Protocol of the Session on September 10, 2020

(Beifall)

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Danke. - Deswegen können wir in der Debatte der Fraktionen fortfahren. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abg. Herr Meister das Wort. Bitte, Herr Meister.

Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Tatsächlich besteht, wie im Antrag der LINKEN dargelegt, eine große Verunsicherung hinsichtlich der Verkehrssicherungspflichten für öffentliche Badestellen. Der BGH hat im Jahr 2017 über die Folgen eines tragischen Badeunfalls eines Kindes entschieden und festgestellt, dass dann, wenn Anlagen am Badestrand stehen, eine Schwimmaufsicht den Badebetrieb zu überwachen hat. Die unterinstanzliche Rechtsprechung folgt dem. Dass ein als harmlos empfundener Steg demnach eine Schwimmaufsicht erfordert bzw. widrigenfalls ehrenamtliche Kommunalpolitiker in die persönliche Haftung geraten, führt zu großen Unsicherheiten.

Schleswig-Holstein hat mit einem eigenen Gesetz reagiert. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Überlegungen dazu, wie wir reagieren können bzw. müssen. Seitens meiner Fraktion gab es eine vorbereitende Kleine Anfrage - Frau Buchheim hat sie erwähnt - und daraus folgend aktuell eine Prüfungsbitte zu mehreren Fragestellungen an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Das läuft noch. Ich weiß auch von Überlegungen im MI, im MULE und auch in der CDU-Fraktion, die diese Themen betreffen.

Wir wurden von außen angesprochen; das kennen Sie ja. Der Vorsitzende des Umweltausschusses der Stadt Schkopau und der Bürgermeister von Klietz waren diejenigen, die das in jüngerer Zeit ansprachen.

Die spannende und noch offene Frage ist, ob es einer landesgesetzlichen Regelung bedarf und was sie leisten kann. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Einfügen der Formulierung „auf eigene Gefahr“ in das Gesetz als weiße Salbe charakterisiert wird. Das hat also keine Auswirkungen auf die Rechtslage.

Welche praktische Wirkung hat zum Beispiel die schleswig-holsteinische Regelung? Wir müssen dabei auch die Gratwanderung absolvieren, die Sicherheit der Badenden im Blick zu haben, aber zugleich auch den kommunal Verantwortlichen einen klaren und handhabbaren Rechtsrahmen an die Hand zu geben.

Die Prüfungen sind also im Gange. Insofern scheint es sinnvoll, den Antrag in den Innenausschuss zu überweisen und dort dann zu einer insgesamt tragfähigen Lösung zu kommen. - Vielen Dank.

(Zustimmung)

Dann können wir in der Debatte fortfahren. Für die CDU-Fraktion kann sich Herr Schulenburg schon auf den Weg machen. - Herr Schulenburg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! In den Sommermonaten ist der Sprung in die vielen natürlichen und öffentlich zugänglichen Badestellen in unserem Land eine willkommene Abkühlung. Die Bürger unseres Landes erwarten natürlich auch, dass Badestellen zum Schwimmen und Baden genutzt werden können. Dies war leider in diesem Sommer nicht überall uneingeschränkt möglich, so etwa in Klietz oder Kamern. Grund hierfür ist das zitierte Urteil des BGH aus dem Jahr 2017 zu einem tödlichen Badeunfall in Hessen, das bei vielen Bürgermeistern zu großer Verunsicherung dahin gehend geführt hat, ob ihnen nun für alle Badestellen Aufsichtspflichten obliegen und wie diese daher zu sichern sind. Die Folge dieser Verunsicherung war, dass Badestellen - zum großen Ärger der Bürger - einfach abgesperrt oder geräumt worden sind.

Grundsätzlich müssen wir zunächst feststellen, dass das Urteil keine Änderungen bezüglich der haftungsrechtlich relevanten Verkehrssicherungspflichten bei ohne Badeaufsicht betriebenen Badestellen mit sich gebracht hat. Das Urteil bezieht sich lediglich auf Verhaltenspflichten von zur

Schwimmbadaufsicht eingesetzten Personen. Es trifft jedenfalls keine Festlegung, ob und wann bei einem natürlichen Gewässer eine Badeaufsicht erforderlich ist.

Es ist auch nicht richtig, dass die Bürgermeister im Land alleingelassen werden. Der Städte- und Gemeindebund hat die Kommunen im Frühjahr umfassend informiert, wahrscheinlich aber nicht zu deren Zufriedenheit. Es wurden Hinweise zum Umgang mit Verkehrssicherungspflichten an

Badeseen und Naturbädern gegeben.

Es sollte uns gelingen, gemeinsam durch eine gute und ausgewogene Regelungskonzeption mehr Rechtssicherheit für die kommunale Familie zu schaffen.

Ob aber ein Badesicherheitsgesetz Sachsen-Anhalt nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins tatsächlich die richtige Lösung wäre, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Vor allem werden dann konkrete Festlegungen dazu getroffen, wann eine Badestelle betrieben wird, was zur Einrichtung einer Badinfrastruktur gehört und welche Anforderungen sich daraus an die Badeaufsicht und die erforderlichen Sicherheits- und Rettungsvorkehrungen ergeben. Darüber hinaus ist klar zu regeln, wann eine Badeaufsicht erforderlich ist und wann nicht.

Ziel muss es sein, dass im nächsten Sommer in allen Kommunen die Badestellen wieder ungehindert genutzt werden können. Es darf aber nicht passieren, dass wir mit einem juristischen Schnellschuss die Situation verschlimmbessern. Wie gesagt, meine Fraktion wird sich nicht davor verschließen, eine praxistaugliche Lösung für unsere Gemeinden zu finden.

Abschließend bitte ich um Ihre Zustimmung zur Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Inneres und Sport für eine weitere Beratung, in die wir die kommunalen Spitzenverbände gerne eng einbeziehen können. - Herzlichen Dank.

(Beifall)

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Deswegen kann jetzt Frau Buchheim, wenn sie das möchte, abschließend in der Debatte noch einmal das Wort bekommen. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Ich bin froh, dass wir die Debatte angestoßen haben und dass schlussendlich aus allen Fraktionen das Signal kam, dass insoweit Handlungsbedarf besteht.

Ich denke, dass wir nach der Überweisung in den Innenausschuss dort gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden eine entsprechende Lö

sung finden werden. Egal wie sie aussieht: Wichtig ist, dass eine Lösung gefunden wird und wir für Rechtssicherheit sorgen. Wir müssen den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern letztlich die Angst vor der Haftung nehmen und damit auch dafür sorgen, dass die Badeseen im nächsten Jahr wieder uneingeschränkt nutzbar sind und sich alle im rechtssicheren Rahmen bewegen. Ich freue mich auf die Diskussionen. - Danke.

(Zustimmung)

Gut. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. - Es gibt den Wunsch auf Überweisung des Antrages in den Innenausschuss. Ich habe kein Begehren auf Überweisung des Antrages zur Mitberatung in andere Ausschüsse wahrgenommen. - Dazu meldet sich niemand.

Insofern stelle ich die genannte Überweisung jetzt zur Abstimmung. Wer dafür ist, den Antrag in der Drs. 7/6535 in den Innenausschuss zu überweisen, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Dies ist nicht der Fall. Somit ist die Überweisung einstimmig beschlossen worden.

Damit können wir TOP 24 beenden und kommen zu

Tagesordnungspunkt 25

Erste Beratung

Studie zu Racial Profiling durch die Polizeien von Bund und Ländern

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6534

Einbringerin ist die Abg. Frau Quade. Frau Quade hat sich schon auf den Weg gemacht. Sie hat nunmehr das Wort. - Bitte, Frau Quade.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wie kann ich mich wehren, wie kann ich Betroffenen helfen? Seit Jahren gibt es unter solchen und ähnlichen Titeln Broschüren, Flyer und Seiten, die Hinweise geben, was Betroffene sowie Zeuginnen und Zeugen tun können, wenn sie Racial Profiling erleben. Denn das Problem gibt es schon immer. Insbesondere für schwarze Menschen gehört es zur Realität, häufiger Kontrollen durch die Polizei ausgesetzt zu sein als Menschen mit weißer Hautfarbe, so auch in Sachsen-Anhalt. Das ist eine Realität, die dieser Landtag, dem keine einzige schwarze Person angehört, zur Kenntnis nehmen muss.

Die Auseinandersetzung mit rassistischen Polizeikontrollen und diskriminierenden polizeilichen

Maßnahmen mag für manche Weiße erst mit der Black-Lives-Matter-Bewegung begonnen haben. Die Betroffenen müssen sich damit Zeit ihres Lebens auseinandersetzen - nicht abstrakt, wie wir dies tun, sondern weil sie diese Kontrollen erleben. Deswegen haben sich die Black-LivesMatter-Proteste in Deutschland auch nie nur gegen die Ermordung von George Floyd und gegen rassistische Polizeigewalt in den USA gerichtet, sondern auch gegen die Zustände in der Bundesrepublik. Wer versucht, der Bewegung vorzuhalten, sie übertrage fälschlicherweise eine Kritik, die eben nur in den USA berechtigt sei, auf die hiesigen Zustände, der nimmt die Tatsachen nicht zur Kenntnis oder verdreht sie schlicht und einfach. Wir werden morgen über Oury Jalloh reden.

Ich will an dieser Stelle nur ein Beispiel aus Halle nennen, bevor ich den Antrag grundsätzlich begründe. Im Jahr 2016 haben mich wie auch zahlreiche andere Menschen Berichte erreicht, in denen Zeuginnen und Zeugen, aber auch einzelne Betroffene geschildert haben, dass die Polizei in Halle im Bereich des Riebeckplatzes und der Leipziger Straße augenscheinlich vor allem

schwarze Menschen kontrolliert.

(Zuruf)

Es lagen auch Berichte darüber vor, dass schwarze Menschen gezwungen wurden, sich auf offener Straße bis auf die Unterwäsche zu entkleiden - ohne irgendeinen Sichtschutz. Das Gebiet war als sogenannter gefährlicher Ort eingestuft worden, eine ohnehin problematische rechtliche Konstruktion im SOG des Landes. Mehrmals haben ich und andere uns stichprobenartig für einige Stunden die Kontrollen an den eben erwähnten Orten angeschaut. Und ja, dabei konnte auch ich selbst beobachten, dass die Polizeikräfte weiße Menschen nicht ansatzweise so häufig kontrollieren wie schwarze. Auf Nachfrage antwortete damals einer der Beamten: Dass die Afrikaner mit Drogen handeln, ist ja allgemein bekannt.

(Zurufe: Das stimmt! - So ein Schwachsinn! - Das stimmt natürlich nicht! - Weitere Zuru- fe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Racial Profiling - wir geben in der Begründung unseres Antrages eine kurze Definition des Begriffs gemäß dem Deutschen Institut für Menschenrechte wider - bezeichnet polizeiliche Maßnahmen, bei denen die Polizei in unzulässiger Weise auf physische Merkmale abstellt - Merkmale wie Hautfarbe, Sprache, tatsächliche oder vermeintliche Herkunft sowie Religionszugehörigkeit der Person, die von der Maßnahme betroffen ist.

Die Rechtslage ist so klar, wie sie nur sein kann. Niemand darf nur aufgrund etwa seiner Hautfarbe einer staatlichen Maßnahme ausgesetzt sein. Das

Diskriminierungsverbot gemäß Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes, Artikel 7 Abs. 3 der Landesverfassung, Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Artikel 2 und 26 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, welches die Bundesrepublik natürlich ratifiziert hat - all diese Artikel und Übereinkommen verbieten eine Diskriminierung. Gleichwohl findet sie tagtäglich statt.

(Zuruf)

Solche diskriminierenden Maßnahmen durch die Polizeien von Bund und Ländern verletzen die Betroffenen in ihren Rechten. Sie greifen ihre Menschenwürde an und stellen die Zugehörigkeit der Betroffenen zu dieser Gesellschaft infrage, indem die Betroffenen Maßnahmen ausgesetzt werden, denen Angehörige der gesellschaftlichen Mehrheit in dieser Weise nicht ausgesetzt sind. Das ist der Kern von Diskriminierung.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass Menschen, die von diskriminierenden Maßnahmen wie Racial Profiling betroffen sind, die Polizei eher als Bedrohung erleben und wahrnehmen. In Halle schilderten schwarze Menschen, wie sie nahezu täglich Polizeikontrollen ausgesetzt waren, einfach nur, weil ihr Arbeitsweg über den Riebeckplatz führte. Sie wurden jedes Mal von den Polizeikräften kontrolliert, während an ihnen lauter weiße Menschen vorbeiliefen, die nicht ebenso anlasslos kontrolliert wurden.

Die Bundesrepublik und die Länder hätten seit Jahren auf die Betroffenen hören und ihre Berichte ernst nehmen müssen, was zwingend zu der Frage hätte führen müssen, wie rassistische Diskriminierung durch die Sicherheits- und Ordnungsbehörden verhindert werden kann. Sie hätten auch die Berichte ernst nehmen müssen, die internationale Organisationen vorgelegt haben. Schon im Jahr 2010 forderte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte die Mitgliedstaaten der EU dazu auf, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Im Jahr 2015 schrieb der damalige Menschenrechtskommissar des Europarates in seinem Länderbericht zu Deutschland - ich zitiere -:

„Der Menschenrechtskommissar zeigt sich besorgt über Berichte über rassistisch motiviertes Verhalten seitens deutscher Strafverfolgungsorgane und insbesondere Racial-Profiling-Praktiken bei der deutschen Polizei […].“

Im Jahr 2017 stellte eine Expertengruppe der Vereinten Nationen, die für die Erarbeitung eines Berichts auch in Dessau, also hier in Sachsen-Anhalt war, fest, dass Menschen afrikanischer Ab

stammung in Deutschland jeden Tag Opfer von Racial Profiling werden. Im Jahr 2019 legte die vom Europarat ins Leben gerufene Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz - ECRI - einen Bericht vor, in dem sie folgenden Hinweis gibt, den ich zitieren möchte: