Wir müssen deswegen dafür sorgen, dass mit den Betroffenen gemeinsam Perspektiven entwickelt werden. Denn es geht um ihr Leben und um das Leben ihrer Kinder.
Ja - darin gebe ich Ihnen recht, Herr Ministerpräsident -, wir haben diesbezüglich in Sachsen-Anhalt viele Chancen. Wir haben Innovationsmotoren. Wir haben die Technologie- und Gründerzentren. Wir haben die Hochschulen und die Forschungsinstitute. Diese müssen wir nutzen und dadurch können wir auch zum Vorreiter werden.
Politisches Handeln ist immer dann langfristig erfolgreich und nachhaltig, wenn die Menschen früh einbezogen werden. Denn das schafft die notwendige Akzeptanz.
Das gilt im Übrigen auch für den Umgang mit der Coronakrise. Diese ist eine Krise, die uns nicht nur schon lange beschäftigt, sondern uns mit Sicherheit auch noch lange beschäftigen wird. Für uns als LINKE - das sage ich ganz klar - stehen der Schutz vor dem Virus, der Schutz vor sozialem Absturz und der Schutz von Grund- und Freiheitsrechten im Mittelpunkt. Das muss bei jeder einzelnen Maßnahme einen Einklang bilden.
Systems. Schlagartig wurden bereits bestehende soziale Brüche und Verwerfungen bloßgelegt. Deshalb werben wir als LINKE unter dem Motto „Solidarität statt Ellenbogen“ für Rücksicht und für Achtsamkeit.
Corona zeigt auch, wie fragil unser Gesundheitssystem ist und wie falsch die massenhafte Privatisierung der Krankenhäuser war und ist.
Deswegen ist es uns wichtig, all die Maßnahmen, die wir zur Eindämmung der Pandemie vollziehen müssen, auch seriös zu behandeln und im Übrigen auch auf demokratisch breite Füße zu stellen. Das heißt für uns, dass über Grundrechtseingriffe hier im Parlament diskutiert werden muss. Hier im Parlament müssen wir darüber entscheiden, nirgendwo anders.
Herr Ministerpräsident, Ihr Auftreten in der Öffentlichkeit und auch in der heutigen Fragestunde ist für mich befremdlich. Mal stellen Sie sich gegen die konsequente Durchsetzung der Maskenpflicht und dann wollen Sie Maßnahmen knallhart durchsetzen, aber natürlich nur in anderen Ländern und nicht bei uns. Das ist ein Hickhack. Das schafft kein Vertrauen. Das schürt Unsicherheit. Das ist etwas, was wir in diesem Land momentan gar nicht gebrauchen können.
Ich habe auch einen Wunsch. Ich habe den Wunsch, dass wir nach dem 30. Jubiläum zukünftig keinen Bericht mehr über den Stand der deutschen Einheit erhalten, sondern dass wir einen Bericht über den Stand der Modernisierung unseres Landes erhalten.
Dazu kann ich nur sagen: Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an einem südlichen Nachbarland. Dessen Ministerpräsident hat einen Zukunftsplan vorgelegt. Es ist ein Zukunftsplan, auf dessen Grundlage mit den Menschen diskutiert wird, wie es funktionieren soll.
Wie können Land und Stadt gemeinsam handeln für die Stärkung der Regionen? Wie kann man Mobilität und Modernität tatsächlich zusammen denken? Wie schaffen wir es, ökologisch und wirtschaftlich zu agieren? Wie kann zum Beispiel auch aus Sachsen-Anhalt durch einen längst überfälligen digitalen Aufbruch tatsächlich ein Wissenschaftsland werden?
Wie können wir es erreichen, dass wir Bildungs- und Chancengleichheit tatsächlich ganz oben auf unsere Agenda schreiben? Und - das ist selbstverständlich - wie schaffen wir es als Land, solidarisch, vielfältig und weltoffen zu bleiben?
Ja, so kann man eben auch regieren. Eigentlich wollte ich jetzt sagen, dass ich das nach meinen Erfahrungen einer CDU-dominierten Landesregierung nicht mehr zutraue.
Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Allein, Ihre heutigen Worte geben mir wenig Hoffnung. Wenn man bedenkt, dass Sie eine Rede zu einem 30jährigen Jubiläum gehalten haben, habe ich wenig Jubel in Ihrer Rede wahrnehmen können.
Nicht zuletzt deshalb hat meine Fraktion und hat meine Partei am letzten Wochenende einen Zukunftsplan auch für Sachsen-Anhalt entwickelt und beschlossen. Er steht unter dem Motto „Solidarität statt Ellenbogen“. Auch das ist eine Lehre aus 30 Jahren deutscher Einheit. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich sehe keine Wortmeldungen. Somit kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird die Abg. Frau Lüddemann sprechen. - Sie haben das Wort, Frau Lüddemann.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat.“ - Dieses Zitat von Bärbel Bohley aus dem Jahr 1991 beschreibt anschaulich die Gefühlslage und Ambivalenz vieler Menschen in den neuen Bundesländern nach dem Verfliegen der Euphorie über friedliche Revolution und Mauerfall, über Beitritt respektive Wiedervereinigung.
Dem Hochgefühl des Triumphes über ein diktatorisches System folgten die Mühen der Ebene und der für viele Menschen schwierige Start in einem neuen System. Nach 30 Jahren muss ich feststellen, dass diese Gefühlslage in Teilen der Bevölkerung bis heute nachwirkt.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die demokratische Ordnung des Grundgesetzes und der Rechtsstaat historische Errungenschaften sind. Niemals in der Geschichte Deutschlands haben wir in solcher Freiheit und Sicherheit gelebt. Und doch scheint unser demokratisches Gemeinwesen hier und da etwas angestaubt.
Das Gefühl von Angestaubtheit liegt weniger am Grundgesetz selbst als daran, dass wir die Demokratie nicht ausreichend mit Leben erfüllen. Ich habe das Gefühl, zu viele Menschen nehmen die demokratische Ordnung als etwas Selbstverständliches oder stehen ihr gleichgültig bis hin zur
Denn die Demokratie lebt von der lebendigen und streitbaren Partizipation ihrer Bürgerinnen und Bürger. Ohne diese Partizipation hat die Demokratie keine Zukunft. Alle Demokratinnen und Demokraten müssen sich fragen, ob wir genug dafür tun, andere Menschen zur Mitarbeit zu bewegen,
ob wir genug dafür tun, Demokratie mit Leben zu erfüllen, und bei aller Notwendigkeit, sie immer wieder neu auszutarieren, ob wir genug dafür tun, elementare demokratische Grundfesten zu verteidigen, ob wir genug dafür tun und diejenigen unterstützen und stärken, die sich oftmals gegen große, auch persönliche Widerstände immer wieder Demokratie- und Verfassungsfeinden in den Weg stellen.
Ich danke an dieser Stelle all denjenigen, die sich unter diesem hohen persönlichen Einsatz mit ihrem Gesicht, mit ihrem Namen und unter Einsatz ihrer Familie Verfassungsfeinden und Demokratieverächtern entgegenstellen.
Angesichts meiner Erfahrung mit einer wirklichen Diktatur und einem wirklichen Unrechtsstaat tut es mir in der Seele weh, wenn heute Verschwörungsmystiker rund um die Coronapandemie die Inhalte der friedlichen Revolution missbrauchen. Angesichts der historischen Erfahrung mit einer autoritären Staatsmacht sind Debatten unter dem Stichwort „Mundschutz als Maulkorb“ total absurd.
Masken sichern heutzutage den sozialen Frieden im Land. Wer unsere Verfassung angreift und den sozialen Frieden in diesem Land gefährdet, das sind Nazis und Rechtsextremisten, das sind die Herren von der AfD, die als verlängerter parlamentarischer Arm diesen den Weg bereiten.
Es gibt aber - Gott sei Dank - viele Menschen, denen die Zukunft unseres Landes nicht egal ist. Wir als Demokratinnen und Demokraten müssen all diejenigen stärken, die sich Sorgen machen und sich positiv engagieren, die unser Land auf dem Boden unserer Verfassung und im Kreise Europas voranbringen wollen.
Es erfüllt mich mit großer Hoffnung, dass es da draußen viele, insbesondere auch junge Menschen gibt, die sich mit großer Energie und Ausdauer für eine lebenswerte Zukunft auf unserem
„Fridays for Future“, „Black Lives Matter“, „Critical Mass“, Initiativen für eine lebenswerte Zukunft, ein klimafreundliches und demokratisches SachsenAnhalt, das ist die nötige Frischzellenkur, die unsere Demokratie braucht, um wieder lebhafter und fit für die Zukunft zu werden.
Wir müssen diese Menschen ernster nehmen. Wir müssen mehr belastbare Angebote machen, damit man sich in diesem Land auch zwischen den Wahlen einbringen kann. Ich schlage die Einführung von Bürgerräten vor, auf regionaler und auf Landesebene.
Es gibt vielfältige Erfahrungen, auf die wir aufbauen können. Viele von Ihnen kennen möglicherweise das Beispiel aus Irland. Dort ist es mit diesem Modell gelungen, eine Einigung über den dortigen Abtreibungsparagrafen herzustellen, die wirklich dauerhaft trägt, wo sich Menschen einbringen konnten.
Oder Sie kennen vielleicht den Bürgerrat auf Bundesebene. Dort ist es gelungen - das wurde von „Mehr Demokratie e. V.“ durchgeführt -, mit diesem Mittel der Bundesregierung ganz konkrete Maßnahmen für direkte Demokratie, für mehr Bürgerbeteiligung vorzuschlagen.
In Baden-Württemberg, also auf der Ebene eines Bundeslandes, gibt es seit zehn Jahren dieses Verfahren. Es wird von der dortigen Bürgerbeauftragten sehr oft genutzt. Auch das ist aus meiner Sicht eine Institution, die für Sachsen-Anhalt überlegenswert ist.