Protocol of the Session on July 9, 2020

Zwei Maßnahmen sind mir bisher bekannt, zum einen das Programm „Wohnraum herrichten“ und zum anderen das allbewährte Aufzugsprogramm. Beide Förderprogramme sind zwar wichtig, lösen aber das eingangs von mir beschriebene Problem überhaupt nicht.

Das Aufzugsprogramm, so positiv es auch zu bewerten ist, weil es die Barrierefreiheit in mehrgeschossigen Häusern herstellt, ist aber auch die Ursache dafür, dass sich die Miete für die betroffenen Haushalte erhöht. Das ist besorgniserregend für Rentnerinnen, die mit einer geringen Rente zurechtkommen müssen.

Wenn ich mir die zukünftige Rentenentwicklung in Sachsen-Anhalt anschaue, dann stelle ich fest, dass wir auf eine wachsende Altersarmut zusteuern. Und das, sehr geehrte Damen und Herren, müssen wir verhindern; denn Wohnen ist ein soziales Grundrecht, es muss für alle bezahlbar bleiben und darf auch nicht mehr als 30 % des Nettohaushaltseinkommens kosten.

(Beifall)

Anstatt immer mehr Eigentumsbildung zu fördern und die Förderung von Sozialwohnungen zu verringern, braucht es ein öffentliches Programm. Deshalb möchten wir mit unserem An

trag einen ersten Schritt in die richtige Richtung vornehmen.

(Zuruf: Mit dem Antrag?)

Wenn wir jetzt nicht aktiv werden, verlieren wir im Jahr 2020 Zuweisungen des Bundes in Höhe von knapp 30 Millionen €, da die Mittel für den sozialen Wohnungsbau nur noch zweckgebunden verausgabt werden dürfen. Das kann und darf sich Sachsen-Anhalt überhaupt nicht leisten. Deshalb fordern wir, dass die Förderung nur noch für die sozial orientierte Wohnraumschaffung und -ertüchtigung erfolgt. Wir unterstützen die Wohnungsunternehmen bei der Schaffung von guten und bezahlbaren Wohnungen.

Wir fördern die Sanierung und Modernisierung im Bestand. Wir fordern die Erprobung eines landesweiten Mietpreisdeckels auf KdU-Niveau für Geringverdienende, genau wie es in Halle schon praktiziert wird.

Fazit: Steigende Mieten, die insbesondere die unteren Einkommensgruppen betreffen, Alleinerziehende, Familien mit Kindern, Rentnerinnen, Studierende und Migrantinnen, die zu Zwangsumzügen und Verdrängungen führen, müssen endlich der Vergangenheit angehören.

Neubauten in besseren Wohnlagen sind mit strikten Auflagen für einen Anteil von Sozialwohnungen zu versehen.

Städtebau- und Wohnraumförderung müssen sozialverträglich, nachhaltig und gerecht erfolgen und dürfen keine Verdrängung und Gettoisierung durch Sanierung und Aufwertung in den Wohnvierteln fördern.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass Sachsen-Anhalt hierbei die rote Laterne abgibt. Wir als LINKE sagen klar, ob Miete oder Eigenheim, Wohnen muss bezahlbar sein. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Hohmann für die Einbringung des Antrags. - In der Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Minister Herr Webel. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Hohmann, Sie sind nicht im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr. All diejenigen, die darin vertreten sind, wissen, dass

gerade die Wohnraumförderung in Sachsen-Anhalt gut aufgestellt ist.

Herr Präsident, ich bitte um Verständnis, ich werde die Redezeit von drei Minuten überziehen müssen - das darf ich als Mitglied der Landesregierung -, um hier einmal allen darlegen zu können, was Sachsen-Anhalt insbesondere für die Wohnraumförderung seit dem Jahr 2011 auf den Weg gebracht hat.

(Zuruf: Dann mal los!)

Die Wohnraumförderung des Landes entspricht dem Koalitionsauftrag. Bereits seit dem Jahr 2011 wird mit dem Programm „Sachsen-Anhalt modern“ die energetische Sanierung und der altersgerechte Umbau von Wohnungen und Wohngebäuden gefördert.

Die Förderung erfolgt mittels Darlehen als nachrangige Förderung ohne Belegungs- und Mietpreisbindung. Die Finanzierung erfolgt aus dem Wohnraumförderfonds. Durch die Darlehensrückflüsse wird zumindest zum Teil der Bestand des Fonds abgesichert.

Die Wohneigentumsförderung erfolgt nach definierten Einkommensgrenzen ausschließlich im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung mittels Darlehen und Kinderzuschüssen.

Seit dem Jahr 2016 erfolgt die Gewährung von Zuschüssen zur Herrichtung leer stehender und teilweise leer stehender Wohngebäude durch Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Die Förderung ist mit einer Mietpreis- und Belegungsbindung verbunden.

Im August 2017 startete das Programm zur Herstellung des barrierereduzierten Zugangs zu Wohngebäuden und Wohnungen, das sogenannte Aufzugsprogramm. Genutzt wird es hauptsächlich zur Nachrüstung oder Verbesserung von Aufzugsanlagen. Die Förderung ist mit einer Mietpreisbindung verbunden. Es ist ein Erfolgsprogramm.

(Zustimmung)

Mit Stand vom 31. März 2020 hat sich für mehr als 10 000 Wohnungen der Zugang verbessert. Ich denke, wenn man Wohnungen barrierefrei erreichen kann, dann ist das insbesondere für ältere Menschen, aber auch für jüngere Menschen eine große Erleichterung.

Ich denke, wir werden, wenn das Programm zum Jahresende auslaufen wird, Zuschüsse in Höhe von rund 80 Millionen € gezahlt haben. Das Programm wird aber auf eine andere Art weitergeführt.

Der Neubau im Mietwohnungsbereich wird derzeit in Sachsen-Anhalt nicht gefördert. Die Konzentration der Förderung liegt auch aufgrund der anhal

tenden Leerstandsproblematik auf Maßnahmen im Bestand.

Die Finanzierung der Wohnraumförderung in Sachsen-Anhalt erfolgte von 2007 bis 2019 ausschließlich aus den Entflechtungsmitteln, welche der Bund dem Land infolge der Föderalismusreform zur Verfügung stellte. Die Mittel waren ab dem Jahr 2007 zweckgebunden für Wohnraummaßnahmen und ab dem Jahr 2017 für investive Maßnahmen vorgesehen. Eine Bindung im klassischen Sinne der sozialen Wohnraumförderung mit Belegungs- und Mietpreisbindung bestand nicht.

Die Zahlung der Entflechtungsmittel ist am 31. Dezember des vorigen Jahres leider ausgelaufen. Ab dem Jahr 2020 stellt der Bund den Ländern nunmehr Bundesfinanzhilfen für die klassische soziale Wohnraumförderung zur Verfügung. Diese sind in Höhe von 30 % der in Anspruch genommenen Bundesmittel vom Land kozufinanzieren.

Wir werden diese Finanzhilfen erstens für die Neubauförderung im Wohneigentumsbereich im Rahmen von Einkommensgrenzen einsetzen. Damit sollen vor allem Familien unterstützt werden. Die Förderung von Wohneigentum trägt zum Bleiben, im besten Fall sogar zum Kommen in das Land bei und ist darüber hinaus ein wichtiger Faktor für die Altersvorsorge.

(Zustimmung)

Zweitens werden wir die Herrichtung leerstehenden und teilweise leerstehenden Wohnraums mit Belegungs- und Mietpreisbindung fördern. Die Förderrichtlinie wurde weiterentwickelt, um unter anderem das Aufzugsprogramm aufzufangen, das ab dem Jahr 2021 eingestellt wird.

In Erarbeitung ist eine Neubauförderung für barrierearme Miet- und Genossenschaftswohnungen in besonderen Gebietskulissen mit Belegungs- und Mietpreisbindung. Die Belegungsbindung ist in der jeweiligen Förderrichtlinie gemäß § 29 des Wohnraumförderungsgesetzes befristet festgesetzt. Eine unbegrenzte Belegungsbindung ist nach Rechtsprechung weder gesetzeskonform noch verhältnismäßig.

Außerhalb der klassischen Wohnraumförderung soll das Programm „Sachsen-Anhalt modern“ fortgeführt werden. Vor allem der altersgerechte Umbau bzw. die altersgerechte Anpassung von Wohnraum ist aufgrund der demografischen Bevölkerungsentwicklung ein dauerhaftes Thema bei der Bestandsmodernisierung, und dies auch im mittleren Preissegment. Gefördert wird mittels Darlehen aus dem Wohnraumförderfonds.

Ebenfalls aus dem Wohnraumförderfonds finanziert werden soll im Rahmen der Wohneigentums

förderung der Erwerb aus dem Bestand, welcher im Land zunehmend an Bedeutung gegenüber dem Neubau gewinnt. Die Bundesfinanzhilfen können hierfür nicht eingesetzt werden, da der Bund Erwerb nicht als Investition ansieht und damit verfassungsgemäß der Einsatz der Bundesfinanzhilfen nicht infrage kommt.

Zum Thema Mietendeckel möchte ich nur kurz ausführen, dass das Erfordernis eines landesweiten Mietpreisdeckels auf KdU-Niveau für Geringverdiener aufgrund des nicht angespannten Wohnungsmarktes im Land Sachsen-Anhalt nicht gesehen wird. Aus diesem Grund wurde auch schon von der landesweiten Einführung der Mietpreisbremse und der abgesenkten Kappungsgrenze abgesehen.

Der in Halle teilweise praktizierte Mietpreisdeckel beruht auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung der halleschen Wohnungsgenossenschaften. Die Landesregierung begrüßt selbstverständlich Maßnahmen jeglicher Art der Wohnungsunternehmen, die es Haushalten mit geringerem Einkommen ermöglichen, in ihren Wohnungen und damit in ihrem sozialen Umfeld zu verbleiben.

Abschließend noch ein paar Worte zur Wohnungsmarktsituation. Diese stellt sich in Deutschland sehr heterogen dar. In Ballungsgebieten und in sogenannten Hotspots besteht Wohnungsknappheit und infolgedessen steigt das Mietniveau. Gleichzeitig hat die Zahl der Sozialwohnungen abgenommen.

Der Wohnungsmarkt in Sachsen-Anhalt stellt sich dagegen nach wie vor entspannt dar. Es gibt insgesamt keine Wohnungsknappheit. Allein der Bestand der im Verband der Wohnungswirtschaft organisierten Wohnungsunternehmen und -genossenschaften macht ca. 43 % des Mietwohnungsbestandes im Land aus. Die durchschnittliche Miete liegt bei 5 € pro Quadratmeter, in ländlichen Regionen oft darunter. Es steht ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung, auch in Halle und Magdeburg.

Die Belegungsbindung aus der Wohnungsbauförderung der 90er-Jahre ist nahezu vollständig abgelaufen. Am 31. Dezember 2019 gab es aufgrund der Förderung in den letzten Jahren im Land 3 510 belegungsgebundene Wohnungen. Aufgrund der moderaten Mieten im Land ist für viele Bürger die Versorgung auch ohne Wohnungsberechtigungsschein möglich, sodass häufig Anspruchsberechtigte keinen Gebrauch davon machen.

(Zustimmung)

In großen Teilen des Landes nimmt seit einigen Jahren der Wohnungsleerstand wieder zu. Das ist ein Problem für alle Vermieter, für private wie organisierte Unternehmen.

(Zustimmung)

Im vom Ministerium beauftragten Wohnungsmarktbericht Sachsen-Anhalt 2018 wurde die bisherige Förderstrategie des Landes bestätigt. Die Konzentration auf den Bestand wird als zielführend angesehen. Auch die Schaffung von Sozialwohnungen sollte in erster Linie im Bestand erfolgen.

Neubaubedarf sehen die Gutachter allerdings für zentrale Orte. Auch hierbei sollte aber zunächst die Bestandsentwicklung genutzt werden. Im ländlichen Raum wird unter Umständen ein qualitativer Zusatzbedarf gesehen. Um die Menschen in der Region zu halten, kann auch hierfür ein Neubau zielführend sein. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Herr Minister, Frau Hohmann hat sich zu Wort gemeldet.

Gern.