Einen rechtssicheren Weg zu finden, ohne Gesetzesänderung zentrale Teile des Gesetzes gegen die ursprüngliche Absicht des Gesetzes anzuwenden, ist geradezu eine verwegene Aufgabe. Legt man juristische Maßstäbe aus Nichtkrisenzeiten an, muss das scheitern.
Die bunt schillernde Lösung über die Experimentierklausel würde in normalen Zeiten ungläubige Heiterkeit hervorrufen. Es sind nun einmal keine normalen Zeiten.
Der Versuch, den Kommunen weitere Handlungsmöglichkeiten an die Hand zu geben - darum ging es -, war sinnvoll und aller Ehren wert. Der Antrag blendet aus, dass die Kommunen nicht gezwungen wurden, so zu handeln. Präsenzsitzungen waren und sind weiter möglich - das war auch immer klar -; Vertagungen natürlich auch und dürften sich für viele Dinge empfehlen. Es oblag und obliegt vielmehr den Kommunen, selbst zu entscheiden, ob und für welche Fälle sie das zweifellos bestehende Risiko dieses Notweges gehen wollen.
Wir hatten vor Ort tatsächlich sehr schwierige Situationen. In Magdeburg fing der OB an, per Eilentscheidungen Dinge zu regeln, die nur den Stadtrat angehen. Im Großen und Ganzen ist das rechtswidrig, was er da gemacht hat. Aber das war tatsächlich die Situation. Als jetzt diese neue Regelung klar war, wurde dann gesagt, okay, es gibt weiter ein Verfahren, so schwierig das auch sein wird, dass der Rat Dinge entscheiden kann. Insofern ist das vernünftig.
Im Ergebnis - da sind wir in unserer Einschätzung wohl dicht beieinander - ist das sogenannte Umlaufverfahren für die kommunale Praxis aber untauglich, wenn man sich zum Beispiel grob anschaut, wie Änderungsanträge funktionieren. Sie funktionieren nämlich nicht im Umlaufverfahren. Also: Ich möchte gerne dem Änderungsantrag zustimmen und nur dann stimme ich dem Hauptantrag zu. Das ist eine typische Situation. Das kann ich aber nur dann regeln, wenn das schriftlich vorliegt. Für Geschäftsordnungsanträge ist das gleichermaßen schwierig. Da haben Sie natürlich recht. Dieses Vorgehen ist auch juristisch zweifelhaft.
In unserem Alternativantrag, der die Kritik in das richtige Verhältnis rückt, wie ich meine, sehen wir daher auch die ordentliche Aufnahme von Notverfahren in die Kommunalverfassung vor, damit wir zukünftig in einer ähnlichen Situation auf gesicherte Verfahren zurückgreifen können. Viel
leicht ist so eine Änderung aber auch Anlass, einmal darüber nachzudenken, welche Elemente moderner digitaler Ratsarbeit auch im Nichtkrisenmodus Berücksichtigung finden können.
Zum AfD-Änderungsantrag: Die Onlineübertragung funktioniert. Da müssen wir nichts ändern. Das können Sie als Kommune so machen. Ich weiß nicht, was das jetzt im Antrag zu suchen hat. Bei der Maskenpflicht gelten die Regelungen, die überall gelten. Ich weiß jetzt nicht, welche Rechtsauskünfte man da gegenüber Stendal erteilen muss.
Herr Roi hat sich für eine Frage gemeldet. Wenn Sie die beantworten wollen, dann hätten Sie jetzt die Gelegenheit dazu. - Herr Roi, jetzt schalte ich die Uhr scharf. Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Meister, Sie sind ja Jurist und haben gerade schon über ein paar juristische Dinge gesprochen. Aber zunächst der Hinweis: Wir wollen als Land den Kommunen empfehlen, solche Online-Übertragungen einzuführen, auch entsprechend ein Programm aufzulegen und das finanziell zu unterstützen. Es ist ja immer das Totschlagsargument des Hauptverwaltungsbeamten, dass das alles Geld kostet. Wenn Sie den Antrag richtig lesen, dann enthält der durchaus etwas mehr als das, was Sie herausgelesen haben.
Der nächste Punkt ist: Habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass man aus der Verordnung nicht eine Maskenpflicht ableiten kann? Wir haben in die Begründung das Beispiel gestern im Wirtschafts- und Vergabeausschuss in Stendal hineingeschrieben. Da wurden Stadträte gezwungen, eine Maske zu tragen. Am nächsten Montag ist dort Stadtratssitzung. Vielleicht kann die Landesregierung bis dahin noch einmal in Stendal anrufen - offensichtlich können die dort Verordnungen nicht richtig lesen - und das klarstellen. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Aus dem Runderlass erkenne ich jetzt keine Stelle, aus der sich eine Maskenpflicht für kommunale Räte ergeben sollte. Da wüsste ich nicht, wo das herkommen sollte.
schauen. Aber das ist nun wirklich eine ganz klassische kommunale Aufgabe, nämlich wie die einzelne Kommune ihre Ratsarbeit organisiert. Da ist es a) schon angesagt, dass die Kommune selbst entscheidet, ob sie das machen will oder nicht, und b), dass sie auch über die Finanzen nachdenkt. Finanzen halten sich ja normalerweise in einem überschaubaren Rahmen. Viele Kommunen machen das bereits.
Nun sehe ich keine weiteren Fragen. Dann können wir nach der wieder anstehenden Desinfektion des Tisches den Redebeitrag der CDUFraktion hören. Der kommt von dem Herrn Abg. Krull. - Herr Krull, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Für mich als überzeugten Kommunalpolitiker sind die Kommunen die Herzkammern unserer Demokratie. So wie praktisch alle anderen Lebensbereiche war auch die Kommunalpolitik in unserem Land von den Maßnahmen zur Bekämpfung des Covid-19-Virus betroffen.
Daher ist es aus der Sicht der CDU-Landtagsfraktion wichtig, dass das Ministerium für Inneres und Sport in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden Regelungen erarbeitet hat, die am 23. März mit dem klaren Ziel veröffentlicht wurden, die Handlungsfähigkeit der kommunalen Gremien zu sichern.
Natürlich leben demokratische Prozesse auch von entsprechenden Debatten in den Gremien. Ob diese immer, bei jedem Beitrag, ein entsprechendes Niveau haben, auch hier im Landtag von Sachsen-Anhalt, das möge bitte jede und jeder für sich selbst beurteilen.
Deswegen können Beschlüsse in einem schriftlichen Umlaufverfahren nur eine absolute Ausnahme darstellen. Genau das sagt ja auch das Innenministerium, indem es ausführt, dass dieses Verfahren nur in dringenden Angelegenheiten anzuwenden ist, die keinen Aufschub dulden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus eigener Erfahrungen und aus den Berichten vieler Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort weiß ich aber auch, dass die Interpretation, welche Beschlüsse unter diese Regelung fallen, sehr unterschiedlich sein kann. Das mag auch mit unterschiedlichen politischen Zielstellungen der jeweiligen Fraktionen in den Gremien zusammenhängen.
Beschluss von Satzungen, grundsätzlich zu verzichten sei, wenn das schriftliche Verfahren angewendet wird.
Welche hohe Bedeutung das Land der kommunalpolitischen Arbeit zugemessen hat, macht auch die Tatsache deutlich, dass in der entsprechenden Eindämmungsverordnung des Landes bei den Kontaktverboten ausdrücklich die Arbeit der Selbstverwaltungsorgane der Kommune nicht mit erwähnt worden bzw. eine Ausnahmeregelung gestattet worden ist.
Viele Gemeinden haben auch Wege gefunden, unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln ihre Gemeinde- und Stadtratssitzungen als Präsenzsitzungen durchzuführen. Auch hier wurden Wege gefunden, die Öffentlichkeit zu beteiligen.
Gerade die Debatten in den Ausschüssen haben eine besondere Bedeutung, da diese aufgrund der geringen Teilnehmeranzahl leichter organisiert werden können, auch unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Spätestens mit der Veröffentlichung der Beschlüsse wird die Öffentlichkeit über entsprechende Abstimmungen sowieso informiert.
Mit Schreiben vom 29. April stellte das Innenministerium klar, dass die Fortführung dieser Ausnahmeregelungen nur bis zum 31. Mai zulässig ist in der Annahme, dass ab dann wieder zum Normalbetrieb zurückgekehrt werden kann.
Was wären denn die Alternativen gewesen, meine sehr geehrten Damen und Herren? - Dass auf kommunalpolitischer Ebene keine Entscheidungen getroffen werden? - Keine Option! Oder bevorzugen die Antragsteller das Verfahren, dass die Hauptverwaltungsbeamten ihre Möglichkeiten nach § 65 Abs. 4 KVG nutzen, also Eilentscheidungen treffen? - Dann ist die Öffentlichkeit nun gar nicht mehr gegeben.
In dem Sinne haben wir als regierungstragende Fraktion einen Alternativantrag formuliert, auch mit dem Anspruch, bei der nächsten Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes Möglichkeiten zu schaffen, um auf solche Ausnahmeereignisse reagieren zu können.
An dieser Stelle ein großer Dank den kommunalpolitisch Aktiven vor Ort und den Beschäftigten in den Kommunen für ihre herausragende Arbeit in dieser herausfordernden Zeit.
Vielen Dank. - Ich möchte ein paar Dinge klarstellen, Herr Krull. Wenn Sie hier sagen, die Kommunen wären sonst gar nicht in der Lage gewesen, Entscheidungen zu treffen, dann sage ich Ihnen einmal, was passiert ist. Die Gemeinde Südliches Anhalt hat eine Entscheidung treffen müssen, die dringend war. Die haben normal eine Sitzung abgehalten, weil sie wussten, da gibt es sehr viel Diskussionsbedarf. Es ging nämlich um die Schulentwicklungsplanung. Dann hat man vorsorglich, was zulässig ist, 15 Minuten später eine zweite Sitzung einberufen. So etwas geschieht dann, wenn man nicht beschlussfähig ist; dann kann man wenigstens ordnungsgemäß tagen und Entscheidungen treffen. Das ist passiert. Das ist zulässig. Aber was ist dann passiert? Was ist geschehen? Man hat die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Damit hat man nach dem Erlass gehandelt und die Kommunen stehen vor Problemen. Das ist das, was wir hier kritisieren. Das hätte nicht passieren dürfen.
Man hat den Kommunen hierdurch Probleme bereitet, als ob diese durch die Coronakrise nicht schon genug Probleme hätten.
Der Erlass hat zu rechtswidrigem Verhalten aufgerufen. Das hat auch Herr Meister gesagt. Selbst Oberbürgermeister Trümper - so habe ich Sie verstanden - hat gesagt: Nach dem Erlass dürfen wir nicht mehr tagen. Wir können jetzt das Umlaufverfahren nutzen.
Letzten Endes gibt es Entscheidungen im Umlaufverfahren, wo manch einer dasitzt und sich fragt: Was ist denn da jetzt entschieden worden? Da wurden Änderungsanträge gestellt, weil man vorher die Dinge nicht diskutieren konnte. Ich weiß nicht, ob dann abgestimmt wurde. Ich glaube, es gibt danach, wenn diese Beschlüsse bestätigt werden sollen, noch sehr viel Diskussionsbedarf. Was dann durch die kommunalen Vertretungen an Ergebnissen bestätigt wird und Beschlüsse, die offensichtlich dann schon umgesetzt worden sind - - Dann wird es richtig interessant und heiß. Ich hoffe, dass die Kommunen alle im Ministerium anrufen und sich melden und um Lösungsvorschläge bitten.
Weil immer gesagt wird, bei uns war so eine Riesennotlage, weise ich darauf hin: Wir waren das Bundesland mit der zweitgeringsten Infektionsrate. Alle anderen Bundesländer haben es geschafft, rechtssicher zu agieren. Daher sage ich: Wir müssen den Finger in die Wunde legen. Dieser Erlass hat zu rechtswidrigem Handeln in den kommunalen Gremien vor Ort, in den Kommunen, aufgerufen. Das ist nicht tolerierbar. - Danke.
Danke schön, Herr Präsident. - Ich wollte nur klarstellen, damit es nicht falsch stehen bleibt: Der Oberbürgermeister nahm in Magdeburg zur Kenntnis, dass der Stadtrat die Sitzung im März ausfallen ließ, noch bevor der Runderlass herausgegeben worden war. Er hatte daraufhin den Eindruck, es findet jetzt dauerhaft in vernünftiger Art und Weise keine Ratsarbeit mehr statt, und fing daher an, per Eilentscheidung Festlegungen zu treffen. Erst als der Runderlass kam, sagte er für sich, jetzt findet Ratsarbeit wieder statt, und hörte mit seinem, wie ich meine, rechtswidrigen Tun, nämlich dem Erlass von Eilentscheidungen, auf. Dann hat der Runderlass in der Praxis in Magdeburg geholfen.