Protocol of the Session on September 10, 2020

Es gibt weitere Wortmeldungen, Frau Abgeordnete, Herr Abg. Krull und dann Abg. Frau Dr. Pähle. - Bitte, Herr Krull.

Sehr geschätzte Frau Kollegin, ich möchte kurz mit der Legendenbildung hier aufräumen, dass die CDU immer dagegen war.

(Zurufe)

Es geht uns darum - das haben wir immer sehr deutlich gemacht -:

(Weitere Zurufe)

Als diese Vorschläge kamen, hatten wir Diskussionsbedarf angemeldet. Ja, wir hatten eine Position. Aber wir hätten es uns ganz einfach machen können, indem wir vor der Kommunalwahl sagen, wir seien jetzt plötzlich auch für die Abschaffung.

(Zurufe)

Wir haben uns sehr genau überlegt, wie wir damit umgehen, wie wir eine Gegenfinanzierung hinbekommen. Das ist vielleicht der Unterschied: Wenn man in Regierungsverantwortung ist,

(Zurufe)

dann überlegt man auch die Konsequenzen, bevor man irgendwelche finanzielle Forderungen einfach in den Raum wirft. - Dies war jetzt nur eine Kurzintervention und keine Frage. Bei der Frage hätte ich ja gleich auch stehen bleiben müssen. Es war also nur ein kurzer Hinweis, dass ich mich gegen diese Legendenbildung zur Wehr setzen möchte.

Sehr geehrter Herr Krull, dann haben Sie nicht richtig aufgepasst. Bei einer Kurzintervention stellt man sich hin und wartet am Mikrofon und umgekehrt bleibt man sitzen.

(Tobias Krull, CDU: Ich lerne dazu! Beim nächsten Mal stelle ich mich hier gleich hin!)

- Sie lernen dazu. Ich hoffe deshalb, dass das beim nächsten Mal vielleicht besser sitzt. - Wir haben jetzt weitere Wortmeldungen. - Frau Dr. Pähle, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Eisenreich, wir haben jetzt gemeinsam festgestellt, dass sich der Zeitraum, in dem Kommunen entscheiden, ob sie die Beiträge noch erheben, auf die Jahre 2017, 2018 und 2019 erstreckt.

Ich frage Sie jetzt, ob Sie tatsächlich der Meinung sind, dass man sich, wenn die Kommunen durch eine Änderung im Kommunalverfassungsgesetz nicht gezwungen sind, die Beiträge zu erheben - denn das sieht unser Gesetzentwurf vor -, dann tatsächlich in den Gemeinderäten, in denen, glaube ich, auch Ihre Partei häufig mit vielen Mitgliedern vertreten ist, für die Erhebung der Beiträge entscheidet, wenn stattdessen der Stadtrat, der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin zu ihrem Gemeinderat gehen und sagen könnten, dass man darauf auch verzichten könnte, es sei denn, man beschließt, dass der Hauptverwaltungsbeam

te der Kommune das Geld erheben soll. Glauben Sie, dass diese Entscheidungen in den Gemeinderäten tatsächlich so getroffen werden?

Frau Eisenreich, bitte.

Ich hoffe, dass sie nicht so getroffen werden; das ist richtig.

Wenn Sie auf die kommunalen Mandatsträger der LINKEN abstellen, dann sage ich Ihnen auch, dass die Mehrheitsverhältnisse in Gemeinde- und Stadträten doch wohl so sind, dass DIE LINKE vielleicht nicht die entscheidenden Stimmen hat. Ich hoffe, dass alle dort demokratisch vertretenen Parteien diese Entscheidung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger treffen. Es bleibt aber eine Hoffnung. Rechtlich besteht ja noch eine andere Möglichkeit.

Frau Dr. Pähle, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte.

Mit anderen Worten, Frau Eisenreich, haben Sie die Sorge, dass sich die Mitglieder der Gemeinderäte, die viel dichter an den Menschen dran sind - wir alle singen hier immer ein Hohelied auf die Kommunalpolitik -, dafür entscheiden, den Bürgerinnen und Bürgern Beiträge aufzuerlegen, obwohl sie durch die Kommunalverfassung nicht mehr dazu verpflichtet sein werden und wir mit dem Gesetzentwurf dafür sorgen wollen, dass die Kommunalaufsicht die Gemeinde nicht dazu verpflichten kann. Das unterstellen Sie jetzt den gewählten Gemeinderäten anderer demokratischer Parteien. Ich glaube, ganz ehrlich, dass das schon ein ziemlich starkes Stück ist. - Vielen Dank.

(Zuruf)

Frau Eisenreich, Sie können natürlich - -

(Unruhe)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es wurde gerade eine Frage an die Abg. Frau Eisenreich gerichtet. Geben Sie ihr doch die Möglichkeit, darauf zu erwidern, und nehmen Sie ihr nicht die Chance dazu. - Sie haben jetzt die Möglichkeit, Frau Eisenreich.

Genau die Einwände, die auch schon aus dem Plenum kamen, sind durchaus berechtigt. Es geht

ja nicht nur isoliert um die Betrachtung dieser Beiträge, sondern es geht auch um die Betrachtung der Gesamtsituation. Wenn die Gemeinderäte zwischen dem Neubau bzw. der Sanierung einer Schule oder einem Schwimmbad auf der einen und den Straßenausbaubeiträgen auf der anderen Seite zu entscheiden haben, dann betrifft das immer auch Bürgerinteressen. Eine solche Entscheidung fällt einem natürlich immer schwer. Darauf möchte ich einfach hinweisen. Ich habe nicht gesagt, dass das so passieren wird. Ich habe nur auf eine reelle Gefahr verwiesen.

(Zustimmung - Zurufe)

Es gibt noch eine Wortmeldung von Herrn Dr. Schmidt. - Bitte, Herr Dr. Schmidt, Sie haben jetzt die Möglichkeit.

(Zuruf)

- Herr Lippmann, Sie haben sich gar nicht zu Wort gemeldet.

Liebe Kollegin Eisenreich! In einer Welt, in der wir doch alle - -

(Unruhe)

Einen kleinen Moment bitte, Herr Dr. Schmidt. - Ich bitte darum, den Fragesteller jetzt seine Frage stellen zu lassen.

In einer Welt, in der wir doch alle ehrliche Politiker sein wollen, frage ich Sie: Halten Sie es für einen Beitrag zu ehrlicher Politik, wenn Straßenausbaubeiträge, die schon auf dem Weg zur Erhebung waren und die Leute schon in den Jahren 2015 und 2016 in Bürgerversammlungen gesagt bekommen haben, dass ihre Straße ausgebaut werden soll, was ungefähr soundsoviel kosten wird, dann doch nicht erhoben werden? Die Leute wussten dann doch schon lange, dass sie dafür Beiträge bezahlen müssen. Und sie hätten diese Beiträge auch bezahlen müssen, wenn dieser Gesetzentwurf jetzt nicht in den Landtag käme.

Sie sagen nun aber, bei einer nachträglichen Spielregeländerung für die Zeit ab 2020 müssten auch die, die schon lange wussten, dass sie etwas bezahlen müssen, in den Garten der Freiheit entlassen werden. Sie meinen, es ist ungerecht, wenn das jetzt im Prinzip nur im Wege einer Kannregelung passiert, für die das Land die Kosten nicht ersetzt, weil eigentlich alle hätten freigestellt werden müssen. Ich frage Sie: Ist das nicht ein bisschen unehrlich?

Man könnte doch dann auch die Jahre 2014 und früher betrachten, für die es schon Schlussrechnungen gab. Die Leute hätten doch auch profitieren können, wenn man nur rechtzeitig mit dem Gesetzentwurf in den Landtag gekommen wäre. Finden Sie es nicht unehrlich, nun im Nachhinein zu sagen, dass von diesem Gesetz jetzt auch alle, die schon lange wussten, dass sie bezahlen mussten, erfasst werden sollen?

Frau Eisenreich, bitte.

Das habe ich nicht gesagt. Das war nicht meine Forderung. Das kann ich Ihnen dazu sagen.

(Zustimmung)

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Wir kommen zum nächsten Redner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Meister. Sie haben jetzt das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute sprechen wir über die Volksinitiative „Faire Straße“. Dem Parlament liegt zugleich auch die Lösung des von der Volksinitiative angesprochenen Problems vor. Wie vor der Sommerpause angekündigt, liegt Ihnen auch der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zur ersten Lesung vor. Natürlich ist es so, dass dieser Gesetzentwurf eine Reaktion auf die Proteste der Bürgerinitiativen und auf deren langjährige Arbeit ist. Genau so funktioniert das.

Die Zukunft der Straßenausbaubeiträge hat die Landespolitik in den vergangenen Jahren stark beschäftigt. Ende 2019 kam es in der Koalition zu einer grundsätzlichen Verständigung über deren Abschaffung. Schon im Doppelhaushalt

2020/2021 wurde dies finanziell vorbereitet.

Wieso gehen wir, wieso geht die Koalition diesen Weg und gibt ein eingeführtes Finanzierungsinstrument auf? - Den Straßenausbaubeiträgen fehlt etwas in einer Demokratie auf Dauer Unabdingbares: die gesellschaftliche Akzeptanz. Dabei geht es nicht darum, ob eine Maßnahme beliebt ist. Unser komplettes Steuersystem erfreut sich in der Bevölkerung nur geringer Begeisterung. Aber letztlich wissen alle, dass man einen handlungsfähigen Staat auch über Steuern finanzieren muss.

Das Problem bei den Straßenausbaubeiträgen ist nicht die fehlende Beliebtheit, sondern die Tat

sache, dass die Menschen den Sinn der Erhebung nicht mehr verstehen und die Gerechtigkeit der Erhebung bezweifeln. Dafür gibt es mehrere Ursachen.

Die historische Idee war, dass ein mit dem Ausbau entstehender Vorteil auch dem betroffenen Grundstück zugutekommt und dementsprechend eine Beitragserhebung erfolgen kann, was für die Betroffenen leicht zu verstehen ist. Während das beim Straßenneubau bis heute verständlich ist, ist der Vorteil des Ausbaus heute überwiegend nicht erlebbar. Die Floskel vom Vorteil wurde als inhaltsleer verstanden und war es in der Praxis auch.

Während der Staat sonst in der Daseinsvorsorge und Infrastruktur stark engagiert ist, war er es plötzlich nicht, wenn es um die eigene Straße der Betroffenen vor dem eigenen Haus ging, sondern schickte zum Teil überraschend hohe, im Einzelfall existenzbedrohend wirkende Kostenbescheide. Es war egal, ob die Menschen den Ausbau für nötig hielten oder ob sie Art, Umfang oder Zeitpunkt für sinnvoll erachteten. Die Rechnung kam, ohne dass wirklich ein Einfluss bestand.

Zugleich kam die Frage auf, ob die komplizierte Erhebung tatsächlich wirtschaftlich ist, wenn doch große Teile der eingenommen Beträge für das Erhebungsverfahren selbst draufgingen. Es wurde vorhin das Beispiel Halle genannte und es wurde gesagt, dass dort eigentlich Miese damit gemacht wurden. Bei uns in der Diskussion kam ein bisschen die Frage auf, ob Halle jetzt aufgrund der Konnexität etwas an den Landeshaushalt abführen muss. - Aber nein, das wollten wir nicht umsetzen.

(Zurufe)