Protocol of the Session on October 15, 2020

Warten Sie bitte kurz, Herr Erben. - Ich weiß, die parlamentarischen Geschäftsführer haben gerade einen schweren Job, aber es ist hier einfach zu laut. Ich bitte die Arbeitsgemeinschaft, besser kurz nach draußen zu gehen, natürlich mit Ausnahme von Herrn Erben, der jetzt spricht. - Okay, danke.

Ich habe doch dagegen angeredet. - Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass die Schaffung eines Gedenktages bei der SPD-Fraktion große Sympathie genießt. Mecklenburg-Vorpommern hat einen selbigen für den 8. Mai bereits seit 2002, Brandenburg seit 2015 und am 8. Mai 2021 wird das Land Schleswig-Holstein zum ersten Mal an einem 8. Mai einen solchen Gedenktag begehen.

Uns wird demnächst ein Gesetzentwurf der Landesregierung zur Novellierung des Feiertagsrechts ereilen. Wir werden auf diese Weise auch Gelegenheit haben, erneut über die Frage eines gesetzlichen Gedenktages 8. Mai hier im Hohen Hause zu reden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung zuzustimmen.

Ich sehe keine Fragen. Deswegen können wir in der Debatte fortfahren. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt die Abg. Frau Quade, nachdem, wie immer, das Rednerpult desinfiziert worden ist. Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der Tat Anfang des Jahres einen Antrag vorgelegt, damit der 8. Mai endlich zum Gedenk- und Feiertag wird.

(Beifall)

In meiner damaligen Rede zur ersten Beratung habe ich Esther Bejarano aus ihrem offenen Brief zitiert, in dem sie forderte:

„Der 8. Mai muss [ein] Feiertag werden. Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und es hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NSRegimes.“

Einige Monate später, heute, liegt uns nun die Beschlussempfehlung des Innenausschusses vor, verabschiedet mit den Stimmen der Regierungsfraktionen. Was ist nun darin zu lesen? - Darin ist zu lesen, dass die Erinnerung an den 8. Mai 1945 eine beständige Mahnung und Verpflichtung sei und der 8. Mai der Tag der Befreiung. Herr Erben sagte es: Welchen Sinn hat es, Selbstverständlichkeiten zu beschließen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalition aus CDU, SPD und GRÜNEN musste mehrere Monate lang beraten, um etwas festzuhalten, was erstens selbstverständlich ist und was zweitens schon im Jahr 1985 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker festgestellt hat. Es bleibt ohne Frage richtig. Auch das, was in der Beschlussempfehlung steht, bleibt ganz ohne jede Frage richtig. Doch wir haben diesen Antrag nicht gestellt, um richtige Sätze zu beschließen und um noch einmal die Bedeutung des 8. Mai 1945 durch den Landtag von SachsenAnhalt feststellen zu lassen. Denn die Bedeutung ist unabhängig davon gegeben, ob wir das beschließen oder nicht.

(Zustimmung)

Das ist glücklicherweise eine historische Tatsache, die über unsere Beschlüsse weit hinausgeht. Es ist eine Tatsache, die unter den demokratischen Fraktionen unumstritten sein sollte. Und, nein, es ist nicht nur die Rede von Herrn Höse, mit der die Frage eben doch noch einmal

gestellt wird. Wenn wir an die Rede von Herrn Schulenburg in der damaligen Debatte denken, dann wissen wir auch, dass genau diese Tatsache eben nicht unumstritten war. Denn er fiel mit seiner Rede weit hinter diese Tatsache zurück.

Herr Kirchner dankte ihm damals ausdrücklich dafür und bemerkte, es sei eben etwas anderes, wenn ein CDU-Abgeordneter statt eines AfD-Abgeordneten ausspreche, der 8. Mai 1945 sein kein Tag der Freude und Zuversicht gewesen. - Ja, das ist etwas anderes. Es ist schlimmer.

(Beifall)

Die vorliegende Beschlussempfehlung ist im Ergebnis eine Ablehnung unseres Antrags. Auf den eigentlichen Gegenstand geht sie gar nicht ein. Zu der Frage, ob der 8. Mai ein Feier- und Gedenktag werden sollte, verhält sie sich gar nicht. Genau das sollte der 8. Mai aber sein. Es ist bezeichnend, dass es Monate braucht, um in der Kenia-Koalition Selbstverständlichkeiten zu beschließen und das Maximale, das Selbstverständliche festzuhalten, und zwar so, dass es keine Folgen hat. Das ist typisch Kenia-Koalition.

Wir lehnen diese Beschlussempfehlung ab und kämpfen weiterhin dafür, dass der 8. Mai Gedenk- und Feiertag wird. - Danke.

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 8. Mai 1945 ist zentraler Bezugspunkt deutscher und europäischer Erinnerungskultur. An diesem Tag wurden Deutschland und ganz Europa von der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten befreit. Ein menschenverachtendes System fand sein Ende. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden von den Nationalsozialisten in der Schoah ermordet. Der Nationalsozialismus hat einen Weltkrieg ausgelöst, der mehr als 70 Millionen Menschen das Leben kostete.

Nach 1945 wurde dem 8. Mai in der deutschen Erinnerungskultur lange Zeit keine große Beachtung geschenkt. Erst 40 Jahre später hat der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker - darauf ist heute schon Bezug genommen worden - die Bezeichnung „Tag der Befreiung“ für den 8. Mai 1945 eingeführt. Für einige ist es offensichtlich immer noch schwer zu ertragen, dass das ein Tag der Befreiung ist. Das ist heute hier

auch schon gesagt worden. Der Abg. Höse hatte für die AfD-Fraktion im Innenausschuss entsprechend vorgetragen.

Dieser Tag ist nicht nur bedeutsam, weil er das Ende der Nazidiktatur einläutete. Er hat auch den Weg für die heutige Demokratie bereitet, in der wir in Deutschland und in Sachsen-Anhalt leben dürfen. Die Erinnerung an das Grauen des Naziregimes und an die damaligen Schreckenstaten darf niemals in Vergessenheit geraten. Nur durch das Aufrechterhalten der Erinnerung an damaliges Unrecht in unserem kollektiven Gedächtnis können wir ähnliche Verhältnisse auch in Zukunft verhindern.

Gedenk-, Mahn- und Feiertage, die das Unheil des Dritten Reiches jedes Jahr wieder ins Gedächtnis rufen, sind ein bedeutender Aspekt der deutschen Erinnerungskultur. Den 8. Mai zum Gedenktag zu erklären hat deshalb die Unterstützung der Bündnisgrünen-Landtagsfraktion. Wir können uns diesem Anliegen durchaus anschließen. - Vielen herzlichen Dank.

(Zustimmung)

Für die Fraktion der CDU spricht jetzt der Abg. Herr Schulenburg. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Auch Deutschland wurde von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit. Die Erinnerung an diesen Tag der Befreiung ist Mahnung und Verpflichtung, für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte aktiv einzutreten.

Der 8. Mai 1945 hat als historische Zäsur eine besondere Stellung in Deutschland inne und ist ein Teil unserer Erinnerungskultur. Die Erinnerung an die Folgen totalitärer Regime muss auch in der heutigen und in der zukünftigen Generation verwurzelt sein. Das liegt in der Verantwortung von uns allen.

Wir dürfen jedoch bei der Würdigung der herausragenden Bedeutung des 8. Mai 1945 eines nicht vergessen. Anders als in Westdeutschland haben für viele Menschen in Ost- und Mitteldeutschland an diesem Tag nicht der Frieden, die Freiheit, die Zuversicht und die Freude Einzug gehalten. Ich bin hierauf bei der ersten Beratung umfassend eingegangen.

Erst 1989 erhielten die Menschen auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt die Chance, eine

Demokratie aufzubauen. Die besondere Bedeutung des 8. Mai haben wir in zwei Beratungen zum vorliegenden Antrag und in der Ausschussbefassung hinreichend verdeutlicht. Meine Fraktion wird sich nicht dafür einsetzen, dass für die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts der 8. Mai eines jeden Jahres ein staatlich anerkannter Feiertag werden muss, an dem die allgemeine Arbeitsruhe gilt.

Einen weiteren Feiertag werden wir, auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die wir aufgrund der Coronapandemie zu bewältigen haben, nicht rechtfertigen können.

Abschließend bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung der Koalitionsfraktionen und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Als Nächster macht sich der fraktionslose Abg. Herr Poggenburg bereit. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Wieder einmal haben wir das Thema zur Diskussion vorliegen, das eine ewige Forderung von links außen ist, nämlich den 8. Mai als Feiertag zu stilisieren - eine ewige Forderung.

Auf diese ewige Forderung kann man auch nur ewig erwidern: Ja, der 8. Mai war natürlich der Tag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Ja, der 8. Mai war natürlich der Tag des Endes der NSHerrschaft. Und ja, der 8. Mai war und ist damit natürlich auch für Millionen von Menschen ein Tag zur Freude und zur Feier. Das ist insoweit richtig.

Aber - das wird immer wieder vergessen - der 8. Mai ist und war eben auch für viele Millionen Menschen der Tag des Beginns unendlichen Leides, von Massenvergewaltigungen, von Zwangsvertreibungen und von Hunderttausenden Toten in alliierten Arbeits- und Zwangslagern. Auch das ist ein Teil des 8. Mai, das ist ein Teil der Geschichte.

In dem Sinne ist es perfide, immer wieder zu verlangen, diesen Tag als Feiertag zu stilisieren. Mahnung? - Ja. Gedenken? - Ja. Aber es ist doch kein Feiertag. Es ist unbegreiflich, warum das mantraartig wiederholt wird.

Deswegen finde ich es richtig und gut, dass man sich auf eine Beschlussempfehlung geeinigt hat, die im Grunde alles beinhaltet, was dort hineingehört, in der die richtigen Worte gefunden wurden und die sich eben nicht von links außen ideologisch vereinnahmen lässt. Deswegen gibt es ein ganz klares Ja und eine positive Resonanz zu der Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

Als Letzter in der Debatte spricht von der AfD der Abg. Herr Höse. Herr Höse, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Ja, natürlich muss man dieses Tages gedenken. Und ja, alle Menschen waren froh, als die Kampfhandlungen eingestellt wurden. Und auch ja, für nicht wenige in Europa war dieser Tag eine Befreiung und zu Recht ein Feiertag. Und ja, auch DIE LINKE und Herr Erben können selbstverständlich wie seit 75 Jahren diesen Tag feiern. Ich sage aber eindeutig Nein zu einem staatlich verordneten Feiertag für das gesamte deutsche Volk.

Kein Soldat der Welt feiert seine bedingungslose Kapitulation. Das taten weder die acht Millionen deutschen Soldaten, die während der Kapitulationsphase in Gefangenschaft gerieten, die für einige im Übrigen erst nach zehn oder mehr als zehn Jahren endete, noch die 1,5 Millionen Soldaten, die die Gefangenschaft gar nicht erst überlebten. Auch die 1,3 Millionen bis heute vermissten deutschen Soldaten feierten nicht.

Kein Volk der Welt feiert den völligen Zusammenbruch seines Landes. Weder feierten die 16 Millionen deutschen Heimatvertriebenen, die Grund und Boden und meistens auch Hab und Gut verloren, noch die mehr als zwei Millionen Menschen, die bei Flucht und Vertreibung den Tod fanden. Es feierten auch nicht die 900 000 Deportieren - meist Zivilpersonen aus den „befreiten“ Ostgebieten -, die als Reparation zur jahrelangen Zwangsarbeit in die SU verschleppt wurden und von denen fast die Hälfte die Heimat nicht wiedersah. So richtig Grund zum Feiern hatten auch die mindestens zwei Millionen von Winterkälte, Krankheiten, Hunger und Unterernährung betroffenen toten Deutschen nach dem Krieg nicht.

Sie werden es kaum glauben, auch die Internierten, die teilweise in ehemalige KZ und bis 1950 weiterführend in sowjetische Speziallager gesteckt wurden, von denen annähernd 100 000 diese Lager nicht mehr verließen, feierten nicht. Selbst den Mädchen und Frauen, die während oder nach ihrer „Befreiung“ die ca. zwei Millionen Vergewaltigungen durch Feindsoldaten über sich ergehen lassen mussten, selbst denen war nicht zum Feiern zumute.

Das sechste Staatsoberhaupt der BRD sagte unter anderem am 40. Jahrestag der Kapitulation: Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten; der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern.

Weiter sagte er: Als Deutsche gedenken wir in Trauer der eigenen Landsleute, die als Soldaten, bei den Fliegerangriffen in der Heimat, in Gefangenschaft und bei der Vertreibung ums Leben gekommen sind. Und: Die militärische Kapitulation war bedingungslos. Unser Schicksal lag in der Hand der Feinde. - So weit Herr Weizsäcker.

Meine Damen und Herren! Nach dem Ende der Kämpfe begann die Rache der Sieger. - Vielen Dank.

(Beifall)

Wir sind nunmehr am Ende der Debatte angelangt und kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport in der Drs. 7/6665. Wer ihr seine Zustimmung erteilt, bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und ein fraktionsloser Abgeordneter. Wer ist dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die AfD-Fraktion. Damit ist diese Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen worden. Damit beenden den Tagesordnungspunkt 18.