Protocol of the Session on October 14, 2020

Da sich der Bund und die Bundesländer alle im Rahmen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse zu bewegen haben, geben die Ergebnisse in den anderen Bundesländern auch maßgeblich Hinweise für Sachsen-Anhalt. Ich rate dazu, diese abzuwarten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es besteht kein Zeitdruck. Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung auch für das Jahr 2021 eine Notlage nach Artikel 109 Abs. 3 des Grundgesetzes annimmt, dürfte unstrittig sein, dass auch Sachsen-Anhalt im Jahr 2021 noch Notfallkredite aufnehmen und verausgaben dürfte. Der gesunde Menschenverstand spricht dafür, dass diese Kredite nur für Ausgabenprogramme genutzt werden dürfen, solange auch eine Kreditaufnahme nach Artikel 99 Abs. 3 Satz 3 der Landesverfassung zulässig wäre.

In jedem Fall brauchen wir aber für das Jahr 2020 kein frisches Geld. Der Nachtragshaushalt hat sich bisher als auskömmlich erwiesen. Sollte sich eine Aufnahme von Notfallkrediten, die bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag eingesetzt werden dürfen, wider Erwarten als rechtmäßig erweisen, dann könnten hierzu im Jahr 2021 eine neue Landesregierung und ein neuer Landtag mit entsprechender demokratischer Legitimation noch rechtzeitig beschließen.

Aus finanzpolitischer Sicht kann nur Zurückhaltung empfohlen werden. Denn auch die Tilgung zusätzlicher Kredite würde bis zum SanktNimmerleins-Tag dauern und damit - das ist natürlich der Hauptgrund der Sorge - die Handlungsmöglichkeiten kommender Generationen

einschließen.

Zwar liegt entgegen einer Annahme der antragstellenden Fraktion das Geld nicht auf der Straße, das Thema aber schon. Wir diskutieren es heute anhand des von der Fraktion DIE LINKE vorgeleg

ten Antrages und werden es noch substanziierter anhand der neuen Mipla diskutieren können, die der Finanzminister nach der Steuerschätzung aus dem November vorlegen wird.

Schon heute möchte ich Ihnen den Gedanken mit auf den Weg geben, dass wir auch ohne Corona strukturelle Anpassungsbedarfe im Landeshaushalt in Höhe von ca. 1 Milliarde € jährlich hätten. Wer glaubt, diese durch Notlagenkredite dauerhaft vermeiden zu können, der irrt. Wenn die Kredite aufgebraucht sind, dann wird der Anpassungsbedarf umso brutaler sein. Denn eines steht fest: Der Umstand, dass die Ausgabenwünsche der Fraktion DIE LINKE fortwährend größer als die Einnahmen des Landes sind, rechtfertigt keine Ausnahme von der im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankerten Schuldenbremse. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Herr Minister Webel. Vielen Dank auch für die Erinnerung daran, was am 14. Oktober 1990 gewesen ist. Deswegen haben wir ursprünglich den heutigen Tag als Termin für die Regierungserklärung gewählt. Vielen Dank noch einmal für die Erinnerung.

Wir steigen nunmehr in die Fünfminutendebatte ein. Der erste Debattenredner wird der Abg. Herr Erben seien. - Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich vertrete heute den Kollegen Dr. Schmidt und will zunächst vom Manuskript abweichen. Wo ist Herr Knöchel? - Dort hinten ist er; ich sehe ihn. - Ich habe schon den Eindruck gehabt, Sie standen hier vorn ein bisschen als gespaltene Persönlichkeit da.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Niemals!)

Auf der einen Seite

(Zuruf)

halten Sie der Koalition vor, was es für riesige Fehlbeträge und Handlungsbedarfe in der mittelfristigen Finanzplanung gibt.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Ja!)

Auf der anderen Seite fordern Sie hier eine Mischung aus „mehr Ausgaben“ und „mehr Kreditaufnahmen“. Ich kam bei Ihren Drehungen und Wendungen irgendwann nicht mehr so richtig mit, auch wenn ich durchaus versucht habe, Ihrem Redebeitrag zu folgen. Aber Sie haben ein paar Runden gedreht, die - glaube ich - für die Mehrheit des Hauses nicht nachvollziehbar waren. Denn Sie kleben offensichtlich auf all das, was Sie

fordern, das Label „gute Schulden“, und auf all das, was wir tun, das Label „schlechte Schulden“. Das ist Ihre Logik, die Sie hierbei offensichtlich haben.

An einer Stelle gehen unsere Ansichten nicht auseinander: dass es Handlungsbedarfe und den Bedarf an einem Nachtragshaushalt im Jahr 2021 gibt.

(Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

Das ist im Übrigen unstrittig. Herr Knöchel, Sie sind auch schon ein paar Jahre dabei. Ich glaube, nach jeder Landtagswahl hat es einen Nachtragshaushalt gegeben.

Ich kann mich - jedenfalls seit 2006 - nicht entsinnen, dass es nicht im Wahljahr auch einen Nachtragshaushalt gegeben hat - nicht nur wegen der Handlungsbedarfe, sondern natürlich auch deshalb, weil eine neue Koalition, eine neu zusammengesetzte Mehrheit natürlich auch neue, eigene politische Schwerpunkte setzt, die im Regelfall ja auch etwas mit Haushalt und Geld zu tun haben; das ist unstrittig. Aber den Nachtragshaushalt 2020 haben wir beschlossen und sind zurzeit dabei, das Geld entsprechend auszugeben.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

An dieser Stelle haben Sie recht.

(Starke Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich hätte, als wir im April diesen Haushalt beschlossen haben, auch nicht gedacht, dass wir im Oktober darüber diskutieren, wie wir die 500 Millionen € unter die Leute bekommen. Damals war eher die Diskussion: Reicht das denn wirklich in diesem Zusammenhang? Wir bedauern natürlich auch, dass beispielsweise bei den Krankenhausinvestitionen die entsprechenden Weichen noch nicht komplett gestellt wurden, was auch etwas mit einem gewissen Hin und Her sowie mit der Synchronisierung mit Förderprogrammen des Bundes zu tun hat.

Für 2021 werden wir einen Nachtragshaushalt benötigen, und unsere Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch. Wir haben es „Sachsen-Anhalt-Milliarde“ genannt, denn wir werden

(Zuruf: Mehr oder weniger?)

ganz kräftige Anstrengungen im Bereich der Krankenhausinvestitionen vornehmen müssen. Wir brauchen eine entsprechende Investitionskraft bei den Kommunen. Wir benötigen natürlich Investitionen in die landeseigene Infrastruktur. Dazu hätte sicher der in Vertretung hier vortragende Verkehrsminister viel sagen können. Wir brauchen natürlich auch Investitionen in Kindertagesstätten und Schulen, da, wo CO2-Einsparungen und Stark III nicht gegriffen haben,

(Zustimmung)

und wir brauchen natürlich eine besondere Fürsorge auch bei Investitionen im Bereich der Tourismuswirtschaft. Zu diesen Bereichen liegen die Vorschläge der Sozialdemokratie auf dem Tisch.

(Robert Farle, AfD: Aha!)

Ich möchte dies noch um die Frage einer Landesvorhaltung im Bereich des Bevölkerungsschutzes erweitern. Auch dort haben wir größeren Nachholbedarf. Daraus ergibt sich eben das Volumen von 1 Milliarde € für 2021/2022; und ich bezeichne das einmal als „Sachsen-Anhalt-Milliarde“. Das werden wir im kommenden Jahr zu beraten haben. Heute und hier werden wir aber nicht beschließen, unter welchen Bedingungen wir einen Nachtragshaushalt 2020 oder 2021 bestreiten werden.

Zum Schluss möchte ich etwas zu der Frage der gespaltenen Persönlichkeit sagen. Herr Knöchel, ich habe eben schon darauf hingewiesen: Sie sind schon eine Weile dabei und haben wahrscheinlich auch schon viele mittelfristige Finanzplanungen gesehen. Solange ich mittelfristige Finanzplanungen kenne, gab es immer den sogenannten noch vorhandenen Handlungsbedarf. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein Finanzminister in diesem Land eine mittelfristige Finanzplanung für den mittelfristigen Planungsbereich vorgelegt hat, bei der es nicht Handlungsbedarfe - und zwar in Milliardenhöhe - gab. Dabei ist es völlig egal, ob der Finanzminister Paqué, Bullerjahn, Schröder oder Richter hieß. - Jetzt musste ich erst einmal darüber nachdenken, ob ich die Reihenfolge vollständig erfasst habe.

Sehr geehrter Herr Erben, ich würde Ihnen gern mehr Zeit geben; aber die Ihnen zustehende Redezeit ist bereits beendet.

Das ist immer so gewesen. Dass Sie sich darüber aufregen, ist verwunderlich. - Herzlichen Dank.

Es tut mir leid, aber das ist nun mal so. Wortmeldungen habe ich auch nicht vernehmen können, sonst hätten Sie eventuell noch etwas länger sprechen können; aber das ist nicht der Fall. - Wir kommen nunmehr zum nächsten Debattenredner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. - Herr Farle. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „5 Milliarden € Fehlbetrag bis

2025 - Ein Nachtragshaushalt ist das Gebot der Stunde!“ - einen solchen Antrag hat DIE LINKE heute eingebracht. Es geht aber nur vordergründig um die Aufstellung eines zweiten Nachtragshaushalts; vielmehr geht es um eine grundsätzliche finanzpolitische Frage, die der langjährige Bürgermeister von Stuttgart Manfred Rommel in folgenden Worten zusammengefasst hat - ich zitiere -:

„Finanzpolitik ist die Auseinandersetzung zwischen jenen Leuten, die eine Mark haben und zwei ausgeben wollen, und den anderen, die wissen, dass das nicht geht.“

Zu den Leuten, die wissen, dass das nicht geht, gehören auch wir. Zu den Leuten, die das aber nie begreifen werden, gehört DIE LINKE. Der Antrag formuliert mehrere Forderungen, von denen ich nur auf drei eingehe.

Zunächst die Aufstellung eines Nachtragshaushalts, um die Steuerminderungen in den Jahren 2020/2021 und krisenbedingte Mehrbedarfe auszugleichen. Laut September-Steuerschätzung betragen die Steuerminderungen für beide Jahre zusammen 1,6 Milliarden €. Der bisherige Nachtragshaushalt der Landesregierung von März umfasste eine Kreditaufnahme von 258,8 Millionen € und die vollständige Leerung aller Reserven, zusammen also 500 Millionen €. Die ursprüngliche Steuerschätzung von Oktober 2019, auf die sich die aktuelle mittelfristige Finanzplanung des Landes Sachsen-Anhalt bezieht, ist in einem Rekordjahr entstanden, und schon damals haben wir bezweifelt, dass diese hohe Steuerschätzung so eintreffen wird. Insofern ist der Fakt richtig: 1,6 Milliarden € fehlen.

Allerdings: Die dritte Forderung knüpft dann an die erste an. Hier geht es um die Jahre 2022 bis 2024, und hier ist nicht mehr von Steuerausfällen die Rede, sondern von Fehlbeträgen, denn ab 2022 schlägt das strukturelle Defizit in SachsenAnhalt voll zu Buche. Dieses kann nicht mehr, wie im Doppelhaushalt, über die Plünderung der Reserven ausgeglichen werden.

Die mittelfristige Finanzplanung aus dem Jahr 2019 weist für 2022/2023 eine Deckungslücke von jeweils rund 1 Milliarde € aus. Ich sage ganz bewusst: 1,5 Milliarden, damit auch die Kommunen auskömmlich finanziert werden.

Grundsätzlich geht es der LINKEN lediglich darum, die Finanzpolitik nicht mehr an den Einnahmen, sondern an den Ausgabewünschen auszurichten und die Differenzbeträge per Verschuldung aufzubringen.

Die AfD-Fraktion hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass das Land und die Kommunen unterfinanziert sind, und das ist das eigentliche Problem, das wir haben. 1 bis 1,5 Milliarden € fehlen

uns jährlich - jährlich! -, doch diese Einnahmen dürfen nicht durch Gelddrucken ausgeglichen werden, sondern müssen das Ergebnis einer Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sein. Das ist der Kern unserer eigentlichen Finanzmisere.

Dazu kommt, dass das Land und die Kommunen im LSA in den letzten fünf Jahren 1,8 Milliarden € für die illegale Massenzuwanderung ausgegeben haben. Hier und an vielen weiteren Stellen des Haushalts besteht noch einiges Einsparpotenzial.

Der Antrag der LINKEN lenkt also von den tatsächlichen Problemen in unserem Land ab, insbesondere vom Versagen der Berliner großen Koalition und deren Haushaltspolitik zulasten der einheimischen Bevölkerung. Es ist traurig, aber wahr: DIE LINKE ist zum Wasserträger der etablierten Parteien geworden, auch wenn sie so tut, als wäre sie eine Opposition.

In diesem Parlament vertritt allein die AfD die Interessen der arbeitenden Menschen, der Leistungsträger und des Mittelstands, und wir sagen klar, woher das Geld kommen muss, um unseren Haushalt zu sanieren. Wir wollen nicht 70 Milliarden in Wiederaufbauprogramme in Italien investieren, damit sie dort ihre Steuern senken und viel früher in Rente gehen können als unsere Menschen. Wir wollen auch nicht 40 % Steigerung der Mittel im EU-Haushalt, damit diese Mittel zu unseren Lasten umverteilt werden.