Protocol of the Session on October 15, 2015

Meine Kollegin von der SPD Frau Dr. Verena Späthe sprach bei der ersten Befassung im Parlament von einem Angebot der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg, das beinhaltet, erwachsenen Menschen mit Behinderungen in intensiver Zusammenarbeit mit dem örtlichen Jugendamt, dem Landesjugendamt und der Sozialagentur Grundlagen zu bieten, ihre besondere Situation als Eltern selbstbestimmt zu bewältigen.

Offensichtlich gelingt es in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Berlin oder Brandenburg, durch tatkräftige Unterstützung von stundenweiser Hilfe bis hin zu einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung eine begleitete Elternschaft zu realisieren.

Das Zusammenwirken von Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfe stellt zwar für die Leistungsträger und die Leistungserbringer eine sehr große Herausforderung dar, ist aber offensichtlich zu bewältigen. Zitat: Die begleitete Elternschaft erfolgt in einem auf den Einzelfall hin konzipierten Setting stundenweise bis einschließlich einer Rund-um-die-Uhr-Rufbereitschaft. - So in Brandenburg, wo Jugend- und Eingliederungshilfe gemeinsam an einem Strang ziehen.

Auch bei den Pfeifferschen Stiftungen wird eine Kooperation mit den zuständigen Sozial- und Jugendämtern angeboten.

Der Minister hat zu diesem Tagesordnungspunkt nicht das Wort ergriffen. Wir haben uns im Ausschuss intensiv ausgetauscht.

Die Koalitionsfraktionen werden der Beschlussempfehlung folgen, den genannten Antrag abzulehnen. Ich bitte daher um Zustimmung zur Beschlussempfehlung.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Frau Gorr. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die UN-Behindertenrechtskonvention und die UN-Kinderrechtskonvention sind eindeutig. Es finden sich in beiden Konventionen einschlägige Rechtsnormen zur Elternschaft von Eltern mit Behinderungen und zum Recht des Kindes, bei den leiblichen Eltern aufzuwachsen.

Entsprechend diesen Normen haben sowohl die Eltern mit Behinderungen als auch das Kind das Recht auf eine eigene Familie. Wenn ich es einmal so klar sagen darf: Die Unterstützung und die Hilfestellung für Eltern mit Behinderung, ihre Elternschaft auszuüben, sind daher eindeutig geboten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Rechtsnormen - das kennen wir in anderen Feldern auch - sind das eine; die Praxis ist das andere. An dieser Stelle hakt es in diesem Land. Deswegen dieser Antrag.

Es gibt weder die Leistung im Hinblick auf Elternassistenz als originären Leistungsanspruch in den Sozialgesetzbüchern, noch funktioniert die Zusammenarbeit der verschiedenen Verwaltungseinheiten in konkreten Fällen zuverlässig hier im Land. Das wurde aus konkreten Beispielen bekannt.

Ein Beispiel ist sehr prominent auch in der Presse behandelt worden. In dem Zuge haben sich bei mir und sicherlich auch bei anderen Abgeordneten weitere gemeldet.

Erst nach massivem Einsatz im Einzelfall ergeben sich zufriedenstellende Lösungen. Deswegen ist es gut und richtig, dass der vorliegende Antrag auf eine prinzipielle Lösung abzielt, die aus Praxiserfordernissen geboten ist.

Jetzt wird dieser Antrag mit der vorliegenden Beschlussempfehlung abgelehnt. Mir entschließt sich das nicht so wirklich; denn auf Bundesebene wird eine Lösung in die Richtung - so hört man zumindest - angestrebt und das Land würde sich auch in diese Richtung engagieren.

Die Sozialagentur hat uns im Ausschuss selbst berichtet, dass sie an einer Handlungsanleitung in genau dieser Sache für die Jugendämter in diesem Land arbeitet. Insofern kann dieser Antrag doch nur eine Unterstützung für das sein, was ohnehin läuft.

Ich würde dafür plädieren, diesen Antrag anzunehmen, um mit einem positiven Beschluss zu untersetzen, was an Bestrebungen im Land passiert, und um deren Verbindlichkeit mit dem Votum des Landtages zu erhöhen.

Wir alle wissen, dass Arbeitsvorgänge im Einzelfall auch konkurrierend zu behandeln sind. Daher ist doch ein Beschluss des Landtages eine Unterstützung, um zu zeigen, dass wir Ressourcen und Zeit in die Hand nehmen.

Ich glaube, das wäre ein gutes Signal, das heute von diesem Haus ausgehen könnte. In diesem Sinne - das ist jetzt wieder anders herum gedacht - müssen wir die Beschlussempfehlung, die von den Koalitionsfraktionen vorgelegt wurde, ablehnen. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Lüddemann. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Späthe.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention war und ist ein Meilenstein bezüglich der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Aber dass vieles gut und richtig niedergeschrieben ist, heißt noch lange nicht, dass es auch gut und richtig umgesetzt wird.

Auch nach Artikel 5 der UN-Kinderrechts

konvention sind die Vertragsstaaten gehalten, die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern zu achten. Weiterhin wird Kindern in Artikel 9 der Kinderrechtskonvention zugesichert, dass sie nicht gegen ihren Willen und den ihrer Eltern von diesen getrennt werden dürfen.

Auch das Grundgesetz schützt schon in Artikel 6 die Pflege und Erziehung von Kindern als natürliches Recht von Eltern. Es spielt keine Rolle, ob die Eltern eine Behinderung haben oder nicht.

Wichtig ist es, dass die Eltern in die Lage versetzt werden, das Wohl und das Recht des Kindes im Blick zu behalten. Das heißt, körperliche und nichtkörperliche Einschränkungen eines Elternteils sind kein Grund dafür und dürfen auch kein Grund dafür sein, ihm allein deswegen die Erziehungskompetenz abzusprechen. Vielmehr müssen Eltern mit Behinderungen - ganz gleich welcher Art - ihrem Bedarf entsprechend unterstützt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu gehört es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die diesen Eltern die Wahrnehmung ihres Rechts auf selbstbestimmte Elternschaft ermöglichen.

Generell haben alle Eltern bei entsprechendem Bedarf Anspruch auf angemessene Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung bzw. ihrer elterlichen Rolle. Das entspricht schon dem SGB VIII, mit dem Hilfen zur Erziehung geregelt worden sind.

Eltern mit Behinderungen werden daher - je nach Bedarf - vor allem durch die Kinder- und Jugendhilfe und durch die Eingliederungshilfe zu beraten und zu unterstützen sein. Das ist auch gut so, und die Erfahrungen zeigen, dass es funktionieren kann.

Noch bestehenden Praxisproblemen ist zum einen unbedingt durch einen weiteren Wandel der Einstellungen Menschen mit Behinderungen gegenüber zu begegnen. Zum anderen sind sie nur durch ein integriertes und trägerübergreifendes Hilfe- und Gesamtplanverfahren zu lösen.

Das Ziel muss die praxisgerechte Deckung der verschiedenen Unterstützungsbedarfe der Eltern mit Behinderungen sein. Eine Bundesratsinitiative bringt uns an der Stelle nicht weiter. Außerdem ist bereits avisiert worden, dass die Elternassistenz im Teilhabegesetz verankert werden wird.

Deshalb bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung. - Danke.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Frau Dr. Späthe. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Zoschke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr schade! Wir waren uns bei diesem Thema inhaltlich so nah und so einig. Zumindest schien es so. Aber die Regierungsfraktionen lassen die gemeinsamen Einsichten immer dann gern liegen, wenn es konkret wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben in den letzten Ausschussberatungen jedenfalls kein einziges Argument genannt, das erkennen lässt, warum unserem Antrag nicht zugestimmt werden kann. Viel merkwürdiger noch: Sie haben sich in der Sache überhaupt nicht mehr geäußert.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wir brauchen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention eine umfassende Lösung des Problems. Ich habe dies in meiner Einbringungsrede genauer ausführen können und will an dieser Stelle nur eines wiederholen: Das Recht auf Elternschaft ist in Artikel 23 Abs. 1 Buchstabe b der UNBehindertenrechtskonvention detailliert und zweifelsfrei verankert worden. Dort heißt es - ich zitiere -:

„das Recht von Menschen mit Behinderungen auf freie und verantwortungsbewusste Entscheidung über die Anzahl ihrer Kinder und die Geburtenabstände sowie auf Zugang zu altersgemäßer Information sowie

Aufklärung über Fortpflanzung und Familienplanung anerkannt wird und ihnen die notwendigen Mittel zur Ausübung dieser Rechte zur Verfügung gestellt werden …“

Es handelt sich hierher um Recht im Range von Menschenrechten. Wir müssen feststellen, dass die Kluft zwischen dieser Rechtssetzung und der Rechtswirklichkeit noch immer nicht geschlossen worden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Ausgangspunkt unseres Antrages war ein konkreter Fall. Nach einem dramatischen Beginn wurden den betroffenen Eltern die Zwillingsbabys später wieder zugeführt. Inzwischen vernehmen wir weitere Beispiele aus der behördlichen Praxis in Sachsen-Anhalt, die das Fortbestehen des Problems bestätigen. Es darf nicht sein, dass das Menschenrecht in jedem Einzelfall erstritten werden muss.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Frau Lüddemann, GRÜNE: Ja!)

Aus dem Sozialministerium hieß es jetzt, dass man eine Handreichung für eine trägerübergreifende Arbeit entwickele. Nun ja, unser Antrag ist auch schon ein Jahr alt.

Die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben mit ihrem Änderungsantrag zu Recht deutlich gemacht, dass es nicht allein um das Recht der Eltern auf Elternschaft geht, sondern auch um das Recht auf Eltern im Interesse der Kinder. Die Ergänzung unseres Antrags um den genannten Punkt haben wir sehr gern mit aufgenommen.

Wir bitten das Plenum, beiden Anträgen zuzustimmen, also die Beschlussempfehlung abzulehnen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)