Protocol of the Session on July 9, 2020

Gut. Es gibt keine weiteren Fragen mehr. Demzufolge können wir in der Debatte fortfahren. Nach der Desinfektion wird dann für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Olenicak an das Redepult treten können. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Hohes Haus! „Was lange währt, wird gut“ - dieses Zitat drängt sich förmlich auf, wenn man die Idee der LINKEN vernimmt, in knapp einem Jahr vor dem Ende der Legislaturperiode hastig noch einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen in und um Brüchau und Teutschenthal einzusetzen, um 30 Jahre Untätigkeit und Wegsehen zu kaschieren.

(Beifall)

Eines ist klar, werte Kollegen der LINKEN: Sie haben zur Metamorphose der bergbaulichen Abfalleinrichtung der Obertagedeponie Brüchau nie einen Betriebsbericht studiert - die Sammlung derselben füllt einen Wäschekorb -; denn dann hätten Sie bereits viel früher oder spätestens 2012 der Gefährdung durch Sickerwasser und den notwendigen Konsequenzen nachspüren müssen.

(Beifall)

Zuerst zu den Modalitäten: Sollte der Antrag heute beschlossen werden, kommen erst einmal die Sommerferien. Dann geht er bei Zweifeln in den Rechtsausschuss, um dort seine Durchführung zu überprüfen. Die Zeit verrinnt. Welche Aktenberge wollen Sie denn eigentlich noch wälzen und was wollen Sie dann noch erreichen?

Bemerkenswert ist, dass Ihnen in Ihrem korrigierten Antrag noch aufgefallen ist, dass es auch in Teutschenthal bereits seit 1990 Vorkommnisse gab, die höchst besorgniserregend waren und sind bzw. auch bereits untersucht wurden. Seitdem sitzen Sie, werte Kollegen von der LINKEN, ja in diesem Landtag.

Warum fällt Ihnen das erst 30 Jahre später auf, dass es ein behördliches Fehlverhalten und Rechtsverstöße gab bzw. in dieser Legislaturperiode auch noch gibt? Anders formuliert: Wo sind Ihre parlamentarischen Vorstöße gegen die Verstöße gegen Rechtsvorschriften in den Objekten Brüchau und Teutschenthal? Wieso ist Ihnen nicht aufgefallen, dass sich eine Schlüsselfigur des anhaltisch-italienischen Müllskandals von 1994 bis 2009 und Geschäftsführer der GTS Teutschenthal vor einem italienischen Gericht ver

antworten musste und in einem Untersuchungsausschuss in Sachsen als Verantwortlicher für illegale Müllgeschäfte benannt wurde?

(Beifall)

Bei diesen kriminellen Machenschaften stellte die Einbringung von Abfällen und Versatz in Teutschenthal eine immer wiederkehrende Kulisse dar. Wo waren Ihre Aktivitäten, als im Jahr 2010 in Teutschenthal 10 000 t nicht genehmigte Filterstäube unter Tage gebracht wurden? Was haben Sie unternommen, als das Verwaltungsgericht in Halle die Genehmigung aufgrund fehlender Nachweise des Betreibers bezüglich der Gefahr, die von Versatz ausgeht, versagte?

(Zustimmung)

Das war ein kleiner Teil der Fragen, auf die Sie vielleicht nachher noch eingehen. Leider fehlt mir die Zeit.

Bei uns sind das bereits 27 Seiten Rechercheergebnisse über derartige Ereignisse, die Fragen zu dem Thema Abfälle und Versatz in Teutschenthal aufwerfen.

Die Gretchenfrage lautet, werte LINKE: Diese aufgeworfenen Fragen und viele weitere sind keine Geheimnisse. Sie wurden bereits veröffentlicht und untersucht. Aber es fehlen die Konsequenzen.

(Beifall)

Vielleicht können Sie die Zielsetzung Ihres beantragten Ausschusses konkretisieren und sagen, welche Taten Sie erwarten, auch vor dem Hintergrund, dass Sie in Ihrer Begründung den Verdacht äußern, dass die Landesregierung grundsätzlich seit 1990 offenbar nicht alles getan hat, um wirklich eine ordnungsgemäße Umschlagung, Lagerung und Verbringung von Abfällen in Bergwerke, Deponien und Gruben in Sachsen-Anhalt zu gewährleisten und damit eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt abzuwenden.

(Beifall)

Im Umkehrschluss, werte Kollegen der LINKEN: Vielen Dank dafür, dass Sie unseren gesamten Anträgen zum Problemkreis Müll und Deponien Ihre Stimmen verweigert haben.

(Beifall)

Lieber Alternativanträge stellen, die Probleme verwässern, und alles bleibt, wie es ist. Ideologie determiniert die Strategie.

Ein kleiner Denkanstoß: Seit 4. Mai 2017 wäre Brüchau mit Ihren Stimmen, werte LINKE, heute Geschichte. Nochmals vielen Dank für die Entsagung. Damit haben Sie den Menschen vor Ort

sehr geholfen. Sie arbeiten eben nicht für die Menschen dieses Landes. Wo würde denn die Gesundheitsgefährdung der Bürger dieses Landes in Ihrem Untersuchungsausschuss landen?

Das Problem werden Sie in den Aktenbergen nicht lösen. Das ist ein wirklich glänzender Vorstoß, liebe LINKE. Rechtsverstöße der Behörden sollen aufgedeckt werden und die Leute erkranken und sterben weiter an Krebs. Da haben Sie wirklich etwas vorangebracht.

(Zustimmung)

Sie sind keine Opposition. Sie sind ganz einfach nur parlamentarische Showhasen und auf Applaus aus. - Vielen Dank.

(Beifall - Zurufe)

Wir können in der Debatte weiter fortfahren. Nachdem das Redepult desinfiziert worden ist, spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abg. Herr Meister. Herr Meister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die beiden heute aufgerufenen Themen, also Brüchau und Teutschenthal, sind von hoher Brisanz. Es geht um die Gesundheit der Menschen vor Ort. Es geht um das Intaktsein der Umwelt. Um Enttäuschungen vorzubeugen, muss man sagen, dass es nicht um die Frage der Auskofferung, Finanzierung und dergleichen gehen wird. Diese Diskussion, die wir aktuell haben, ist nicht Gegenstand des Antrags. Ich weiß, dass das draußen möglicherweise anders erwartet wird. Das ist aber nicht Gegenstand des Antrags.

Die Menschen müssen sich auf die Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, gerade bei solchen brisanten Themen, verlassen können. Wenn Zweifel bestehen, dann tut Aufklärung not. Dazu kann es natürlich auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geben.

Ich will aber nicht verhehlen, dass der Antrag trotzdem für einige Irritationen sorgte. Das Problem ist aber weniger der Inhalt, sondern der Zeitpunkt. Die aufgeworfenen Fragestellungen sind komplex und alles andere als trivial.

Allen, die sich ein wenig mit der Praxis von Untersuchungsausschüssen auskennen, wissen: In der kurzen Restlaufzeit des Landtags ist eine umfassende Aufarbeitung der Akten - wir haben ja einen Zeitraum von 1990 bis 2020 -, die Vernahme der Zeugen sowie die Erarbeitung und Abstimmung des Abschlussberichts faktisch nicht mehr möglich, zumindest nicht in einer halbwegs vernunftbegabten Qualität. Man müsste ja anfangen, den

Abschlussbericht ab etwa Dezember bzw. Januar zu erarbeiten. Das ist die Praxis, die wir haben. Sobald der Ausschuss eingesetzt ist, bekommen Sie aus 30 Jahren Akten für zwei Standorte. Mir ist völlig rätselhaft, wie man das in diesem Zeitraum in irgendeiner Form schaffen soll.

Sie wollen dann auch noch zwei völlig unterschiedliche Vorgänge behandeln, nämlich Brüchau und Teutschenthal. Die haben erst einmal nur die handelnde Behörde gemeinsam. Aber die Gegebenheiten, die vor Ort aufgetreten sind, sind natürlich unterschiedlich.

(Zuruf)

Ich habe Zweifel daran, dass das ein angemessener Umgang mit dem Thema ist.

Wir stehen weniger als elf Monate vor dem Ende der Legislaturperiode. Wir haben aktuell fünf weitere Untersuchungsausschüsse. Das Instrument der Untersuchungsausschüsse wurde ziemlich bewusst - nicht von der Antragstellerin - an den Rand der Dysfunktionalität geführt. Nicht nur das inflationäre Auftreten der Ausschüsse, die von ihrem Antragsteller nach der Absetzung der ersten Pressemitteilung zum Teil nur recht lustlos betrieben werden, führt dazu, dass sie kaum noch öffentlich wahrgenommen werden. Wir haben schon jetzt ganz banale, aber erhebliche Probleme, überhaupt freie Sitzungstermine zu finden. Der Versuch vorhin, bei dem man für einen Ausschuss noch zwei oder drei Termine gefunden hat, zeigt das.

Wie der GBD qualitativ gute Zuarbeiten zu sechs Abschlussberichten machen soll, entzieht sich meiner Kenntnis.

Insofern kann man sich tatsächlich fragen: Was soll das? - Das Irritierende ist eben der Zeitpunkt.

Wir haben in Brüchau jetzt neu die hier von uns beschlossene Auskofferung und die Diskussion über die Finanzierung. Das ist naturgemäß aber nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses.

Wir haben in Teutschenthal ein zumindest seit 2018 bekanntes behördliches Versagen - das ist eklatant -, weil die 2004 angeordnete Errichtung einer Halle bis 2007 nicht umgesetzt und dieses recht auffällige Fehlverhalten über mehr als zehn Jahre von der Behörde nicht moniert wurde. Das ist tatsächlich eine Sauerei.

Ich hatte den Eindruck, dass das Wirtschaftsministerium, namentlich auch Minister Willingmann, da ziemlich hart eingestiegen ist. Deswegen trieben meine Fraktion, aber anscheinend auch alle anderen Fraktionen des Hauses nach Bekanntwerden dieses Vorgangs keine Gelüste zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses um. Zeitlich hätte es im Jahr 2018 aber Sinn ge

macht; das wäre gegangen. Damals wurde ein Sonderermittler vom Haus eingesetzt. Der Bericht des eingesetzten - -

(Zuruf: Berater!)

- Berater. Na ja, wir sind ja nicht bei Oury Jalloh, sondern bei Teutschenthal. Ich meine, das Haus hat einen Ermittler eingesetzt. Ich weiß nicht mehr, wie die Formulierung war.

Der Bericht dieses eingesetzten Menschen liegt ganz frisch vor und wird in der nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses auch vorgestellt. Der Kollege Lange hat ja zum Teil daraus zitiert. Das klingt nicht nach einem Gefälligkeitsgutachten, das der Kollege da abgegeben hat. Er gibt auch diverse Empfehlungen. Die Auseinandersetzung im Ausschuss steht noch aus und macht auch Sinn.

Nun, wo es zeitlich nicht mehr sinnvoll ist, hier zu einer anderen Einschätzung zu kommen, finde ich schwierig. Dieses Thema ist aber aktuell tatsächlich wichtig, nur der Zeitpunkt stört etwas.

Man muss natürlich auch sehen, dass das grundlegende Problem, das wir bei der Abfallbeseitigung haben, die Frage ist: Wie gehen wir in der Gesellschaft, in der gesamten Republik mit gefährlichen Abfällen um? - Sie wird im Ausschuss in der kurzen Zeit, aber vielleicht auch generell so nicht zu behandeln sein. Die Abfälle in offene Tongruben zu verkippen, ist erkennbar absurd. Das wird der Untersuchungsausschuss allerdings nicht wirklich behandeln können. Den Mülltourismus haben Sie selbst angesprochen.

Wenn es heute tatsächlich zu der Einsetzung kommen sollte, wird sich meine Fraktion in die Arbeit stürzen und mit beauftragten Beratern, die uns dann zur Verfügung stehen, natürlich versuchen, das Thema auch in diesem kurzen Zeitraum zu bearbeiten.

Zu dem Antrag selbst werden wir uns heute aber aus den genannten Gründen der Stimme enthalten. - Vielen Dank.

(Beifall)