satz.

Ja, aber dann bitte den letzten Satz; denn Sie sind eigentlich schon eine Minute über der Zeit.