Glauben Sie mir: Wenn ich abschreiben würde, dann würden Sie es nicht erkennen. So gut mache ich das.
Ich sage es ganz ehrlich. Wir haben uns selbst Gedanken gemacht, und das nicht erst in dieser Legislaturperiode, sondern schon weit davor. Schon damals gab es Initiativen und Anträge so
wie Selbstbefassungen - Frau Frederking hat darauf hingewiesen -, die die Fraktion DIE LINKE eingebracht bzw. an denen sie sich beteiligt hat. Wir haben selbst immer wieder Fragen gestellt usw. usf. Damals gab es Ihre Partei noch lange nicht. Das war übrigens eine gute Zeit.
Bevor wir in die Fünfminutendebatte der Fraktionen einsteigen, hat für die Landesregierung der Minister Herr Prof. Willingmann das Wort. - Einen ganz kleinen Moment noch, Herr Professor; dann geht es auch gleich los. - Sie haben jetzt die Möglichkeit zu sprechen und dürfen beginnen. Bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich hoffe, die Akustik funktioniert.
Wir hatten uns zuletzt ziemlich genau vor einem Jahr hier im Hohen Haus mit der Problematik zur sachgerechten Stilllegung der bergbaulichen Abfallentsorgungsanlage Brüchau befasst. Ich hatte Ihnen im vergangenen Jahr bestätigt, dass die von Ihnen im Jahr 2017 gefassten Beschlüsse durch die Landesregierung und durch das Verwaltungshandeln der Vollzugsbehörden beschlussgetreu umgesetzt werden.
Ja, wir können weit in die Vergangenheit zurückschauen und es ist berechtigt zu sagen, es ist viele Jahre lang nichts geschehen. Aber das gilt definitiv nicht für die letzten drei Jahre,
in denen hier im Landtag darüber debattiert und in den Ministerien daran gearbeitet wurde, meine Damen und Herren. Das hängt übrigens auch ein Stück weit - insoweit dürfen Sie mich als Zielscheibe benutzen - mit meiner Amtszeit zusammen.
Nur, damit hier klar ist: In den letzten drei Jahren wurde jedenfalls nicht tief und fest geschlafen, Herr Höppner. Aber es ist ohne Frage ein Prozess, der zu lange gedauert hat.
Wir sind heute gehalten, uns erneut mit dem Thema zu befassen; denn die Untersuchungen zur Behebung der Wissensdefizite, die der Genehmigung einer dauerhaften Stilllegungsvariante damals entgegenstanden, sind abgeschlossen. Ich bedanke mich deshalb dafür, dass wir heute noch einmal die Gelegenheit bekommen, uns darüber auszutauschen. Ich bedanke mich auch für die
Unterstützung der Festlegung der weiteren Vorgehensweise. Wir wollen sehen, wie es ist. Ich versuche, es Ihnen zu erläutern.
Zur Gefährdungslage haben wir - das wurde schon ausgeführt - neue Erkenntnisse gewonnen. Die Aussage des Zwischenberichts, die Anlage ist undicht, wurde bestätigt. Damit ist zu konstatieren, dass das Grundwasser und die entsprechende Bodenpassage durch den Austrag von Schadstoffen beeinträchtigt sind. Die Beeinträchtigung durch Chlorid und weitere deponiewürdige Stoffe, wie Barium, Strontium usw., ist aufgrund einer Schrägbohrung belegt.
Um es deutlich zu sagen - niemand spielt dabei auf Zeit -: Damit ist das Schutzgut Umwelt verletzt, und dieser Zustand muss beendet werden.
Beim Beenden dieses Zustands müssen wir darauf achten, dass jedenfalls keine Gesundheitsgefahren für die Menschen entstehen, die in direktem Kontakt mit dem Deponat stehen oder im Falle der Beräumung damit zu tun bekommen. Das ist eine große Herausforderung für den Arbeitsschutz.
Aufgrund der neuen Erkenntnislage ergaben sich Konsequenzen für die Schließungsvarianten. Das Unternehmen Neptune Energy hat den Endbericht zu den Untersuchungsarbeiten im Bereich der bergbaulichen Abfallentsorgungsanlage Brüchau gemäß dem Sonderbetriebsplan Aktualisierte Gefährdungsabschätzung usw. am 15. Mai 2020 unserem Bergamt, dem LAGB, vorgelegt. Am 18. Mai 2020 hat das Unternehmen den 224 Seiten umfassenden Text und Anlagenteil der Unterlage mit einer entsprechenden Pressemitteilung über seine Internetpräsenz auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das ist die Quelle, aus der Sie zitieren, und das ist auch richtig und gut so.
Aus dem Abschlussbericht geht hervor, dass neben einer Oberflächenabdichtung nunmehr unter Einbeziehung der neuen Erkenntnisse aus dem Untersuchungsprogramm empfohlen wird, drei alternative Schließungsvarianten näher zu betrachten. Es handelt sich dabei erstens um die Abdichtung der Fehlstellen im Geschiebemergel mittels Wabenverfahren bei anschließender Lagerung des Deponats an gleicher Stelle und Ausführung einer Oberflächenabdichtung, zweitens um die Errichtung einer neuen Lagermöglichkeit auf dem Gelände der bisherigen Abfallentsorgungsanlage nach dem aktuellen Stand der Technik und Umlagerung des Deponats vor Ort und drittens um die Auskofferung des Deponats und Weiterverbringung an zugelassene Deponien an anderen Standorten.
Nächstes nun eine Machbarkeitsstudie zur planerischen Untersetzung der vorgelegten Varianten der möglichen Entsorgungswege und einen Variantenvergleich inklusive Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vor. Dann soll über eine Vorzugsvariante entschieden werden. - So der Bericht.
Meine Damen und Herren! Der Vorschlag des Gutachters zur weiteren Vorgehensweise überzeugt mich persönlich nicht. Nach erster Rücksprache mit dem zuständigen LAGB - dafür hat der Wirtschaftsminister Verantwortung - gehe ich fest davon aus, dass die neuen Varianten des Flickens der Basis in Kombination mit einer Oberflächenabdeckung oder der Umlagerung keine Varianten sind, die ernsthaft in Betracht kommen.
Nach der Schließung des Ablagerungsbetriebs im Jahr 2012 sind nunmehr acht Jahre ins Land gegangen, in denen untersucht und Varianten betrachtet wurden. Jetzt liegen alle Fakten auf dem Tisch und muss auch entschieden werden.
Wenn die neuen Varianten den Anforderungen des § 22a der Allgemeinen Bundesbergverordnung, der hierfür maßgeblich ist, nicht genügen, dann ist keine weitere Abwägung erforderlich und die Conclusio lautet: Die Ablagerung ist zu entsorgen, es ist auszukoffern.
Wie es in diesem Verfahren - darauf haben wir uns verständigt, meine Damen und Herren - erforderlich ist, sind weitere Behörden zu beteiligen einschließlich der Stadt Kalbe (Milde) sowie des Altlastenfonds des Landes Sachsen-Anhalt, also der Landesanstalt für Altlastenfreistellung. Diese wurden zwischenzeitlich alle zur Stellungnahme aufgefordert.
Dabei ist natürlich die Aussage der Landesanstalt für Altlastenfreistellung nicht ohne Bedeutung - das wurde hier von der rechten Seite bereits angesprochen -; denn im Innenverhältnis zu Neptune trägt sie große Teile der anfallenden Sanierungskosten - Frau Frederking, Sie haben zu Recht auf den Schlüssel hingewiesen - und das Unternehmen Neptune muss sich mit der LAF in Bezug auf das komplette Sanierungsgeschehen abstimmen.
Nach dem bisherigen Ergebnis der Anhörung kommt für die LAF nur die Variante Abdichtung mit lokaler Vervollständigung des Geschiebemergels als verhältnismäßige und aus dem Sondervermögen Altlasten refinanzierbare Maßnahme in Betracht. Nach Ansicht der LAF müssten für darüber hinausgehende Maßnahmen zusätzliche Mittel aus dem Landeshaushalt bereitgestellt werden.
Nach dem bisherigen Prüfungsstand meiner Fachleute, LAGB und Fachebene des Ministeriums, scheidet bereits aus bergrechtlichen Gründen die von der LAF derzeit favorisierte Variante aus. Die unterschiedliche Bewertung beruht dabei auf unterschiedlichen Rechtsauffassungen. Ich will Sie damit an dieser Stelle nicht belasten.
Zwischenzeitlich hat das LAGB - dieses ist erstzuständig -auch bereits den Bergbauunternehmer dazu aufgefordert, in Erfüllung des Sonderbetriebsplanes für die Variante der vollständigen Beseitigung der Abfälle die Entsorgungsmöglichkeit und die Kosten dafür zu ermitteln. Die bisherigen Kostenschätzungen sind lediglich grobe Schätzungen, die nicht belastbar sind. Damit soll die Prüfung der finanziellen Umsetzbarkeit der Beseitigungsvariante zügig vorangebracht werden.
Meine Damen und Herren! Das LAGB wird sich weiter intensiv mit dem Abschlussbericht und den aufgezeigten Varianten auseinandersetzen. Es hat das Bergbauunternehmen allerdings dazu aufgefordert, bis Mitte Juli eine konkrete Stilllegungsvariante vorzulegen.
Meine Damen und Herren! Wir haben hier eine rechtlich schwierige Situation, die dadurch entsteht, dass wir das bergrechtlich gebotene Zusammenspiel haben zwischen den Unternehmen, die uns einen Vorschlag unterbreiten, und dem Prüfauftrag des Bergamts. Aber nach den langwierigen Untersuchungen und vor dem Hintergrund des vorliegenden Kenntnisstands möchte ich hier noch einmal meiner Erwartung Ausdruck verleihen, dass nunmehr ohne weiteres Zuwarten zügig mit der Planung zur Auskofferung der Anlage begonnen wird. Insoweit unterstütze auch ich den Antrag der Regierungskoalition. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. Es liegen mir mehrere Wortmeldungen vor. Als Erster hatte sich der Abg. Herr Lieschke gemeldet. - Herr Lieschke, Sie haben das Wort.
Herr Prof. Dr. Willingmann, ich bin mir sicher, dass Sie an der Misere der vergangenen Jahre nicht schuld sind, und ich glaube, wir sind mit Ihnen auch auf dem richtigen Weg. - Dies als ein kleines Lob von mir.
Dank Ihres wissenschaftlichen Backgrounds usw. sind Sie aber vielleicht doch der Meinung, dass man sagen könnte, die Landesregierung und die Landesverwaltung haben während der vielen vergangenen Jahre versucht, die Dichtigkeit der Grube darzustellen, das heißt, man hat immer
versucht, Beweise dafür zu finden, dass die Grube dicht ist. Wäre eine andere Herangehensweise vielleicht besser gewesen, indem man gesagt hätte, wir versuchen, die Undichtigkeit darzustellen? Wie sehen Sie das?
Herr Abg. Lieschke, ich bin zunächst einmal froh darüber, dass wir hier im Jahr 2017 beschlossen haben, dass eine ergebnisoffene Prüfung stattzufinden hat und dass am Ende dieser ergebnisoffenen Prüfung jetzt ein Ergebnis herausgekommen ist, das viele nicht vorausgesehen haben; denn es wurde - fast muss man es so sagen - unterstellt - -
- Ja, natürlich, Herr Farle, viele Dinge weiß man am Anfang schon und wundert sich dann darüber, dass das Ergebnis doch anders ist.
dass man insbesondere dem Bergamt unterstellt hat, auf eine ganz bestimmte Richtung hin untersuchen zu lassen. Ich möchte deutlich machen: Wir haben den Beweis dafür angetreten, dass das nicht der Fall ist.
Vielen Dank. - Ich werde jetzt in meiner Rednerliste weiter vorgehen. Und zwar ist der nächste Redner der Abg. Herr Harms, dann Herr Lange.